project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Im Jahre 1501 kämpft der Söldner Martin (Rutger Hauer) Seite an Seite mit seinen treuen Freunden und Captain Hawkwood (Jack Thompson) um im Auftrag von Lord Arnolfini (Fernando Hilbeck) dessen besetzte Burg wieder in Besitz des rechtmäßigen Eigentümers zu bringen. Obwohl erbittert gekämpft wird, ist die Stimmung am Schlachtfeld jedoch sehr gut, da Arnolfini als Ansporn für die Truppe an bunt zusammengewürfelten, draufgängerischen und gewaltbereiten Männer und Frauen versprochen hat, dass diese anschließend plündernd und brandschatzend durch die Straßen ziehen dürfen und alle Reichtümer behalten dürfen, dass sie finden.
Während die Burg gestürmt wird und die Besetzer wahllos ermordet werden, verletzt Hawkwood im allgemeinen Gemetzel irrtümlich eine Nonne und wird daraufhin von Arnolfini zu einem zweifelhaften Deal genötigt, der Hawkwood dazu drängt, seine Mitstreiter zu verraten. Die Truppe an Söldnern in Feierlaune wird daraufhin von Arnolfinis Gefolge in der Burg zusammengetrieben und in einen Hinterhalt gelockt, in alle Windrichtungen vertrieben und Martin und seine hochschwangere Freundin Celine müssen unverrichteter Dinge und vor allem ohne Reichtümer abziehen.
Als Celine daraufhin eine Totgeburt erleidet sinnen Martin und seine Freunde auf Rache und nachdem die eingeschworene Gruppe auch noch einen Wink des Schicksals erhalten, der vom Kardinal (Ronald Lacey) als göttliches Zeichen interpretiert wird, beschließen diese, an Arnolfini Rache für die erlittene Schmach zu nehmen und sich das versprochene Geld mit Gewalt zu holen. Als Prediger verkleidet überfallen sie den Lord und dessen Gefolge auf den Weg in dessen Burg, kapern vor den Augen der überrumpelten Männer und Frauen deren Wägen und machen sich damit auf und davon.
In einem der Wägen entdeckt Martin wenig später in ihrem Lager die junge Agnes (Jennifer Jason Leigh), die eher unabsichtlich entführt wurde und eigentlich Arnolfinis Sohn Steven (Tom Burlinson) als Frau versprochen wurde. Als Martin davon erfährt, vergewaltigt er die junge Frau vor den Augen der anderen und nimmt diese als Geisel um weitere Forderungen stellten zu können. Doch Agnes ist nicht das hilflose Opfer und findet wenig später anscheinend Gefallen an der unorthodoxen Lebensweise der Räuber, während Steven seinerseits alles daran setzt, seine zukünftige Gattin aus den Händen der Söldner zu befreien…
Der Mensch bzw. die Menschheit neigt ja in vielen Dingen dazu, bei bestimmten Ereignissen, Zeiträume und selbst bei eigenen Erinnerungen die negativen Aspekte auszublenden und sich mit Jahren des Abstandes nur auf die positiven Dinge zu beschränken bzw. nur noch so zu präsentieren. Das ist nicht nur eine hübsche Schutzfunktion des menschlichen Gehirns, sondern entspricht auch der menschlichen Natur, dass man sich von negativen Erfahrungen und dergleichen nicht unnötig zu belasten bzw. auf Dauer fertig machen lassen sollte.
Geht es in Büchern, Filmen und Liedern um Ritter und Piraten ist diese hübsche Eigenart ja anscheinend besonders ausgeprägt und statt tödlicher Krankheiten, niedriger Lebenserwartung, mangelnde Hygiene, Armut, Gewalt und Sklaverei handeln Filme, die das Mittelalter beschreiben mit wenigen Ausnahmen meist von lustigen und farbenfrohen Abenteurern, eloquenten Draufgängern und harten Kerlen, unkaputtbaren Männerfreundschaften, unsägliche Reichtümer, Schwertkämpfen und exotischen Schauplätzen, die mit historischen Begebenheiten von damals wohl eher herzlich wenig gemeinsam haben.
Mitte der Achtziger hat sich der niederländische Regisseur Paul Verhoeven dazu entschlossen, der nostalgisch-verklärten Sichtweise auf das Mittelalter etwas entgegen zu setzen und drehte in internationaler Co-Produktion und nach eigenem Drehbuchentwurf und in der fünften und letzten Zusammenarbeit mit Rutger Hauer den düsteren Streifen „Flesh + Blood“, mit dem Vorsatz ein halbwegs glaubwürdiges und authentisches Werk zu schaffen, dass im Gegensatz zu ähnlichen Werken aus der Kiste eine realistische Gewaltdarstellung präsentieren sollte.
