project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der junge Italo-Amerikaner Jon (Joseph Gordon-Levit) lebt in New Jersey, liebt sein Leben, seinen Körper, seine schicke Wohnung, seine schnelle Karre und seine nicht minder flotte Internet-Verbindung, mit dem sich der draufgängerische Single trotz regen Sexualleben täglich mehrmals Pornoclips zwecks Entspannung zu Gemüte führt. Das oberflächliche Weltbild des gläubigen Mannes, der jeden Sonntag auch brav seine unehelichen Sexualkontakte und penibel aufgezählten Masturbationen in der Kirche beichtet, ist von seinem machohaften Vater und seiner Umgebung geprägt, dass ihn gelehrt hat, dass es im Leben vorwiegend auf materielle Statussymbole ankommt.
Als der draufgängerische und umtriebige Single eines Tages in einer Disco die hübsche Barbara (Scarlett Johannsson) erblickt, ist sein Jagdinstinkt geweckt und tatsächlich schafft er es, den Namen der jungen Frau herauszufinden und die attraktive Braut über Facebook zu einem erstem Dinner zu überreden. Doch Barbara eine von Schnulzenfilmen geprägte Vorstellung einer romantischen Beziehung, die sich so gar nicht mit den Wünschen von Jon überschneiden und dennoch scheint sie die richtige zu sein, für die es sich auch lohnt, Kompromisse einzugehen. Jons Eltern sind von der hübschen Freundin begeistert und obwohl Barbara bisweilen eine sehr seltsame Weltanschauung präsentiert, werden die beiden ein Paar.
Barbara beschließt, dass Jon eine Abendschule besuchen muss und schreibt ihren Freund ein, der dort auf die etwas ältere Esther (Julianne Moore) trifft, die im Vergleich zu den eher jugendlichen Schülern wie ein alternder Hippie wirkt. Mit ihrer emotionalen und direkten Art überfordert sie den jungen Mann und steht ihm aber auch mit Rat und Tat zur Seite, als er von der tobenden Barbara wegen seiner Pornosucht den Laufpass bekommt. Während vor allem seine Familie bestürzt über die Trennung reagiert ist Jon gar nicht mal so böse darüber und beginnt auch durch Esthers trauriges Schicksal berührt, sein bisheriges, egoistisches und oberflächliches Leben zu überdenken…
Es ist irgendwie schon sehr seltsam, wenn man als jemand, der weder ein Auto besitzt, noch nie ein Fitness-Center von innen gesehen, auch eine bescheidene Bleibe hat und auf Statussymbole eher pfeift, auf einmal einen Streifen präsentiert bekommt, im dem eine gegenteilige Lebensweise in Hochglanz-Optik förmlich zelebriert wird. Was auf den ersten Blick ja wie eine auf Spielfilmlänge gestreckte Biopic eines „Jersey Shore“-Mitglieds und sehr stereotypes Loblied auf einen oberflächlichen Lebensentwurf daherkommt, entpuppt sich ja im Verlauf des Streifens dann durchaus auch als dessen Abgesang und präsentiert mit Internet-Pornosucht ja auch ein Thema, dass in heutigen Zeiten immer mehr Menschen plagt, die sich durch permanenten Überfluss an sexuellen Inhalten zunehmend nur noch an sehr extremen Formen der Sexualität stimulieren können.
Obwohl „Don Jon“ dabei durchaus interessant ausgefallen ist, macht Joseph Gordon-Levitt wie so viele Regie-Debütanten jedoch den Fehler, etwas zu viel in seinen Film hineinzupacken und wählt für seine durchaus ernsten Themen auch den Weg einer etwas überzeichneten Komödie, sodass sich das Werk letzten Endes auch prompt zwischen die Stühle setzt. Für eine sommerliche Indie-Komödie zu wenig witzig - für ein dramatischeres Werk zu überzeichnet und offensichtlich wollte man es sich mit den persiflierten und selbstverliebten Figuren mit ihren Statussymbolen und Lebensentwürfen ebenfalls nicht verscherzen, sodass letzten Endes auch nur ein etwas harmloser Streifen herausgekommen ist, der niemanden wehtut und auch stets an der Oberfläche verhaftet bleibt.
Zwar mag „Don Jon“ für amerikanische Verhältnisse und der präsentierten Pornosucht ja noch etwas provokant um die Ecke biegen, aber da die Europäer ja seit jeher einen viel offeneren und ungezwungeneren Zugang zur Sexualität haben, wirkt der Streifen auch angesichts seiner „kompromisslosen“ Themen eher ziemlich verklemmt und für mein Empfinden auch viel zu brav. Das „R-Rating“ für „Strong graphic sexual material and dialogue throughout, nudity, language and some drug use” lädt ja angesichts ein paar nackter Brüste und Hintern namenloser Komparsinnen in schnell-geschnittenen Internet-Clips und zwei Joints ja eher zum Schmunzeln ein und wer sich nackte Tatsachen bzw. „sinnlich-intensive“ bei den renommierten Darstellern erwartet, hofft erwartungsgemäß ebenfalls vergeblich.
