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geschrieben von flacmurry am 15.12.05
Ein Halleluja für Camposanto (Gli fumavano le Colt... lo chiamavano
Camposanto)
Die beiden jungen Männer John und George sind nach über 15 Jahren Aufenthalt
in England auf dem Rückweg in den „Wilden Westen“ zu ihrem Vater, dem Farmer
McIntyre. Dieser ahnt noch nicht, dass sich aus den beiden einstigen
Raufbolden zwei vornehme Gentlemen entwickelt haben.
Das typische, sehr klischeehafte Western-Nest, in dem unsere Geschichte
beginnt, nennt sich Arlington. In dieser Stadt ist die Luft äußerst
bleihaltig, denn wirklich jeder trägt hier eine Waffe. Nicht nur Omas haben
Revolver in ihrer Handtasche, nein, in Arlington bekommen sogar Säuglinge
Munition statt Schnuller zum Nuckeln. Der aufmerksame und erfahrene
Western-Zuschauer mag es jetzt schon erahnen: Die beiden kultivierten Brüder
sind hier vermutlich fehl am Platze!
Und so kommt es, wie es kommen muss: Schon beim Verlassen der Postkutsche
wird George (John Fordyce) von einem Cowboy mit den Worten „aus dem Weg, Du
Würstchen!“ recht grob beiseite gestoßen und landet dadurch äußerst unsanft
im Staub der Straße. Sofort tritt John (Chris Chittel) für seinen Bruder ein
und naiv, wie er ist, fordert er den Fremden auf, „die Sache hier und jetzt
wie zwei wahre Gentlemen“ zu erledigen. Irgendwie scheint er sich wohl noch
nicht ganz im Klaren darüber zu sein, dass solche Angelegenheiten hier im
„Wilden Westen“ in der Regel nicht mit Fäusten, sondern mit Schießeisen
geregelt werden. Als er seinen Fauxpas bemerkt, versucht er noch vergeblich,
das drohende Unheil mit den Worten: „Äh, können wir die Sache nicht unseren
Anwälten überlassen?“, abzuwenden. Doch das Glück ist auf der Seite der
beiden Bubis. Camposanto (Gianni Garko), ein “Lonesome Cowboy”, wie er im
Buche steht, stellt sich zwischen die beiden Duellierenden und verhindert
somit Schlimmeres.
Nach einem fehlgeschlagenen Versuch, im örtlichen Saloon ein Bier trinken zu
gehen, erreichen die Beiden schließlich die Farm ihres Vaters, der sie
bereits sehnsüchtig erwartet. Wie sich schnell herausstellt, wird dieser,
wie so viele andere Farmer in der Gegend, von einer Bande von Viehdieben
erpresst. John und George beschließen, dem Treiben der Gangster mit allen
Mitteln Einhalt zu gebieten. Doch dazu muss man hierzulande zunächst mal das
Schießen lernen...
Für den Leser mag sich die Geschichte wahrscheinlich zunächst nach einer
weiteren albernen Westernparodie anhören. Doch so einfach wird man dem 1971
von Giuliano Carnimeo („Sartana – Noch warm und schon Sand drauf“, „Sartana
kommt“) gedrehten Film nicht gerecht. Um es an dieser Stelle schon einmal
vorweg zu nehmen: Mir hat „Ein Halleluja für Camposanto“ richtig gut
gefallen!
Ganz im Gegensatz zu dem ebenfalls in der „Halleluja-Italo-Western-Box“
enthaltenen reinen Klamauk-Western „Man nennt mich Halleluja“, hat der
Regisseur Carnimeo es diesmal geschafft, Elemente einer Komödie mit denen
eines Dramas so miteinander zu verknüpfen, dass das Gesamtbild des Films
trotzdem nicht getrübt wird. Nein, es entsteht vielmehr eine für einen
Spaghetti-Western äußerst faszinierende und seltene Mischung: Unser
Revolver-Held Camposanto schöpft seine ganze Kraft, Gutes zu vollbringen,
aus der bitteren Erfahrung, dass seine Frau und Kinder einst, beim Versuch
als Pionier den Westen zu durchqueren, von einigen Banditen brutal getötet
wurden. Nur er überlebte schwerverletzt, wurde vom Farmer McIntyre gefunden
und unter seinem Schutz gesund gepflegt. Nun zählt er zu den besten Schützen
im Westen und fungiert als Retter der McIntyres und anderer Unterdrückten in
der Not. Sein Motiv könnte einerseits sein, seinen Seelenfrieden
wiederzufinden oder andererseits einfach nur seine Schuld beim Farmer zu
begleichen.
Als passenden Gegenspieler zu Camposanto setzt der Regisseur einen weiteren
Revolverhelden namens Graf/Duke (William Berger) ein, der vom
geheimnisvollen Anführer der Viehdiebe engagiert wurde, die McIntyres zu
beseitigen. Immer wieder stoßen die beiden Cowboys aufeinander, doch ihr
gegenseitiger Respekt voreinander verhindert zunächst Schlimmeres...
