project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Nach dem Tod ihres Vaters kehrt Elle (Sara Forestier) ins Elternhaus zurück um sich gemeinsam mit ihrer Schwester um dessen Nachlass zu kümmern und diesen unter den drei Geschwistern aufzuteilen. Elle scheint jedoch voller Aggression gegen die Welt zu stecken und ihr distanziertes Verhältnis zu ihrem verstorbenen Vater macht ihr genauso zu schaffen, wie ihre überbordende Emotionalität, ihre kaputten Beziehungskisten und der Konkurrenzkampf unter den Geschwistern, bei dem sie selbst nach dem Tod des Vaters noch immer stets den Kürzeren zu ziehen scheint. Während sich Elle daher eher gereizt an ihre Aufgabe macht, trifft die junge Frau auch wieder auf den attraktiven Eigenbrötler Lui (James Thiérée), der sich um das nachbarliche Anwesen kümmert und mit dem Elle in der Vergangenheit auch einen heftigen Flirt hatte.
So wie sich Elle von dem etwas älteren Mann angezogen fühlt, so sehr ist sie aber auch von seiner etwas selbstverliebten und selbstsicheren Art abgestoßen und obwohl auch Lui die junge Frau eigentich vergessen wollte, so fühlt er sich beim erneuten Aufeinandertreffen doch wieder von ihr angezogen. Obwohl Elle daher am liebsten an dem Punkt anknüpfen möchte, wo die beiden vor Monaten aufgehört haben, ist Lui nicht so einfach bereit, so einfach im Programm weiter zu machen und wirft der jungen Frau auch indirekt eine Art Unreife vor, in dem sie ihre zahlreiche unerledigten Probleme und Konflikte nicht wirklich löst, sondern einfach vor sich herschiebt und sich dann davonmacht, wenn diese zu groß werden.
Lui bietet der jungen Frau an, erst einmal als eine Art Therapie ihre Wut auf den verstorbenen Vater und die Welt als eine Art Therapie bei ihm auszulassen und aus ihren Streitgesprächen darüber entwickeln sich bald heftige Wortgefechte und Machtkämpfe, in denen die Beiden auch gegenseitig handgreiflich werden. Elle und Lui kommen sich in den Attacken aber nicht nur körperlich näher, sondern es scheint auch für Beide der einzige Weg zu sein, ihre jeweiligen Probleme nonverbal mitteilen zu können, doch so wie die Intensität der Rangeleien zunimmt, so sehr steigt auch die Gefahr, dass ihre körperlichen Auseinandersetzungen nicht nur äußerliche Spuren hinterlassen…
Filme über den Kampf der Geschlechter bzw. die Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt es ja in der Kinogeschichte ja eigentlich mehr als genug und obwohl sich Mann und Frau auf Augenhöhe begegnen sollten und für gemeinsame Ziele kämpfen sollten, so scheinen Mann und Frau noch immer in vielen Dingen unversöhnlich. Im Falle von „Love Battles – Mein erotischer Ringkampf“ bzw. „Mes séances de lutte“, was übersetzt etwa „Meine Sitzungen im Ringkampf“ bedeutet bekommt das Thema jedoch tatsächlich eine neue Facette und Regisseur Jacques Doillon lässt in seinem von ihm erdachten Werk die zwei Liebenden nicht nur verbal, sondern auch körperlich aufeinander losgehen. Herausgekommen ist dabei ein Selbstfindungsdrama, das trotz der eindrucksvollen Performance seiner beiden Hauptdarsteller enttäuscht und den Zuschauer ratlos zurücklässt.
Zur Liebe gehört ja immer auch Respekt und in jeder Beziehung gibt es Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. In heutigen Zeiten, in denen laut aktueller EU-Studie jede fünfte europäische Frau häuslicher und sexueller Gewalt ausgesetzt ist, ist es auch etwas seltsam, wenn der französische Regisseur dem Zuschauer die Gewaltausübung als Art seelischer Therapie für seine Figuren verkaufen möchte. Zwar finden in „Love Battles - Mein erotischer Ringkampf“ die beiden Figuren über Handgreiflichkeiten von spielerisch bis hart letzten Endes ja erwartungsgemäß doch noch zueinander, aber anders als in einem x-beliebigen und nicht immer geschmackssicheren Exploitation-Movie aus vergangenen Jahrzehnten bewegt sich das erotisch angehauchte Psychodrama aus der Arthouse-Ecke trotz interessanter Umsetzung und schauspielerischen Ganzkörpereinsatz von Sara Forestier und James Thiérée inhaltlich auf reichlich dünnem Eis.
