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Seit dem überraschenden Seuchentod seiner Frau hat der Samurai Nomi (Takaaki Nomi) seinen Kampfgeist verloren und flüchtet mit seiner resoluten Tochter Tae (Sea Kumada) als unbewaffneter und verzweifelter Deserteur vor realen Verfolgern und inneren Dämonen, die in seinem Kopf schreckliche Bedrohungsszenarien ablaufen laufen. Als auf den ehemaligen Wasserstandszählers ein Kopfgeld ausgesetzt wird, machen sich bald zwielichtige Personen auf den Weg und trachten nach Nomis Leben, der als Feigling in den Augen seiner enttäuschten Tochter ohnehin gleich besser Selbstmord begehen sollte um auf diese Weise wenigstens noch einen Funken Würde zu bewahren.
Als Nomi wenig später von Milizen des Fürstentums Tako festgenommen und eingesperrt wird, erhält er von dem Fürsten eine letzte Möglichkeit zu einer Begnadigung. Innerhalb von 30 Tagen soll der geächtete Ex-Samurai den Sohn des Fürsten zum Lächeln bewegen, der seit dem Tod seiner Mutter vollkommen apathisch dahin vegetiert. Doch das stellt Nomi, der ebenfalls jegliche Lebensfreude verloren hat auf eine schier unlösbare Aufgabe und die ersten Versuche, den kleinen Fürstensohn mit kleinen Kunststücken und Verkleidungen zum Lachen zu bringen, scheitern kläglich.
Auch Tae ist von den Versuchen ihres Vaters herzlich wenig angetan und anstatt ihn zu ermutigen, schmollt sie weiter über die Unfähigkeit ihres Erzeugers. Erst als auch die beiden Wärter Kuranosuke und Heikioni mit einem kleinen Trick an die Gefühle der Tochter appellieren, beschließt sie ihrem Vater auch in dieser schweren Stunde beizustehen und die Versuche den Fürstensohn zum Lachen zu bringen werden immer größer und gewagter und es scheint, als würden die alten Kampfgeister wieder zu dem zweifelnden Nomi zurück zu kehren.
Als sich Nomi vor Publikum als menschliche Kanonenkugel betätigt, steigt auch das Interesse der Bewohner des Fürstentums an dem Mann mit dem Unterhaltungswert und mit den kreativen Versuchen, seinem Sohn zu helfen, erlangt der Ex-Samurai und seine Tochter auch die Sympathien des Fürsten. Es folgen weitere Aufführungen, die zwar das Publikum und Fürst weiter begeistern, jedoch nicht den erwünschten Erfolg liefern. Die Tage vergehen und als der 30. Tag erreicht ist, hat Nomi alle Sympathien und zahlreiche Helfer auf seiner Seite und dennoch scheint es fraglich, ob er sein Ziel erreichen kann…
Komödiant und Regisseur Hitoshi Matsumoto ist schon ein ganz schön schräger Vogel und diesem Ruf wird er nach „Der große Japaner – Dainipponjin“ und „Symbol“ nun auch mit seinem dritten Streifen „Saya Zamurai“ gerecht. Hier inszeniert der unberechenbare Mann auch kurzerhand einen Samurai-Streifen im historischen Ambiente um dann eine gänzlich anders geartete Geschichte zu erzählen, die mit den sonstigen Streifen aus der Kiste auch herzlich wenig gemeinsam hat.
Schwertkämpfe und grimmige Action sucht man in tragischen Film mit komödiantischem Unterton ja eher vergeblich und die berührende Geschichte konzentriert sich dann auch eher auf das konfliktbeladene Verhältnis zwischen Vater und Tochter, fehlinterpretierter Samurai-Pathos, sowie Humor als mitreißendes Gemeinschaftsgefühl und gemeinsamer Nenner. Mutet der Beginn ja noch etwas seltsam an, so entwickelt sich „Saya Zamurai“ ja im Verlauf seiner Spielzeit zu einem durchaus packenden Vergnügen, in welchem Matsumoto trotz ungewöhnlich geradliniger Erzählweise munter etwaige Zuschauererwartungen untergräbt.
