project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der smarte Englischlehrer Hasumi ist mit seiner mitreißenden Art bei seinen Schülern der Klasse 11 D sehr beliebt und auch mit innovative Ideen zur Stelle, als in einer Lehrerkonferenz die zunehmende Problematik des Schummelns thematisiert wird. Er hilft beherzt einer Schülerin, als diese von einem Lehrer sexuell belästigt wird und versucht schlichtend einzugreifen, als ein cholerischer Vater sich über das Mobbing an seiner Tochter beschwert. Doch das Verhalten des Lehrers ist keineswegs uneigennützig und hinter der Fassade des attraktiven Lehrers wartet ein gewaltbereiter Psychopath mit bewegter Vergangenheit, der auch schon bald in der Kitahara Oberschule seine Spuren hinterlässt.
Hasumi erpresst einen Kollegen wegen einer homosexuellen Affäre mit einem Schüler und stürzt sich in dessen luxuriöser Wohnung ebenfalls in eine sexuelle Beziehung mit der jungen Mia. Er loggt sich in Chats ein und beginnt die Schüler zu manipulieren. Als Erstes schöpft der Physiklehrer Zuri verdacht, der nach einer Internet-Recherche auch erfährt, dass es an Hasumis letzter Schule eine Reihe von rätselhaften Selbstmorden gegeben hat und auch, dass der Lehrer lange Zeit in den Staaten und in Europa verbracht hat. Als der Vater der gemobbten Schülerin auf ebenfalls mysteriöse Weise verstirbt und ein Schüler spurlos verschwindet ist es auch Zuri, der die Polizei über die Vergangenheit des Lehrers informiert und mit dem Klassenstreber Keske im Klassenzimmer die Möglichkeit diskutiert, dass Hasumi hinter der ganzen Sache steckt.
In derselben Nacht wird auch Zuri Opfer von Hasumi, der den Mord in der U-Bahn jedoch wie einen Mord aussehen lässt und als Heske im Klassenzimmer nach möglichen Wanzen sucht wird er von seinem Klassenlehrer entdeckt, niedergeschlagen und so lange gefoltert, bis er die Namen seiner Klassenkameraden verrät, die hinter dem organisierten Schummeln stecken. Weitere seltsame Dinge geschehen und als sich die Klasse eines Abends in der Schule versammelt und diese für ein anstehendes Schulfest zu dekorieren verschließt Hasumi die Türen und macht sich mit einer Schrotflinte bewaffnet auf die Jagd um seinen Schülern ein für alle Mal eine Lektion des Bösen zu erteilen…
Takashi Miike gilt ja trotz seinem Samurai-Drama „13 Assassins“ ja eher als Mann fürs Grobe und obwohl der passionierte Filmfilmer mit bislang 94 Regie-Einträgen auf der IMDB, der auch oftmals gleich mehrere Streifen der unterschiedlichsten Genres pro Jahr (!) veröffentlicht und dabei keinerlei Berührungsängste kennt, ist der Japaner hierzulande vor allem durch den Splatterstreifen „Ichi – the Killer“, seinen berüchtigten Beitrag zur „Masters of Horror“-Serie namens „Imprint“ und das nicht minder herbe Horror-Arthouse-Drama „Audition“ bekannt. Mit dem 2012 entstandenen „Lessons of the Evil“ kehrt Miike nach seinen Ausflügen in eher mainstreamige Gefilde wieder zum Horror-Genre zurück und hat das Drehbuch nach einem Roman von Yusuke Kishi auch gleich selbst verfasst, was die Erwartungen der Fans wohl ebenfalls gehörig in die Höhe trieb.
Herausgekommen ist dabei aber ein leider etwas zwiespältiges Werk, dass zwei unterschiedliche Hälften aufweist, seine psychopathische Titelfigur fast schon wie einen Popstar inszeniert und mit einem Amoklauf-Finale aufwartet, dass man in derartiger Form wohl auch noch nie gesehen hat. Was ja wie ein traditionelles Schüler-Lehrerdrama anfängt und viele eher tragische Momentaufnahmen aus dem nicht immer einfachen Alltag der Schüler und der Lehrer zeigt und dabei eher in Richtung subtiler Psychothriller tendiert, kippt in der zweiten Halbzeit kurzerhand in eine völlig andere Richtung und mutiert kurzerhand zu einem zeigefreudigen Brutalo-Werk mit grotesken Ausmaßen, das irgendwie schon in Richtung Fun-Splatter tendiert und der Lebenssaft in Strömen fließt.
Irgendwie ist „Lessons of the Evil“ auch so, als hätte man das Schul-Drama „Confessions“ mit dem Bodycount von „Battle Royale“ kombiniert und durch den Ironie-Fleischwolf gedreht. Was ja noch durchaus ernsthaft beginnt, verkommt zu einen etwas seltsam anmutenden Werk, dass mich auch zu gewissen Teilen etwas ratlos zurückgelassen hat. Die beiden Hälften des etwas zu langen Streifens, die noch dazu durch eine etwas zu grotesken Surreal-Musical-Rückblende geteilt werden, wollen nicht so wirklich zueinander passen und die Art und Weise, wie Miike ohne Rücksicht auf etwaige Logik seinen psychopathischen und manipulativen Hauptdarsteller und mit ihm das Böse auf eine fast schon homoerotische Weise glorifiziert mutet auf Dauer doch etwas seltsam an. Der blutige Amoklauf des Lehrers, dem seine Schüler nur wenig bis absolut gar nichts entgegenzusetzen haben und sich wie schockstarre Lämmer abschlachten lassen ist ebenfalls mit einer beispiellosen Bösartigkeit inszeniert und die vierzigminütige Gewaltspitze als Höhepunkt seines Streifens mit Jugendlichen muss man in Zeiten wie diesen selbst als dahingehend vollkommen unbedarfter Mensch nicht mehr uneingeschränkt gut finden.