Jacques Doillon präsentiert mit dem ausgeglichen und besonnen wirkenden Lui und der extrem gereizten und emotional aus der Bahn geworfenen Elle auch zwei sehr gegensätzliche Figuren, bei denen gleich zu Beginn die Aggression spürbar ist, die sich im Verlauf des Films auch in einem psychischen und physischen Schlagabtausch entladen wird. Nähere Hintergründe bleiben jedoch außen vor und Elles vermutlich subjektive Gefühl mangelnder Zuneigung in Kombination mit Selbstzweifel dienen als Aufhänger für eine doch sehr konstruiert wirkende Geschichte voller eloquenter Dialoge, bei der zwar die Frau die Spielregeln festsetzt und genauso kraftvoll auf ihren vermeintlichen Kontrahenten losgeht, aber bei der man auch ständig das Gefühl hat, dass so etwas in der Realität niemals ergeben, geschweige denn im Fall des Falles gut ausgehen würde.
Den beiden Figuren scheint es ja gleichermaßen nicht möglich zu sein, über tiefsitzende und seelische Probleme zu sprechen oder dieser zu artikulieren und im Verlauf des Streifens haben sich die Beiden auch immer weniger zu sagen und lassen auch Taten statt Worte sprechen. Dabei wird zuerst spielerisch aufeinander eingeschlagen und die Intensität nimmt mit jeder weiteren Konfrontation mit wandelnden Machtverhältnissen zu. Doillon schafft es jedoch nicht dem Zuschauer seine Figuren entsprechend näher zu bringen, ihr Handeln zu erklären oder gar Mitgefühl für sie zu erzeugen und wenn aus spielerischen Reibereien plötzlich handfeste Auseinandersetzungen werden, die dann wiederum in liebevollen Umarmungen und Geschlechtsakt enden, kracht es ganz ordentlich im dramaturgischen Gebälk.
Der Streifen hat mich mit seinen eigentlich auch eher unsympathisch angelegten Figuren während der Sichtung seltsam kalt gelassen und irgendwas ist bei der „emotionaler Achterbahnfahrt“ ist in dem „radikalen Film über die Möglichkeit von Liebe und Sex“ dann auch gründlich schiefgegangen. Die gesamte Ausgangsituation wirkt unglaubwürdig, die Dialoge seltsam gekünstelt und auch die abwechslungsreich inszenierten Kämpfe inklusive einer vollkommen haarsträubender und unmotivierter Schlammcatch-Kopulation-Szene wirken bemüht und auch die bislang eher magere Resonanz des Werkes lässt drauf schließen, dass Doillon mit seiner „Tour de Force“ zweier ambivalenter Charaktere mit wechselnden Machtverhältnissen wohl nicht dem Geschmack des Publikums getroffen hat.
Die DVD aus dem Hause „Pierrot le Fou“ präsentiert „Love Battles – Mein erotischer Ringkampf“, der 2013 seine Deutschlandpremiere auf der Berlinale feierte in guter Bildqualität und wahlweise in deutscher Sprache, sowie der französischer Originalfassung mit optionalen Untertiteln. Neben zahlreichen Trailern aus der erotischen Drama-Ecke und einem Wendecover ohne dem FSK16-Logo gibt es dann auch noch ein 18minütiges, deutsch untertiteltes und etwas abrupt endendes Interview mit dem Regisseur, der zwar über die Entstehung des Werkes spricht, aber auf die von mir angesprochenen Kritikpunkte überhaupt nicht näher eingeht und somit eher offenbart, dass er einen gänzlich anderen Zugang zu seinem eigenen Werk hat.
Unterm Strich bleibt Film aus der Arthouse-Ecke, der mich während der Sichtung nicht nur seltsam unberührt gelassen hat, sondern mit seiner vollkommen konstruierten Geschichte und fragwürdigen Kombination aus Erotik, Liebe und Gewalt eine eigentlich eher unglücklich formulierte Botschaft transportiert. Zwar könnte man das Werk über entfesselte Emotionen und die Unfähigkeit seiner Protagonisten diese in Worten zu fassen auch nur auf seine zweifelsfrei guten Leistungen vor und hinter der Kamera reduzieren, aber entweder ist sich Doillon der Außenwirkung seines Streifens nicht so wirklich bewusst, oder er hat diese zwecks vermeintlichen Skandalpotential bewusst in Kauf genommen. „Love Battles – Mein erotischer Ringkampf“ ist dann auch ein Streifen, den man so oder so nicht gut finden muss.
Beitrag geändert von jogiwan (02.April 2014 10:41:43)
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9694
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