project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der zwölfjährige Nicholas (Jeff Sutton) lebt mit seiner Mutter (Ardith Boxall) in den späten Fünfzigern in einem kleinen Haus außerhalb einer Provinzstadt, wo dieser nach dem Tod seines Vaters seine Freizeit auch vorwiegend alleine verbringt. Einer der wenigen, mit dem der introvertierte Junge Kontakt hat ist sein Klassenkamerad Bobby (David Turnbull), in den Nicholas auch heimlich verliebt ist. Doch dieser hat zum Leidwesen des schüchternen Jungen nur Augen für gleichaltrige Mädchen und als am Ende des Schuljahres die populäre Jenna (Katherine Lee Raymond) eine Party schmeißt, schafft es Bobby, dass er und Nicholas auch zu dieser Party eingeladen werden.
Obwohl Nicholas darüber wenig begeistert ist und die Zeit auch lieber mit Bobby alleine verbringen würde, lässt er sich von seinem Freund und seiner fürsorglichen Mutter zum Partybesuch überreden und beim Flaschendrehen kommt Nicholas auch erstmalig dem weiblichen Geschlecht näher und die Partygäste sind von dem scheinbar progressiven Verhalten des unscheinbaren Jungen begeistert. Dennoch bleibt Bobby das Objekt seiner Begierde und als er in den darauffolgenden Tagen seinen verblüfften Schwarm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen gibt, beginnt sich das Leben des Jungen grundlegend zu ändern.
In Visionen erscheint ihm sein verstorbener Vater (Tom McCamus), der beginnt die Personen in seinem Umfeld zu manipulieren und auch von Bobby teilt sich nach der einschneidenden Begebenheit in zwei Personen, von denen sich einer langsam in ein Monster zu verwandeln scheint, während der andere weiter sein bisheriges Leben führt. Nicholas nimmt dieses zombieähnliche Wesen bei sich auf und beginnt es zu pflegen, während dieses von Tag zu Tag schwächer wird. Als jedoch auch noch seine Mutter ihren neuen Freund Roy (Robert Huculak) mit nach Hause bringt und sich das Wesen nicht mehr länger verstecken lässt, muss Nicholas eine Entscheidung treffen…
„Coming-of-Age“-Filme gibt es ja jede Menge und dennoch ist fast jeder auf seine eigene, bestimmte Weise einzigartig. Jeff Erbachs „The Nature of Nicholas“ ist aber so oder so in allen Belangen sehr speziell ausgefallen und präsentiert dem Zuschauer eine vollkommen abgedrehte, surrealistische und metaphorische Geschichte über das Erwachsenwerden im Umfeld der späten Fünfzigerjahre, die sich in allen Belangen auch nur schlecht kategorisieren lässt. Der Inhalt ist ja auch mindestens so schräg, wie es sich in der Inhaltsangabe anhört und bleibt auch danke seltsamer Figuren und Momente bis zum Ende nicht so wirklich durchschaubar.
„The Nature of Nicholas“ ist dann aber auch einer jener Spielfilme, die den aufgeschlossenen Zuschauer vor eine Art Herausforderung stellt und je nachdem, ob man cineastischen und etwas schrägen Grenzerfahrungen grundsätzlich positiv oder negativ gegenübersteht, wird wohl zwangsläufig auch das Gesamturteil über das ungewöhnliche Werk ausfallen. Das dieses dann auch von überschwänglicher Zustimmung bis hin zu kompletter Ablehnung gehen kann ist angesichts des Streifens auch gut nachvollziehbar und obwohl solche Filme ja normalerweise genau mein Dingens ist, wollte sich im Falle von „The Nature of Nicholas“ die große Freunde leider nicht so wirklich einstellen
Der kanadische Filmemacher geht mit seinem Low-Budget-Indie-Streifen ja auch schon in die Richtung von Lynch und Cronenberg, vermischt Traum mit Realität und präsentiert metaphorische Ereignisse mit ungewöhnlichen und teils blutigen Bildern und lässt die dennoch eher ruhig und unaufgeregt erzählte Geschichte sperrig und konfus erscheinen. Ganz werde ich aber das Gefühl nicht los, dass sich Erbach bei seinem 2002 entstandenen Werk mit zunehmender Laufzeit doch etwas verstiegen hat und „The Nature of Nicholas“ dennoch nicht so fesselnd ausgefallen ist, dass sich jeder Zuschauer entsprechend genauer und tiefergehend mit seinem Inhalt auseinandersetzen mag.
