project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
Sie sind nicht angemeldet.
Die sechzehnjährige Internatsschülerin Alice (Charlotte Alexandra) ist wenig darüber erfreut, dass sie die Schulferien bei ihren Eltern am Lande verbringen muss. Von ihrer stets beschäftigen Mutter (Rita Maiden) fühlt sie sich unverstanden und auch ihr Vater (Bruno Balp), ein umtriebiger Sägewerksbesitzer ist auch nicht gerade die Gesellschaft, die sich ein rebellierender Teenager wünscht. Schon das erste Aufeinandertreffen verläuft eher frostig und anstatt sich über die Heimkehr zu freuen, herrscht am Tisch gereizte Stimmung und demonstratives Schweigen.
Alice wäre in den Ferien ohnehin lieber bei ihrer Freundin Martine (Alexanrda Gouveria), zu der sie sich in ihren zahlreichen Tagträumen wünscht und mit der sie auch das gemeinsame Interesse am Erforschen von Körperfunktionen und –flüssigkeiten teilt. Auf dem abgelegenen Anwesen der Eltern bekommt Alice jedoch zunehmend Beklemmungen und beginnt ein Tagebuch zu schreiben, in dem sie ihre sinnlichen Erfahrungen erfasst. Sie masturbiert und experimentiert mit dem ungewöhnlichen Gebrauch von Flaschen und geht zunehmend auf Konfrontation mit ihrer Mutter, die sie in einem Moment abgrundtief hasst und dann wieder mag.
Später beginnt Alice auch ihre körperlichen Reize einzusetzen um wahllos Männer und insbesondere den jungen Hilfsarbeiter Pierre-Evariste (Hiram Keller) zu verführen, den sie aus der Ferne beobachtet und in ihren Träumen idealisiert. Doch dieser interessiert sich nicht für das junge Mädchen und macht sehr zum Missfallen von Alice auch lieber mit älteren Mädchen herum. Dennoch gelingt es der Schülerin die Aufmerksamkeit und das Interesse von Pierre zu erlangen und überredet den Arbeiter zu einem nächtlichen Treffen mit schicksalhaften Folgen…
Im Jahre 2008 schrieb Charlotte Roche mit „Feuchtgebiete“ einen Roman, in dem sich die Protagonistin recht offen mit ihrem Körper und dessen Funktionen beschäftige und dessen blumige Schilderungen vom Selbstbefriedigungstaktiken und der Umgang mit Urin, Sperma, Menstruationsblut auch mühelos über die ansonsten gar nicht mal so aufregende Geschichte hinweg täuschen konnte. Eine derartig schonungslose Kombination aus Sex und Ekel in literarischer Form, die noch dazu aus der Feder einer Frau stammt, hatte die deutschsprachige Medienwelt bis dato noch nicht gesehen und auch dank vieler Schlagzeilen und einem ausgerufenen Skandal wurde das kontrovers aufgenommene Buch mit seinem „tabubrechenden“ Inhalt mühelos zum vieldiskutierten Bestseller.
Dabei war Roche bei weitem nicht die erste Künstlerin, die sich sehr offensiv mit weiblichen Körperöffnungen und Körperflüssigkeiten junger Frauen beschäftigt und Alice in „Ein wirklich junges Mädchen“, dem Erstlingswerk der französischen Regisseurin Catherine Breillant nach ihrem Roman „Le Soupirail“ aus dem Jahre 1976 (!) steht in Punkto Neugier und Experimentierfreude der Protagonistin aus Roches Buch um nichts nach. Auch hier bekommt der Zuschauer eine recht offenherzige Mischung aus nackten Tatsachen und Ekel präsentiert, die jedoch eine eher dramatische Richtung einschlägt.
„Ein wirklich junges Mädchen“ ist auch sehr kontrovers und teils explizit ausgefallen und obwohl der Streifen bereits 1976 entstand, war er aufgrund seiner freizügigen Darstellung jahrzehntelang in seinem Heimatland verboten und wurde das erste Mal im Jahre 1999 auf einem Filmfestival in Rotterdam uraufgeführt. Das der Streifen seinerzeit nicht in französischen Kinos kam ist ja auch wenig verwunderlich, da Breillat in ihrer Geschichte über sexuelles Erwachen und pubertäre Rebellion auch wenig ausspart und den Zuschauer mit allerlei Szenen konfrontiert, die man so vielleicht nicht unbedingt sehen möchte.