Auf allzu plakative Mätzchen und ratlos machende und über den ganzen Erdball verstreute Erzählstränge wie in dem metaphorischen „Symbol“ verzichtet Matsumoto bewusst und es lag auch in seiner Intention einen Film zu machen, der mit den Vorhergegangenen nicht zu vergleichen ist und auch mit den üblichen Konventionen des Samurai- und Historienfilms bricht, was ihm auch zweifelsfrei sehr gelungen ist. Dabei darf man einem Menschen wie Matsumoto ja ohnehin nie so richtig über den Weg trauen, was auch ein Blick ins Bonusmaterial verrät, wo sich der in seinem Heimatland als Komödiant so grimmig wie ein Yakuza-Boss gibt und über die Dreharbeiten gar sonderliche Dinge verrät, die man (hoffentlich) wohl nicht ganz ernstnehmen kann.
Jedenfalls ist „Saya Zamurai“ zweifelsfrei sehr gut gelungen und lässt trotz zugänglicher und dennoch trauriger Geschichte nicht den schelmischen Humor außer Acht, der seine Werke so besonders macht. Manche Stelle in dem Streifen tendiert ja fast schon in Richtung Klamauk und dennoch nimmt Matsumoto seine Figuren ernst und schafft auch ohne viel Worte einen tiefgründigen Film, der den Zuschauer noch lange nach dem Abspann auf die ein- oder andere Weise beschäftigen wird.
Auf der technischen Seite gibt es ja ebenfalls nicht viel zu meckern und das historische Ambiente passt auch recht gut zum universellen und zeitlosen Charakter der Geschichte. Die darstellerischen Leistungen sind bewusst überzeichnet oder stoisch angelegt und vor allem Laienschauspieler und Spielfilm-Debütant Takaaki Nomi sieht man nicht an, dass er laut Aussage Matsumotos während den Dreharbeiten weder Drehbuch, noch den Regisseur zu Gesicht bekommen hat und außerdem noch im Glauben gelassen wurde, dass es sich bei „Saya Zamurai“ um einen Dokumentarfilm handelt. Auch die restlichen Darsteller machen ihre Sache ganz gut und vor allem Sea Kumada als resolute, freche und dennoch liebenswerte Tae sticht aus dem Ensemble hervor.
Die DVD aus dem Hause Rapid Eye Movies ist ebenfalls sehr gelungen und bringt den 2011 entstandenen Streifen mit hübschen und farbenfrohen Cover und einer FSK 6-Freigabe, was angesichts von Blutfontänen und Harakiri meines Erachtens doch etwas arg zu niedrig angesetzt ist. Das etwas sonderbar anmutende Bonusmaterial ist recht umfassend ausgefallen und bietet ein „Making-of“, entfallene Szene, ein längeres Interview mit dem Regisseur, Reportagen von den Premieren in Tokyo und Locarno, sowie den Kinotrailer.
Unterm Strich ist dem unberechenbaren Regisseur Hitoshi Matsumoto auch mit seinem dritten, abendfüllenden Streifen gelungen, das sich geschickt jeglicher Konventionen und Schubladen entzieht und dennoch überraschend geradlinig erzählt ist. Statt Verwirrung, Übertreibung und sonstiger Nonsens, steht hier auch die tragische Geschichte eines Mannes im Vordergrund, der die Lebensfreude verloren hat und die schwierige Aufgabe bekommt, diese ausgerechnet jemanden zu vermitteln, der das gleiche Schicksal ereilt hat. Herausgekommen ist ein berührendes Werk mit tollen Darstellern, das originell und unkonventionell zugleich ist und Fans von ungewöhnlichen Geschichten auch nicht enttäuschen wird.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch endlich Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9455
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