project: equinoX Forum

Nach einem Unfall während eines Rennens muss sich der ehrgeizige und semi-professionelle Radsportler Morgan mit der Tatsache abfinden, der er den Rest seines Lebens in einem Rollstuhl verbringen muss. Schon die kleinsten Dinge, die früher kein Problem darstellten, , sind für den jungen Mann jetzt anstrengend oder gleich unmöglich und die Aussicht, ein Leben lang auf andere angewiesen zu sein, lassen den Mann verzweifeln. In einer Mischung aus Zorn, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen reagiert er daher aggressiv auf jegliches Mitgefühl und dass ihm seine Mutter Peg mitteilen muss, dass es auch um seine finanziellen Mittel nicht gut bestellt ist, macht die Sache für den ehemals körperlich sehr aktiven Mann nicht gerade einfacher.

Das ändert sich eines Tages, als Morgan eines Tages auf einem Sportplatz Dean kennenlernt, der Morgan dazu ermutigt, ebenfalls ein paar Körbe zu schießen und gegenseitig Nummern ausgetauscht werden um in einem Pub gemeinsam ein Spiel zu gucken. Während Morgan für den schüchternen Dean sofort Feuer und Flamme ist, rät seine beste Freundin Lane eher zur Zurückhaltung und beim ersten Treffen nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, da nicht einmal geklärt ist, ob Dean ebenfalls homosexuell ist. Dennoch verläuft das Treffen wunschgemäß und die beiden führen ein offenes Gespräch über Schicksalsschläge in der Vergangenheit und finden so zueinander.

Die Aussicht auf eine Beziehung mit dem smarten Immobilienmakler weckt bei Morgan wieder alte Lebensgeister und er besorgt sich einen Sport-Rollstuhl, mit dem der junge Mann auch wieder aktiver am Leben teilhaben kann. Er macht in der Reha Fortschritte und die Beziehung beflügelt Morgan so sehr, dass er beschließt, sich den Geistern der Vergangenheit zu stellen und als Behindertensportler mit einem Spezialfahrrad an dem Rennen teilzunehmen, an dem vor einem Jahr das schreckliche Unglück geschah und schafft es sogar einen Sponsor für sein Unterfangen aufzutreiben. Dean ist von dem Ehrgeiz seines Freundes weniger begeistert und unterstützt Morgan dennoch bei dem Training, das ihn auch zu der Stelle führt, wo er unglücklich gestürzt ist.

Morgan übertreibt es jedoch mit dem Training und wird von Dean aufgefunden, als dieser im Badezimmer zusammenbricht. Als auch der behandelnde Arzt aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes seine Zustimmung zum Rennen verweigert und er auf eigene Faust versucht Geld aufzutreiben, reagiert Morgan zunehmend aggressiv und fühlt sich von allen unverstanden und in Stich gelassen. Es kommt zum Streit mit seiner Mutter und auch  und seiner Freundin Lane bricht der verbitterte Morgan und als aufgrund seiner Schulden auch noch die Zwangsräumung ins Haus steht und Dean aufgrund seines Verhaltens die Beziehung überdenken möchte, droht er neuerlich alles zu verlieren.,,

Laut der Forschungs-Stiftung „Wings for Life“, die es sich  zum Vorsatz gemacht hat, dass Rollstühle in Zukunft ein für alle Mal der Vergangenheit angehören sollen. kommt es jährlich zu 130.000 Fällen von akuten Rückenmarksverletzungen, die in 53 % der Fälle zur Paraplegie (Lähmung der unteren Gliedmaßen) und 47 % der Fälle in Tetraplegie (Lähmung der unteren Gliedmaßen und Armmuskulatur) enden. Während die Hauptursache dieser Verletzungen zu 50 % bei Verkehrsunfällen zu suchen ist, entstehen 6 % der Fälle bei der Ausübung von sportlichen Aktivitäten und in 3 % Fällen bei Extremsportarten. In jedem einzelnen Fall ist die Diagnose Querschnittlähmung jedoch ein einschneidenden Punkt und vor allem irreversible Behinderung, die  alle Betroffenen und auch deren Umfeld vor eine große Herausforderung stellt.

Und genau von diesen Herausforderungen handelt der schwule Indiependent-Streifen „Morgan“ des amerikanischen Regisseur Michael D. Akers, der die Geschichte des Ex-Radrennsportlers Morgan erzählt, der sich nach einem Unfall mit einer vollkommen geänderten Lebenssituation arrangieren muss und beinahe daran zu zerbrechen scheint. Erst durch den Kontakt mit Dean und seiner aufkeimenden Liebe zu dem schüchternen Mann werden alte Lebensgeister wieder geweckt und mit ihnen auch übertriebener Ehrgeiz, der ihn erst in diese Lage gebracht und neuerlich zum Stolperstein seine Beziehung werden könnte.

