project: equinoX Forum

Der sechzehnjährige Kees (Geert Hunaerts) ist der Streber seiner Klasse eines Bubengymnasiums und wird als introvertierter, aber künstlerisch begabter Einzelgänger von seinen Mitschülern gehänselt. Seine Eltern scheinen sich dafür jedoch nicht zu interessieren und auch die Lehrer seiner Schule reagieren eher hilflos auf das Mobbing gegenüber dem ruhigen Schüler mit den guten Noten. Vor allem der selbstbewusste Charel (Tjebbo Gerritsma) hat es auf Kees abgesehen und macht ihn vor versammelter Klasse zum Gespött, während er als Sitznachbar immer wieder dankbar auf das Wissen und die erledigten Hausaufgaben von Kees zurückgreift.

Als die Eltern von Kees eines Tages zu einer Hochzeit eingeladen sind und den Nachmittag auswärts verbringen, nutzt der Tagebuch-schreibende Junge die Gunst der Stunde um seinen Mitschüler einzuladen, in den er heimlich verliebt ist und obwohl Kees von Charel und seinen Freunden gerade an diesem TAg im Turnunterricht besonders gedemütigt wird, steht Charel am Nachmittag vor der Türe zu der dunklen Wohnung. Das Treffen entwickelt sich jedoch anders als geplant und nachdem Charel wieder einmal die Hausaufgaben von seinem Mitschüler abschreibt, macht er sich über dessen Hobbys lustig und als er sich anschließend auch noch in seinem Stolz gekränkt fühlt, mündet der Nachmittag in einer Tragödie.

Das Berliner Label CMV ja seit dem Jahre 1998 nicht nur Garant für abseitige Genre-Unterhaltung mit dem Herz am rechten Fleck, sondern seit Anfang 2009 auch für die Veröffentlichung von interessanten Kurzfilmen aus der „Comig-of-Age“-Kiste verantwortlich. Vier Ausgaben mit zwanzig unterschiedlichen Filmen von schwankender Qualität und von unterschiedlichsten Regisseuren und –innen von Europa bis Übersee wurden bislang veröffentlicht und mit dem Kurzfilm „Spielen oder sterben“ steht uns nach einem Jahr Pause nun die Nummer fünf der ungewöhnlichen Serie ins Haus, die den Standard des bisherigen Outputs auch mühelos halten kann.

Der 1990 entstandene Streifen von Regisseur Frank Krom unterscheidet sich aber aufgrund seiner düsteren und durchkomponierten Bilder etwas von den bislang veröffentlichten Kurzfilmen, die die schwierige Zeit des Erwachsenwerdens und/oder das Thema Homosexualität größtenteils humorvoll und ironisch beleuchten. Humor sucht man in dem Debütwerk des niederländischen Regisseurs ja vergeblich und „Spelen of Sterven“  ist dann auch nicht nur das bislang dramatischste Werk der Serie und das Portrait einer vereinsamten und gedemütigten Seele erinnert wohl nicht zufällig an die ähnlich gelagerten Werke des spanischen Regisseurs Augusti Villaronga erinnert. 

„Spielen oder Sterben“  ist ja dann auch ziemlich harter Tobak und behandelt  aktuelle  Themen wie Mobbing, Homosexualität, erste Liebe und Teenager-Ängste auf sehr eindringliche Weise und ist dabei eigentlich genau die Art von Film, die man in der Form als Betroffener eigentlich auch gar nicht sehen möchte. Statt in irgendeiner Weise Mut zu machen oder mögliche Auswege aus problematischen Situationen zu  zeigen, wählt der Streifen den Weg der Eskalation und zeigt, was Statistiken auch immer wieder beweisen.  Fast jeder dritte Selbstmordversuch in westlichen Ländern  wird von einer homosexuell orientierten  Person begangen und eine ungleich höhere Zahl hat während der Pubertät selbst schon die Möglichkeit eines Selbstmordes in Erwägung gezogen.

Aber auch abseits seiner schwierigen Thematik inklusive tragischem Finale ist der Streifen schwer  zugänglich ausgefallen und bietet Szenen, die man auch nach mehrmaliger Sichtung nicht richtig einzuordnen weiß. So scheint die Reaktion der Eltern ebenso rätselhaft, wie das Verhalten von Charel, der wohl ebenfalls nicht so ahnungslos ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Auch die Szene, in der Kees fast wie ein Jäger um seine Beute spaziert lassen inklusive dem surrealistischen  Finale, in der sich eine vorangegangen erzählte Geschichte zu wiederholen schient und der kryptische Titel, lassen vielerlei Interpretationen zu.

Die Frage nach einer Bewertung nach herkömmlichem Zahlenmuster stellt sich für diese Art von Film dann auch nicht und Frank Krom hat auch einen Kurzfilm geschaffen, der zweifelsfrei im Bewusstsein des Betrachters nachhallen wird und die Grundlage für eifrige Diskussionen bieten könnte. Technisch und darstellerisch gibt es auch nichts zu bemängeln und dennoch ist „Spielen oder Sterben“ sicherlich kein Streifen für jeden Tag und wird mit seinen gewöhnungsbedürftigen Erzählweise und tragischen Entwicklungen wohl auch nicht den Geschmack eines jeden Zusehers treffen.

Darstellerisch ist „Spielen oder Sterben“ dann auch fast ein Solo für Geert Hunaerts, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 18 Jahre war und zuvor in dem Streifen „Crazy Love“ von Dominique Deruddere zu sehen war. Hunaerts schafft es auch ganz gut den ambivalenten und rätselhaften Charakter des Kees und seine Verschlossenheit glaubwürdig zu verkörpern. Tjebbo Gerritsma hingegen wirkt für seine Rolle meines Erachtens zwar doch etwas zu alt, aber spielt die Rolle des Raufbolds ebenfalls sehr solide. Auch der Rest des Casts kann überzeugen, auch wenn der Großteil des Gelingens sicherlich auf den schmalen Schultern von Hunaerts lastet.

Die DVD bringt den Streifen in durchschnittlich bis guter Qualität und da sich eine Synchro wie üblich nicht rentieren würde, wurde der niederländische Streifen mit deutschen Untertiteln versehen. Als Bonus gibt es dann noch eine Handvoll weitere Kurzfilme, die dann auch etwas humorvoller daherkommen, jedoch allesamt schon auf der vierten Ausgabe der Serie vertreten waren. Abgerundet wird die Scheibe neben dem obligatorischen Wendecover dann noch mit einer sehr kurzen Bildergalerie mit Bildern von ausländischen Veröffentlichungen und dem Originaltrailer.

Unterm Strich bleibt ein etwas rätselhaftes und auch eher schwer zugängliches Drama, das sich dann auch schwer einordnen lässt. Ein „Coming-of-Age“-Streifen mir surrealistischen Zügen, der auch dem Psychothriller sehr ähnlich ist und mit seinem tragischen Ende wohl auch nicht überall auf Gegenliebe stoßen wird. „Spielen oder Sterben“ ist dann auch sicher kein Unterhaltungsfilm für Zwischendurch, oder etwas, dass man sensiblen Gemütern in der schwierigsten Phase ihres Lebens vorsetzen sollte, sondern eher ein deftiger Happen, den man sicher nicht so leicht verdaut und der sich auch durchaus auf den Magen schlagen kann.