Die Art und Weise, wie Erbach seine selbst verfasste Geschichte über das Erwachen der Sexualität und das Erwachsenwerden erzählt ist zwar zweifelsfrei interessant anzuschauen, aber letzten Endes hat mir dann doch etwas gefehlt. So bleibt es dem Zuschauer auch selbst überlassen, was oder wen er in der Figur des zweiten Bobby und dessen seltsame Krankheit, genauso wie in dem überraschenden Auftauchen der verstorbenen Vaterfigur zu erkennen sieht. Dass es dabei neben dem letzten Aufbäumen kindlicher Fantasie dabei um Themen wie Homosexualität, Selbstzweifel, Verlust und Erneuerung geht ist dabei ebenfalls offensichtlich und dennoch ist alles ein bisschen viel auf einmal, was auf den Hauptdarsteller und dem Zuschauer im Lauf der etwas lang erscheinenden, neunzig Minuten so alles hereinprasselt.
Dafür ist der Fünfzigerjahre-Look des Streifens zweifelsfrei gelungen und auch die Settings und die Outdoor-Drehorte im kanadischen Winnipeg sind sehr hübsch und passend gewählt. Auch darstellerisch ist „The Nature of Nicholas“ auch sehr okay ausgefallen und Jeff Sutton, der ein Jahr später auch in Guy Maddins „The Saddes Music in the World“ zu sehen war, meistert seine schwierige Rolle als Heranwachsender mit allen Wirren und Irren der Pubertät recht gut. Auch David Turnbull agiert in seiner ungewöhnlichen Doppelrolle sehr gut und weiß wie Ardith Boxall als fürsorgliche Mutter durchaus zu überzeugen.
Die DVD aus dem Hause CMV-Laservision bringt den kanadischen Streifen mit FSK16-Freigabe im englischen Originalton und optionalen, deutschen Untertiteln. Die Bildqualität des Indie-Werks ist okay und auch wenn die deutsche Übersetzung von englischen Phasen manchmal etwas komisch wirkt, sind diese auch gelungen. Neben zahlreichen Trailern zu weiteren Filmen gibt es als Bonus auch kurzes Feature in Form von einzelnen Szenen, die von Regisseur und Hauptdarsteller näher besprochen werden. Abgerundet wird die Scheibe dann noch mit einer Bildergalerie, dem Originaltrailer, sowie dem obligatorischen Wendecover.
Unterm Strich bleibt ein doch etwas durchwachsener und meines Erachtens auch nicht gänzlich geglückter Streifen über das Ende einer Kindheit, dass mit vielen ungewöhnlichen Elementen und Figuren eine ganz eigene, kleine Welt erschafft, die man sich in einem derartigen Streifen vielleicht nicht unbedingt erwarten würde. Untote und andere Monster in einem „Coming-of-Age“-Streifen sind auch sicher ungewöhnlich dennoch macht alles im Kontext einer turbulenten und kindlichen Gefühlswelt an der Schwelle zum Erwachsenwerden auch wieder Sinn. Trotzdem wollte die Mischung, die auch einiges an Aufgeschlossenheit vom Zuschauer erfordert nicht so recht zünden und hinterließ trotz hübscher Optik und guter Schauspieler zumindest bei mir nach neunzig etwas langen Minuten leider doch ein etwas zwiespältiges Gefühl.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9569
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