Um wie üblich niemandem zu viel vorweg zu nehmen, gehe ich jetzt nicht noch
näher auf den Inhalt des Films ein. Die in der von KOCH herausgebrachten
„Halleluja-Italo-Western-Box“ enthaltene DVD „Ein Halleluja für Camposanto“
schließt sich von der tollen Aufmachung her wiedereinmal ihren Vorgängern
an. Allerdings wirkt das Bild in der Eröffnungssequenz zunächst deutlich
schlechter, als auf der bereits zuvor besprochenen DVD „Man nennt mich
Halleluja“. Nach einigen Minuten scheint sich das Bild jedoch wieder zu
verbessern. Vielleicht ist das Original-Material etwas beschädigt gewesen,
ansonsten liegt dieses Empfinden vermutlich einfach an meiner subjektiven
Wahrnehmung!?
Als Bonusmaterialien enthält die DVD neben dem italienischen original
Kinotrailer noch eine Bildergalerie, die ca. 30 Kinoplakate und allerlei
Fotos zum Film umfasst und ein ca. 25-minütiges, eigens von KOCH (Ulrich P.
Bruckner) produziertes und von Stephan Lenzen gedrehtes Special mit dem
Titel „Ein Halleluja für Anthony Ascott“.
Sehr gefühlvoll wird darin der Helden der alten Italo-Western-Tage gedacht,
insbesondere natürlich des Regisseurs Giuliano Carnimeo alias Anthony
Ascott. Dieser kommt in einem langen Interview zu Worte und berichtet uns
mit leuchtenden Augen von der Zeit seines ersten Italo-Westerns „Django –
Ein Sarg voll Blut“ mit George Hilton in der Hauptrolle, welcher ebenfalls
eigens für dieses Special interviewt wurde.
Anschließend erfahren wir von Carnimeo auch etwas über seine später
gedrehten Filme wie „Sartana – Töten war sein täglich Brot“ oder „Django und
Sabata – Wie blutige Geier“, bis er dann auf „Ein Halleluja für Camposanto“
zu sprechen kommt. Dabei hebt Carnimeo nochmals die von mir zuvor schon
angedeutete soziale Komponente der Hauptgeschichte hervor (getötete Familie;
Schutzengel; Rache).
Auch Gianni Garko ist der Meinung, dass der Titel des Films („Ein Halleluja
für Camposanto“) seiner Qualität nicht ganz gerecht wird. Er betont als
treffendes Beispiel für diese soziale Komponente noch die Parabel der
Selbstlosigkeit des Helden in der Geschichte.
Das ganze Special wird sehr gefühlvoll von der wirklich tollen Filmmusik,
vielen Ausschnitten der Filme und von einzigartigen, ebenso seltenen
Produktionsfotos untermalt. Wie es sich gehört, wird zwischendurch auch dem
„Vater“ des Spaghetti-Westerns Sergio Leone gedacht. Auch für den etwas
erfahreneren Spaghetti-Western Fan werden sich mit dem gelungenen Special
vermutlich noch einige interessante Parallelen auftun. Um hier jetzt nicht
noch mehr zu verraten: Schaut euch einfach alles selbst an!
Damit ich das schöne 32-seitige von Wolfgang Luley und Daniel Maier
verfasste Booklet der Halleluja-Italo-Western-Box nicht übergehe, möchte ich
dazu auch noch kurz einige Worte verlieren:
In dem Booklet wird nichts unnötig in die Länge gezogen, denn beinahe 23
Seiten umfasst allein schon der Text. Somit ist man schon 15 bis 30 Minuten
nur mit dem Lesen des Aufsatzes beschäftigt. Zunächst geht es kurz um den
Eurowestern allgemein. Es folgen viele, sehr interessante Seiten über
religiöse Elemente im Spaghetti-Western. Anhand der Kapitelüberschriften
lassen sich die spannenden Themen wohl am besten verdeutlichen:
„Erlöserpassionen & Opfertode“, „Biblische Motive in modernem Gewand“,
„Religiöse Ikonografien“, „Gottes Bodenpersonal“ und schließlich „Religiöse
Gemeinschaften: Mormonen & CO“. Anschließend gehen die Autoren noch auf
Westernkomödien allgemein, die unterschiedlichen Halleluja-Filmtitel sowie
die verschiedenen wichtigen Persönlichkeiten dieser Filme näher ein.
Durch die bescheidene aber dennoch treffende Auswahl der im Booklet
abgebildeten Motive bestätigt sich mir erneut der Eindruck einer äußerst
professionellen und kompetenten Designabteilung bei KOCH-Media. Weniger ist
eben oft einfach mehr! Ich bin jedes Mal aufs neue verzückt, wenn ich eine
DVD dieses Labels in der Hand halte. Die Verantwortlichen haben es in meinen
Augen sehr gut erkannt, dass abseits des „vorgekauten Hollywood-Breis“ auch
noch ein alternatives Käuferklientel mit anderen Ambitionen existiert.
Weiter so, Herr Bruckner!
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