project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Nach einer stürmischen Nacht wird der wohlhabende und von Frauen umschwärmte Industrielle Marco Pierboni (Joe Kloenne) in seinem vor der Villa der Familie geparkten Ferrari erschossen aufgefunden. Während die ganze Stadt, das Umfeld des Ermordeten und die örtliche Polizei dadurch in heller Aufregung versetzt und auch die Presse bereits einen großen Skandal wittert, ist die Journalistin Nicole Venturi (Edwige Fenech) voll der Sorge um ihre Tochter Sandra (Vittoria Belvedere), die verschwunden scheint und wenig später ebenfalls ermordet am Ufer eines Flusses gefunden wird. Für Nicole bricht eine Welt zusammen, doch unter die Trauer und Verzweiflung mischt sich auch der Wille, den Mörder ihrer Tochter zu finden.
An Tatverdächtigen mangelt es auch nicht und obwohl die junge Musikstudentin Sandra keine Feinde hatte und lediglich ihr eifersüchtiger Freund Paolo (Lorenzo Flaherty) als Täter in Frage kommt, wimmelt es im Umfeld des ermordeten Pierboni vor möglichen Verdächtigen und potentiellen Tätern. Angefangen von der eigenen Frau Daniela (Gudrun Landgrebe) und dem verhassten Bruder Massimo (Poalo Malco) bis hin zur temperamentvollen Geliebten Milena Bolzoni (Maja Maranow) haben auch die beiden zwielichtigen Partner des verstorbenen Geschäftsmannes handfeste Motive, die jedoch mit großer Mühe verborgen gehalten werden und auch die Mutter des Verstorbenen, die angesehene Matilde Pierboni (Alida Valli) versucht mit allen Mitteln einen möglichen Skandal von der Familie fernzuhalten.
Während der ermittelnde Kommissar Stefano (Ray Lovelock) weiterhin im Dunkeln tappt und mysteriöse Drohbriefe die Runde machen beginnt Nicole mit ihrem römischen Kollegen Andrea Baresi (Manuel Bandera) mit eigenen Ermittlungen und muss erkennen, dass sie augenscheinlich nicht alles über ihre Tochter wusste und auch Personen aus ihrem engsten Umfeld nicht mit offenen Karten spielen. Als auch noch Sandras Freundin Chiara Malvini von einem Unbekannten attackiert wird und Paolo vor der Polizei flüchtet spitzt sich die Lage weiter zu und schon bald wird die idyllische Stadt Lucca von weiteren Straftaten erschüttert, die alle im Zusammenhang mit dem Mord an dem Industriellen in Zusammenhang stehen…
Der am 19. Juli 1938 in Rom geborene Sergio Martino zählt ja zu den bekanntesten Genre-Regisseuren Italiens, der auch gleich auf eine ganze Vielzahl von bedeutsamen Klassikern zurückblicken kann, die er im Laufe seiner jahrzehntelangen Karriere inszeniert hat. Von seinen Anfängen als Mondo-Dokumentarfilmer, über seine nach wie vor sehr beliebten Giallo Klassiker wie „Der Killer von Wien“, „Torso“ und „Your Vice is a locked door“, bis hin zum Kannibalen-Abenteuer, Teenie-Klamotte, Western und Schottergruben-Endzeitspektakel hat der sympathische Herr wohl auch kein relevantes Genre in der italienischen Filmgeschichte ausgelassen. Dennoch hebt sich sein handwerklich routiniertes Schaffen auch immer etwas von vergleichbaren Regisseuren ab und wo andere nach der goldenen Ära des italienischen Films oftmals eher lustlose Werke und Auftragsarbeiten abgeliefert haben, hat Martino seinen stets unterhaltsamen Werken doch auch immer seinen ganz eigenen Stempel aufgedrückt.
Ich mag Herrn Martino ja vor allem wegen seiner zahlreichen Giallo-Produktionen und daher habe ich mich auch sehr auf seine 1992 als Mini-Serie inszenierte TV-Serie „Delitti Privati“ gefreut, die mit Edwige Fenech und Ray Lovelock auch gleich zwei Giallo-erprobte Darsteller am Start hat. Als Mischung aus italienischen Thriller und dramatischer Soap macht „Mord in der Toskana“ auch vieles richtig und auch wenn sich die Serie den Gegebenheiten einer damaligen TV-Produktion unterwirft und mit heutigen Serien kaum vergleichbar ist, so atmet die Geschichte über Mord und Intrigen in angesehenen Industriellenkreisen und einer neugierigen Journalistin auch den Geist von Giallo-Filmen aus vergangenen Jahrzehnen und verknüpft diesen mit leicht verdaulicher und konventioneller Serien-Kost um den Zuschauer knapp 340 Minuten bei Laune zu halten.
„Mord in der Toskana“ ist mit seinem teils sehr offensichtlichen „Product-Placement“ auch sicher kein Musterbeispiel erhöhten Erzähltempos und wirkt angesichts zunehmender Professionalität und dem Kino-Look moderner Serien auch sicherlich etwas altbacken und harmlos. Der Gewaltanteil ist nicht annähernd mit denen des italienischen Genrefilmen vergleichbar und statt blutiger Schauwerte und nackten Tatsachen gibt es in „Mord in der Toskana“ auch eher gediegene Krimiunterhaltung und züchtiges Treiben mit einer kleinen Portion Mystery. Wildere Themen und Entwicklungen werden im Verlauf der vier Episoden nur angedeutet und nicht weiter vertieft und man könnte der etwas konventionell gehaltenen Serie mit weniger Wohlwollen auch durchaus einen bestimmten Grad an Beliebigkeit vorwerfen.