In der ersten Hälfte wird die ganze Sause um den modernen „Don Juan“ ja dann auch bewusst so unreflektiert präsentiert, sodass ich ständig die Vermutung hatte, der Streifen mit seinen Figuren aus der Rumpelkammer schlechter Soap-Charaktere könnte auch tatsächlich ernstgemeint sein. Erst in der zweiten Hälfte wird seinen Figuren etwas mehr Tiefe zugestanden und die Figur des Jon beginnt sein egoistisches und um materielle Dinge entwickeltes Leben durch das Scheitern seiner nach außen hin so perfekten Vorzeigebeziehung und dem Kontakt zu Esther zu überdenken. Auch die Sucht nach Pornos wird dabei thematisiert und Jon schafft langsam dem Weg aus seinem bisherigen Leben, in dem er den falschen Idealen hinterher gehechelt hat.
Die Figuren in dem Streifen sind zwar allesamt etwas überzeichnet, aber schon von der Realität inspiriert und jeder kennt wohl den narzisstischen Sportler mit großer Karre und Subwoofern, genauso wie die realitätsferne Prinzessin, die das Leben mit einem rosa-geplüschten Groschenroman verwechselt und sich die „Hello-Kitty“-Ausgabe ihres Smartphones mit Svarovksy-Kristallen zukleistert. Dennoch geht es in „Don Jon“ wie bereits erwähnt nicht darum, diese Figuren vorzuführen, sondern einfach nur darum, dem Publikum die unumstößliche Tatsache zu präsentieren, dass niemand im Leben perfekt ist, auch wenn viele sehr große und auch viel zu viele Mühen dahingehend aufwenden, um nach außen hin perfekt zu wirken.
Technisch gibt es aber nicht viel zu meckern und „Don Jon“ ist nicht nur hübsch ausgestattet, sondern mit seiner Clip-Ästhetik auch auf der Höhe der Zeit. Auch darstellerisch ist der Streifen natürlich top, auch wenn ich persönlich Joseph Gordon-Levitt die Rolle des Frauenhelden nicht so wirklich abnehme. Gänzlich over-the-Top ist hingegen Scarlett Johannsson, die hier das kaugummikauende Püppchen in engen Kleidchen und Stilettos gibt, die zwar auf den ersten Blick aufreißend, jedoch arg realitätsfern, bestimmend und mit sonderbarer Einstellung gibt. Abgerundet wird der Cast dann noch von einer gewohnt grandiosen Julianne Moore, die mit ihrer emotionalen Figur der Esther auch den wesentlich zugänglicheren Gegenpol zu Scarlett abgibt.
Die DVD aus dem Hause Ascot-Elite bietet auch keinen Anlass zur Kritik und präsentiert den 2013 gedrehten Streifen ungekürzt mit FSK16-Freigabe und sehr guter Bild- und Tonqualität. Auch das Bonusmaterial kann sich sehen lassen und präsentiert dem interessierten Zuschauer neben zahlreichen Featurettes ein kurzes „Making-of“ und einen interessanten Einblick in das Leben des Regisseurs und Produzenten, die bei ihrem Auftritt bei der Berlinale von den Fotografen zu den Journalisten quasi durchgereicht werden. Abgerundet wird die Scheibe dann noch mit zahlreichen Trailern, Teasern und einem Wendecover.
Unterm Strich bleibt ein inhaltlich nicht gänzlich gelungenes Regie-Debut in Form einer amerikanischen Indie-Komödie, die zwar ein paar interessante Themen aufgreift, aber insgesamt über weite Strecken viel zu harmlos bleibt und sich auch scheut, etwas zu sehr hinter die Fassade eines oberflächlichen Lebensstils zu blicken. In Zeiten wie diesen, in denen sich Leute so offensichtlich und auch gerne von den materiellen Verlockungen blenden lassen, wäre ein kontroverser-präsentierter Streifen wohl ohnehin nicht so gut angekommen und offensichtlich wollte man das Zielpublikum nicht zu sehr mit bitteren Wahrheiten verschrecken. Herausgekommen ist dabei eine eher leichte Komödie mit dramatischen Einschlag über Doppelmoral, Sexsucht und überzeichneten Figuren, die sich zwar gut gucken lässt, aber leider auch viel von ihrem eigentlichen Potential völlig ungenutzt lässt.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9693
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