Andererseits sind die Figuren auch abseits des psychopathischen Lehrers sehr seltsam gezeichnet und manche Situationen des Streifens so haarsträubend skurril und gleichzeitig unlogisch ausgefallen, dass man die ganze Sause ohnehin nicht mehr erstnehmen kann. Bei Szenen, in der ein flüchtender und vollkommen verzweifelter Schüler einen Unbeteiligten von dem Amoklauf von der Schule erzählt und dieser daraufhin erst einmal nach einem Schülerausweis gefragt wird und Schüler seelenruhig darauf warten, bis Hasumi mit stoischer Gelassenheit seine Waffe nachgeladen hat um sich dann reihenweise erschießen zu lassen, sind auch so grotesk ausgefallen, dass von der Ernsthaftigkeit der ersten Hälfte, in der zweiten nichts mehr zu merken ist, wobei ich persönlich auch nichts dagegen habe, dass dieser Amoklauf nicht mit der Ernsthaftigkeit der ersten Halbzeit inszeniert wurde.
Diese Sequenz, auf die der comichaft überzeichnete und nihilistische Streifen in Zukunft wohl in Fankreisen reduziert werden wird, ist dabei wie bei Miike üblich technisch ansprechend und sehr blutig im knallbunten Umfeld einer Schulfestdekorierung inszeniert, die hübsch im Widerspruch mit den brutalen Bildern steht. Irgendwie machten sich aber zumindest bei mir nach einiger Zeit ein paar Ermüdungserscheinungen breit und auch das auf eine Fortsetzung angelegte Ende, dass Hasumi endgültig als abgrundtief böser Fiesling etablieren soll, ist auch nicht so der Bringer und irgendwie hat man das bei Herrn Miike bzw. zahlreicher seiner Filme inklusive wilder Ritte durch viele Genres schon wesentlich besser gesehen, als das man als Fan seiner Werke angesichts von „Lessons of the Evil“ in Begeisterungsstürme ausbrechen könnte.
Darstellerisch gibt’s nicht viel zu meckern und der Psychopath mit viel Popstar-Appeal wird von Hideaki Itô auch ganz passabel gespielt, wobei ich persönlich die Rolle des durchgeknallten Bösewichts nicht ganz abnehme. Das Publikum seines Heimatlandes war da wohl anderer Meinung und Herr Itô spielte laut IMDB seine Rolle als Seiji Hasumi auch in einer gleichnamigen Serie aus demselbem Jahr, in der wohl in vier Episoden die Vorgeschichte der Figur näher beleuchtet wird, jedoch Miike wohl nicht mit von der Partie war. Der Rest des Casts aus jugendlichen Darstellern ist dann auch eher zu vernachlässigen und kaum eine Rolle der zahlreichen und dennoch etwas austauschbaren Jungmimen ist groß genug, um in der One-Man-Show auf besondere Weise aufzufallen.
Miikes kleine Lehrstunde des Bösen wird uns wie üblich von den Asia-Experten von „Rapid Eye Movies“ ins sehr guter Bildqualität präsentiert, die dem Streifen aus dem Jahre 2012 auch eine ausgesprochen gute Synchro spendiert haben. Wer sich „Lesson oft he Evil“ lieber im japanischen Original anschauen möchte, kann dieses dank deutscher Untertitel ebenfalls machen und wer sich für die Entstehung des Filmes interessiert, bekommt mit einem halbstündigen „Making of“ ebenfalls die Möglichkeit dazu. Abgerundet wird das positive Gesamtbild dann neben dem Originaltrailer noch mit weiteren Trailern zu den allesamt sehr empfehlenswerten Streifen „Confessions“ von Tetsuya Nakashima, Sion Sonos „Guilty of Romance“, Hitoshi Matsumotos „Saya Zamurai“ und der Film-Doku „Room 237“ von Rodney Ascher.
Unterm Strich bleibt eine etwas unausgegorene Mischung auch subtilen Psychothriller und comichaft überzeichneten Horrorstreifen, der sich auch nie so richtig entscheiden kann, was er letztendlich sein möchte. Als ernster Thriller ist die zweite Halbzeit viel zu übertrieben und für einen Funsplatter-Film hat „Lesson of the Evil“ eine zu lange Anlaufzeit und eignet sich mit seiner ernsten Amoklauf-Thematik auch nicht unbedingt für diese Art von Film. Aber um derartige Genre-Konventionen und -grenzen hat sich Herr Miike auch noch nie gekümmert und Fans seiner eher härteren und ins Groteske gesteigerten Werke werden sich auch bei „Lesson of the Evil“ auch auf ihre Kosten kommen, selbst wenn sein in seinem schier unüberschaubarer Output von Filmen wesentlich gelungenere Filme tummeln.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch endlich Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9831
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