Herausgekommen ist dabei ein eigentlich sehr unterhaltsames und meines Erachtens auch unterschätztes Werk mit Verhoeven Lieblingsthemen Sex und Gewalt, dass für den Kinostart 1985 offensichtlich nicht nur viel zu düster ausgefallen war, sondern aufgrund der recht drastischen Darstellungen von Vergewaltigungen, Morden und sonstigen delikaten Themen auch weltweit Probleme mit der Zensur bekam. Auch in Deutschland wurde das Werk im Jahr 1989 von der BJPS indiziert und erst im März 2013 nach Antrag wieder von selbigen gestrichen und ist somit auch erstmalig frei im Laden erhältlich.
Stößt man in Filmforen auf das Werk bzw. auf Leute, die den Streifen bereits seit seiner Erstaufführung kennen, ist auch immer die Rede, dass „Flesh + Blood“ auch äußerst düster, ernsthaft und konsequent brutal ausgefallen ist und man kann sich schon gut vorstellen, dass vielen Zuschauern seinerzeit die Kinnlade runtergeklappt ist, wenn Verhoeven eine Liebeszene unter verwesenden Leichen, eine Gruppenvergewaltigung mit Lagerfeuer-Romantik und kollektives Morden und Brandschatzen als natürlichste Sachen der Welt präsentiert und seinen Antihelden Martin mittels Wagenrad dann auch noch zur Heiligenikone im Flammenmeer stilisiert, kann man die ganze Sache wohl auch nicht mehr ganz so ernstnehmen.
Was vor knapp 28 Jahren aber wohl noch schockierend und bedrückend empfunden wurde, wird heutzutage doch sicher auch ganz anders aufgenommen und ich muss ehrlich gestehen, dass ich bei meiner Sichtung bestens unterhalten wurde. Das grotesk-überdrehte Historien-Spektakel startet auch gleich von Null auf Hundert, tendiert dank aberwitziger Momente nicht nur einmal in Richtung Komödie und die gezeigte Brutalität wird auch Comic-haft überdrehter Momente ebenfalls entschärft, dass sich auch ein etwaiger Authentizitätsanspruch relativiert.
Optisch ist „Flesh + Blood“ auch sehr überzeugend ausgefallen und von den Strapazen, Querellen und Besetzungs-Problemen im Hintergrund der 6,5 Millionen Dollar-Produktion, die Verhoeven an spanischen Schauplätzen an den Rand des Erträglichen geführt haben sollen, ist dem fertigen Produkt nicht anzusehen. Darstellerisch ist das Spektakel ebenfalls sehr gut ausgefallen und neben Stamm-Darsteller Rutger Hauer überzeugen bis auf den etwas zu farblosen Tom Burlinson auch alle anderen Darsteller insbesondere Jennifer Jason Leigh, die hier ja auch mit vollen Körpereinsatz agiert.
Koch Media bringt diesen bislang imho doch etwas unterschätzten Raubritter-Action-Kracher in drei Variationen und neben der ungekürzten DVD und Blu-Ray-Disc, die mir vorlag, können Fans auch noch zum Mediabook greifen, der auch noch exklusives Bonusmaterial in Form von zahlreichen Interviews bietet. Die von mir gesichtete Fassung hat jedenfalls eine schöne Bildqualität, die auch an Kino und nicht an HD-Projektion erinnert und bietet als Bonus den Audiokommentar und neben einer Bildergalerie auch noch den deutschen und englischen Trailer, der ebenfalls etwas reißerisch daherkommt.
Das Mediabook hingegen bietet dann zusätzlich noch einen Booklet von Christoph Huber und dem Hauptfilm auf Blu-Ray-Disc und DVD auch noch einen Extra-Silberling mit mehreren Interviews mit Paul Verhoeven (23 Minuten), Drehbuchautor Gerard Soetemann (40 Minuten) und Second-Unit-Chef Walter Saxer (26 Minuten), sowie ein 24minütiges Audiointerview mit Rutger Hauer, die weltweit exklusiv nur in dieser Veröffentlichung zu finden sind, sowie eine Featurette über die Filmmusik und bietet auch noch ein schöneres Cover.
Unterm Strich ist „Flesh + Blood“ vielleicht zwar vielleicht nicht das von mir im Vorfeld erwartete, düstere Historien-Spektakel, aber dafür ein für den Genre-Fan unterhaltsamer und auch sehr blutiger Mittelalter-Spaß, in dem auch immer wieder Verhoevens Sinn für etwas abseitigen Humor zum Ausdruck kommt. Wer diesen teilt und das turbulente Geschehen auf der Leinwand auch eher augenzwinkernd betrachtet, kommt in dem Werk auch zweifelsfrei auf seine Kosten und wird sich bei der zweistündigen, hysterischen und auf Krawall gebürsteten Blutwurst mit seinen ganzen Antihelden auch herrlich unterhalten fühlen.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9512
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