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Dr. Sayer (Philippe Leroy) ist der Vorsitzende einer Wohltätigkeitsorganisation und wird eines Tages von seiner Angestellten Maria (Dagmar Lassander) kontaktiert, die für einen journalistischen Bericht über die männliche Zwangssterilisation als Lösungsansatz für die ansteigende Überbevölkerung schreiben möchte. Dazu benötigt sie jedoch Informationsmaterial von Dr. Sayer, der von der Idee, die männliche Fortpflanzungsfähigkeit chirurgisch zu unterbinden, jedoch wenig begeistert ist. Dennoch erklärt er sich bereit der jungen Dame am Freitagabend in seiner Villa zu empfangen um ihr das Material zu übergeben.
Als Maria am Abend das Anwesen betritt, ist sie angesichts des exzentrischen Einrichtungsstils begeistert und auch Dr. Sayer präsentiert sich als eloquenter und redseliger Gastgeber. Nach dem Genuss eines Whiskeys fällt Maria jedoch in Ohnmacht und findet sich wenig später gefesselt und in einem finsteren Raum wieder und Dr. Sayer entpuppt sich ohne lange Umschweife als frauenfeindlicher Mensch, dessen größte Angst es ist, sich irgendwann man in einer von Frauen dominierten Welt wiederzufinden, in dem aufgrund technischer Errungenschaften die Funktion des Mannes längst überflüssig geworden ist.
Fortan quält der Mann Maria mit psychologischer und physischer Folter um diese eindringlich darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Mann immer noch um das stärkere Geschlecht handelt, dass nicht so ohne weiteres bereit ist, diese Vormachtstellung so einfach den Frauen zu überlassen. Und tatsächlich scheint der Plan auch zu funktionieren und Maria scheint sich zur Zufriedenheit von Dr. Sayer mit der unterwürfigen Rolle abzufinden. Als sie jedoch zunehmend auch ihre körperlichen Reize einsetzt und Dr. Sayer diesen erliegt, entpuppt sich die junge Frau als durchaus ebenbürtige Gegnerin, die ebenfalls bereit ist, ihrem Widersacher eine Lektion zu verpassen.
Der ewige Kampf der Geschlechter beschäftigt Regisseure schon seit Anbeginn der bewegten Bilder und diese Ausgangslage bietet von der humorvollen Komödie bis hin zum harten Horrorfilm auch allerlei erdenkliche Möglichkeiten dieses filmisch umzusetzen. Der italienische Regisseur Piero Schivazappa und sein 1969 entstandene Werke „Femina Ridens“ a.k.a. „The Frightened Woman“ platziert sein Werk dann geschickt zwischen den beiden Polen und präsentiert uns mit seinem hübschen Streifen eine satirische Abhandlung des Geschlechterkampfes in Form eines beschwingt-unvorhersehbaren Arthouse-Horrorstreifens, der auch immer wieder in die Giallo-Kiste gesteckt wird.
Schwarze Handschuhe, Rasiermesser und blutige Morde sollte man sich trotz der Platzierung in der „Giallo-Box“ ja nicht erwarten und irgendwie passt der „Femina Ridens“ inhaltlich auch nicht zu den beiden restlichen Streifen der Box, auch wenn Schivazappa einen sehr empfehlenswerten Streifen abgeliefert hat, der nicht zu Unrecht zu meinen allerliebsten Filmen aus dem Land des Stiefels zählt. „Femina Ridens“ bietet dem aufgeschlossenen Zuschauer mit einer unvorhersehbaren Geschichte, einem grandiosen Philippe Leroy, einer bezaubernden Dagmar Lassander, exzentrischen Interior und einen wunderbar beschwingten Soundtrack von Stelvio Cipriani, ja eigentlich alles, was sich der Fan von einem italienischen Genre-Film aus der Epoche erwartet.
Der Inhalt des durchaus feministischen Streifens mit SM-Einschlag, bei dem man auch ständig etwas im Dunkeln tappt, ist auch sehr originell ausgefallen und überrascht den Zuschauer immer wieder aufs Neue mit unerwarteten Wendungen, die an dieser Stelle natürlich nicht verraten werden. Die Art und Weise, wie die Geschichte im extravaganten Ambiente, freizügig und mit teils surrealistischen Szenen inszeniert wurde, schmeichelt Auge und Geist und in Kombination mit beiden grandiosen Hauptdarstellern und dem eingängigen Soundtrack ist „Femina Ridens“ dann auch ein absoluter Genuss, den man sich als Freund derartiger Werke nicht entgehen lassen sollte.
Darstellerisch ist Schivazappas Werk dann auch voll und ganz auf seine zwei Hauptdarsteller zugeschnitten und die noch am Anfang ihrer Karriere Schauspielerin und in Prag geborene Dagmar Lassander, die zuvor in deutschen Filmen wie dem Mileu-Drama „Straßenbekanntschaften auf St. Pauli“ aufgefallen ist, wurde deswegen gecastet, weil der Regisseur für die Rolle ein eher unbekanntes Gesicht haben wollte. Meine Dagmar agiert aber in ihrem ersten fremdsprachigen Werk, in dem sie auch am allerschönsten in Szene gesetzt wurde, auch mehr als solide und ohne Scheu vor freizügigen Momten absolut wunderbar.
Philippe Leroy hingegen konnte zur Entstehungszeit bereits auf eine mehrjährige Karriere als Schauspieler zurückblicken und agierte u.a. in Tinto Brass‘ Pop-Art-Western „Yankee“ und zahlreichen anderen, erfolgreichen Werken. Als Dr. Sayer wirkt der durchtrainierte Mann zwar etwas älter, als er zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war und dennoch scheint ihm die Rolle des Patriarchen, Frauenfeind und Macho auf den Leib geschneidert und Leroy verkörpert seine Rolle auch sichtlich mit etwas Freude.
Koch Media bringt „Femina Ridens“ nun in deutscher Erstveröffentlichung im Rahmen der „Giallo Box“ und markigen Sprüchen beworben, die angesichts des Filmes doch etwas deplatziert wirken. Etwaiger Blutdurst wird mit dem kurzweiligen Film wie auch bei den anderen Beiträgen sicherlich nicht befriedigt und leider gibt es das wunderbare Werk auch nur in italienischer Originalfassung samt deutschen Untertiteln. Dafür entschädigt das Bonusmaterial mit einem halbstündigen und sehr interessanten Interview mit Herrn Schivazappa, erweiterte Szenen, US-Trailer und einem Poster mit Text von Christian Keßler.
Unterm Strich bleibt ein toller und optisch sehr ansprechendes Werk im Spannungsfeld zwischen Psychohorror und Satire, dass den Zuschauer gekonnt auf die falsche Fährte lockt und in wunderbarer Optik und viel hübschen Design eine Geschichte über fehlgeleiteten Männlichkeitswahn erzählt und wie man diesem am besten begegnet. „Femina Ridens“ ist zwar weder Giallo, noch sonderlich blutig, aber ein ungemein toller Film mit zwei wunderbaren Darstellern und schicken Settings, dass mich auch jedes Mal aufs Neue begeistert und der auch mitsamt der erschienen Giallo-Box in keiner gepflegten Sammlung fehlen sollte.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9379
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