Dennoch ist „Mord in der Toskana“ auf der anderen Seite wie ein Wiedersehen mit alten Freunden und neben den bereits erwähnten Hauptdarstellern wird man als Fan des italienischen Kinos auch noch mit einer Vielzahl von bekannten Gesichtern belohnt. Edwige Fenech stand für Martino ja bereits mehrfach vor der Kamera und wirkt immer noch elegant, selbstbewusst und doch zerbrechlich wie schon die Rollen, die ihr in den Siebzigern auf den hübschen Leib geschrieben wurden, während sich Herr Lovelock eher mit einer kleinen Rolle zufrieden geben muss. Außerdem gibt es Alida Valli („Suspiria“) als Familienoberhaupt und Paolo Malco („Das Haus an der Friedhofsmauer“) als zwielichtigen Bruder des Ermordeten zu sehen und jedes Mal wenn ein Arzt gefragt ist, ist der charismatische Gabriele Ferzetti („Spiel mir das Lied vom Tod“) auch nie um eine Diagnose verlegen.
Neben den zahlreichen nationalen Darstellern hat Sergio Martino aber auch noch andere Schauspieler aus den teilnehmenden Produktionsländern versammelt und so geben sich auch die deutschen Schauspielerinnen Gudrun Landgrebe und die kürzlich auf tragische Weise verschiedene Maja Maranow in gewichtigen Rollen die Ehre und auch die französische Schauspielerin Annie Girardot ist in einer kleinen Rolle als Medium zu sehen, die am Ende der ersten Folge der Handlung wichtige Impulse gibt. Inhaltlich ist „Mord und Toskana“ als europäische Koproduktion ebenfalls eine durchwegs unterhaltsame Mischung aus dramatischer Familienserie und solider Krimi-Unterhaltung auf TV-Niveau, die aber nicht nur in den Kleidungsstücken die Zeit seiner Entstehung wiederspiegelt.
Die Geschichte und die systematische Aufklärung der Morde sind solide und geradlinig erzählt, erinnern an bessere Zeiten des italienischen Kinos und bietet nebenher aber immer genügend Platz für schmalzige Verwicklungen und eine angedeutete Liebesgeschichte. Also alles, was der Serien-Fan um 20:15 Uhr zu der damaligen Zeit wohl so sehen wollte und gleichzeitig aber auch den Genre-Fan zufrieden stellen sollte. Die ganze Sache lädt zum Miträtseln ein und die Verdachtsmomente werden im Verlauf der kurzweiligen vier Episoden auch immer so gelegt, dass auch fast jeder der zahlreichen Darsteller der Mörder des smarten Geschäftsmannes und der unschuldigen Studentin sein könnte, ehe es am Ende zu einer Auflösung der ganzen Sache kommt, die ich als alter Giallo-Hase aber nicht erraten habe.
Laut Wikipedia wurde die 1992 entstandene Serie seinerzeit im deutschsprachigen Raum von SAT1 und dem ORF ausgestrahlt und wurde seitdem wohl nur noch einmal von einem Bezahlsender gezeigt. Mit der Veröffentlichung von CMV-Laservision ist Martinos Mini-Serie „Mord in der Toskana“ nun aber für alle Fernsehmuffel verfügbar und die Box mit vier Teilen auf zwei DVDs sollte meines Erachtens nicht nur eingefleischte Giallo-Fans erfreuen. Die Bildqualität geht für eine TV-Produktion jedenfalls in Ordnung, die deutsche Synchronisation ist ebenfalls sehr gelungen und der Soundtrack mit einem etwas an „Twin Peaks“ erinnernden und von Milva gesungenem Stück bekommt man nach mehrmaligen Hören auch nicht mehr aus dem Kopf. Abgerundet wird die hübsche VÖ dann noch mit Bildergalerie und zahlreichen Trailern zur Serie und dem restlichen Programm des Berliner Labels.
Unterm Strich bleibt eine eher unaufgeregt gehaltene und dennoch spannende Krimi-Serie mit Giallo- und Poliziesco-Anleihen auf TV-Niveau der Neunziger, die Freunde des italienischen Kinos aber trotz kleinerer Mängel und behäbiger Erzählweise durchaus begeistern sollte. Zwar sieht man der Serie ihr Entstehungsjahr und die Vorgabe als Zielgruppen-gerechte Hauptabendserie durchaus an, aber ist man erst einmal im Geschehen, vergehen die vier Episoden bis zum überraschenden Finale auch wie im Flug. „Mord in der Toskana“ findet meines Erachtens einen guten Weg zwischen Genre-Werk und familientauglicher Soap und die Freude über das Wiedersehen mit den Stars des italienischen Kinostars überstrahlt auch kleinere Defizite und verpasste Möglichkeiten. Der einzige Wehrmutstropfen ist neben den fehlenden Untertiteln zur italienischen Sprachfassung dann auch nur die Tatsache, dass es trotz ausbaufähiger Figuren lediglich bei einer Staffel geblieben ist.
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