Die Geschichte hat mir auch sehr gefallen und präsentiert einen Titelhelden, der sich in unterkriegen lässt und auf sympathische Weise auch die Probleme präsentiert, mit denen sich Querschnittgelähmte arrangieren müssen, die auch aktiv am Leben teilhaben möchten. Während in unseren Breiten ja ein größeres Augenmerk auf Barrierefreiheit gelegt wird und für die Betroffenen von Reha, bis zur Beratungsstellte auch zahlreiche Anlaufstellen geschaffen wurden, so ist in vielen Ländern mangels entsprechender Lobby noch immer ein Problem und schon eine kleine Stiege wird für Rollstuhlfahrer zum unüberwindbaren Hindernis.

„Morgan“ handelt aber im Grunde auch von zwei sehr unterschiedlichen Typen, die jeweils auf eigene Art versuchen ihr Schicksal meistern und deren Aufeinandertreffen für beide eine Bereicherung darstellt. Auf der einen Seite steht der ehrgeizige, zielstrebige und durchaus progressiv agierende Morgan, der durch seinen Unfall aus der Bahn geworfen wird und durch Dean wieder zurück ins Leben findet, während der introvertierte und schüchterne Dean durch den Morgan und seine mitunter forsche Art seine ebenfalls tragische Vergangenheit hinter sich lassen und auch die selbstgewählte Einsamkeit hinter sich lassen kann.

Dabei ist die erste Hälfte eher romantisch ausgefallen und bietet Unterhaltung, wie man sie sich als harmoniesüchtig veranlagte Person wünscht, während die zweite Hälfe durchaus  dramatischere Töne anschlägt und eindrucksvoll zeigt, dass eine Beziehung mit einem körperbehinderten Menschen auch für beide Partner eine immense Herausforderung ist und man auch manchmal erfahren muss, dass gewisse Ziele und Wünsche im Leben einfach nicht mehr zu realisieren sind. Dennoch bleibt der Film im Grundton positiv und versöhnt den Zuschauer auch mit einem wunderbar herzerwärmenden und dennoch nachvollziehbaren Ende, das mir persönlich sehr gut gefallen hat.

Nach dem vorangegangenen Streifen „Phoenix“ aus dem Jahre 2006 hat sich Regisseur Michael Akers auch spürbar weiterentwickelt und bietet neuerlich einen soliden, „gay-themed“ Streifen, der neuerlich erfrischend ungekünstelt daherkommt, Klischees vermeidet und vor allem aufgrund seiner sympathischen Hauptdarsteller und stimmigen Musikuntermalung auch sehr gut funktioniert. Klar sollte man sich angesichts des Budgets nicht zu viel erwarten, aber abgesehen von ein paar kleineren Schönheitsfehlern, wie den etwas überagierenden Nebendarstellerinnen hat Akers meines Erachtens eigentlich fast alles richtig gemacht und auch etwaige Kritik an der zweiten Halbzeit von einigen IMDB-Nutzern kann ich nicht nachvollziehen. Meinen Geschmack hat der Regisseur jedenfalls getroffen und die Geschichte empfand ich persönlich sehr berührend.

Auch die DVD aus dem Hause CMV-Laservision mit einer FSK12-Freigabe ist sehr gelungen und bringt den Indie-Streifen in englischer Sprachfassung mit optionalen, deutschen Untertiteln. Die Bildqualität ist jedenfalls für einen Indie-Streifen sehr okay und auch das Bonusmaterial kann sich sehen lassen. So gibt es nicht nur einen informativen Audiokommentar und ein „Behind the Scene“-Featurette, das vom Casting, bis hin zu den Dreharbeiten handelt, erweiterte und entfallene Szenen, sowie jede Menge Trailer zum Film und anderen aus dem Programm der Berliner Filmfirma, welches mit dem obligatorischen Wendecover abgerundet wird.

Unterm Strich bleibt ein gelungener, interessanter und vor allem vielschichtiger Film über eine körperbehinderten Schwulen, der durch die Kraft der Liebe wieder Freude am Leben erlangt und dessen Partner, der in Morgan ebenfalls eine große Bereicherung in seinem Leben  findet. Nebenher ist „Morgan“ aber auch eine wunderbare und herzerwärmende Geschichte über das Thema Behinderung im Alltag, welche unaufgeregt, sensibel und optimistisch erzählt wird und mit New Yorker-Handlungsort auch sehr schön in Szene gesetzt ist. Frei von falschen Sentimentalitäten und Kitsch, sowie seiner gelungenen Mischung aus humorvollen, romantischen und tragischen Momenten erweist sich „Morgan“ mit seiner interessanten Charakterisierung zweier grundverschiedener Menschen, die einander trotzdem finden auch als absolute Perle und für mich auch zu den besten Steifen, die in der Queer-Cinema-Kiste zu finden sind.

Beitrag geändert von jogiwan (16.November 2013 18:26:12)