Breillats Streifen ist auch etwas sehr auf Skandal gebürstet und dass ein derartiger Film mit Masturbations-Szenen und Stoffwechsel in Großaufnahme im Jahre 1976 natürlich auf wenig Gegenliebe stößt, war wohl schon im Vorfeld abzusehen. Die eigentliche Geschichte über ein gelangweiltes und pubertierendes Mädchen, das ihre Weiblichkeit und das Interesse am männlichen Geschlecht entdeckt, geht in der Fülle der provokanten Szenen unter, auch wenn ich dem Werk hier keinesfalls den künstlerischen Anspruch absprechen möchte.
Doch wie fast alle Skandalfilme aus den Siebzigern erweist sich auch „Ein wirklich junges Mädchen“ trotz surrealistischer Momente, interessanter Thematik und gelungener Inszenierung als etwas anstrengende Angelegenheit, die zartbesaitete Zuschauer mit tabubrechenden Momenten am laufenden Band und einer blutigen Schlachtszene sicherlich an die Grenzen des Erträglichen führen wird. Etwaige Erwartungen des (männlichen) Publikums an erotische Werke und das Spiel mit dem Lolita-Image werden trotz der Thematik von der Regisseurin bewusst nicht erfüllt und somit ergibt sich ein Gesamtbild, dass es auch etwas schwer macht, den Film objektiv zu beurteilen.
Die im Jahre 1955 geborene Darstellerin Charlotte Alexandra war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits um die zwanzig und überzeugte bereits in ihrem Debüt in Walerian Borowczyks Episodenwerk „Unmoralische Geschichten“ durch ihre freizügige Darstellung der gläubige Therese, die in einem Abstellraum von erotischen Darstellungen in einem Buch inspiriert, selbst Hand an sich legt. Auch in Breillats Streifen zeigt sich Alexandra in ihrer Rolle als sechzehnjährige Schülerin frei von jeglichen Schamgefühl und verkörpert ihre Rolle auch sehr glaubwürdig. Der amerikanische Schauspieler Hiram Keller ist in der Rolle des Objekts der Begierde zu sehen, agiert ebenfalls ganz passabel und auch der Rest des Casts ist überzeugend ausgefallen.
Die Themen weibliche Sexualität an der Schnittstelle zur Pornografie ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Karriere von Catherine Breillat zieht. So war sie in dem Streifen „Der letzte Tango von Paris“ als Darstellerin zu sehen, schrieb zahlreiche Drehbücher und realisierte Filme wie „Romance XXX“, die durch das Casten von einschlägigen Fleischfilmstars zu Kontroversen führte. Dennoch sind die Werke der französischen Regisseurin alles andere als voyeuristische Werke, die niedrige Instinkte bedienen, sondern sexuell-freizügige und polarisierende Arthouse-Werke mit durchaus feministischer Sichtweise.
Die DVD aus dem Hause „Pierrot le Fou“ bringt den kontroversen Streifen in deutscher Erstveröffentlichung auf DVD, wobei mir zur Sichtung die Presse-DVD ohne deutschsprachiger Synchronspur zur Verfügung stand. Die Originalversion hat eine gute Tonqualität und lässt sich mit optionalen Untertiteln auch gut gucken. Die Bildqualität ist ebenfalls sehr gut, wobei der Streifen an manchen Stellen wohl produktionsbedingt etwas vergilbt wirkt. Bonusmaterial zum Film ist leider nicht vorhanden, wobei hier sicher die Zensurgeschichte interessant gewesen wäre. Abgerundet wird die Veröffentlichung dann noch mit zahlreichen Trailern und einem Wendecover.
Unterm Strich bleibt ein Film über sexuelles Erwachen eines Mädchens, der auch nicht mit drastischen und teils ekeligen Momenten geizt. Eine Mischung aus „Coming-of-Age“ und „Feuchtgebiete“, der zwar inhaltlich durchaus interessant daherkommt, aber für meinen persönlichen Geschmack aber etwas zu sehr auf Provokation gebürstet ist. Wie andere Werke aus der Kiste der Arthouse-Schocker ist „Ein wirklich junges Mädchen“ dann auch ein Streifen für die eher aufgeschlossene Fraktion, bei dem man aber gut nachvollziehen kann, dass man sich dieser Herausforderung nicht nochmals stellen möchte.
Offline
@ sven: die Presse-DVD hat auf der linken Seite eine ständige Logo-Einblendung. Soll ich da trotzdem Screenies machen, oder hast du welche vom Presse-Server zur Hand?
Offline
Vorsichtshalber kannst Du ja ein paar Screenshots machen, zu dem Film werde ich nicht viel finden, denke ich mal. Habe zwar die US-DVD, aber ich weiß gerade nicht, ob die Codefree ist. Werde ich am WE mal schauen.
Offline
@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9221
PS: Habe erstmal Deine Screens verwendet, laut ofdb.de ist die Ami-DVD Code 0 - wenn ich mal Zeit habe, mache ich dann davon ein paar Screens ohne Einblendung.
Offline