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Der zwölfjährige José Ramón (José Ramón Lafita) wächst nach dem Tod der Mutter bei seiner Großmutter Abuela (Lola Mendoza) in einer kleinen Stadt im Süden Spaniens heran. Der introvertierte Junge wird jedoch von den gleichaltrigen Mitschülern gemieden und scheint neben seiner Großmutter auch nur Vertrauen zu Tieren und insbesondere seinem schwarzen Kater Satan zu haben. Anstatt mit anderen Kindern zu spielen, verbringt der einsame Junge daher die meiste Zeit mit Herumstreunen in der Gegend und dem älteren Jungen Dani, der die Naivität von José ausnutzt.
Als sein Vater Andrés (Francisco Alfonsin) eines Tages von einer mehrjährigen Gefängnisstrafe entlassen wird, beschließt Abuela, dass José wieder bei seinem Vater wohnen soll, den der Junge in den vergangenen Jahren stark vermisst und zudem noch idealisiert hat. Doch das Zusammenleben der Beiden in der kleinen Wohnung erweist sich als wenig harmonisch, da der etwas cholerische Andrés aufgrund zahlreicher anderer Probleme seiner Vaterrolle nicht gewachsen scheint und das Interesse des Jungen an seiner Person und der dunklen Vergangenheit inklusive dem tragischen Tod der Mutter mit zornigen Wutausbrüchen zum Verstummen bringt.
José gibt jedoch nicht so einfach auf und versucht auf vielfache Weise die Aufmerksamkeit seines Vaters zu erlangen und auch dieser merkt, dass dem etwas verwahrlosten Jungen bislang die Vaterfigur in seinem Leben gefehlt hat. Dennoch findet eine Annäherung nur zögerlich statt und als sich die Nachricht von der Rückkehr Andrés in der kleinen Stadt verbreitet, wird das Zusammenleben der Beiden auf eine weitere Probe gestellt. Als sich die Nachbarschaft gegen die Familie stellt und Andrés das Dorf verlassen möchte, kommt es zum Streit mit Abuela, die von ihrem Sohn verlangt, sich endlich seiner Vergangenheit zu stellen…
Das spanische Wort „brecha“ bedeutet übersetzt so viel wie „Spalt“ oder „Bresche“, was laut Duden wiederum „große Lücke“ bedeutet. Und genau diese titelgebende und große Lücke haben der Tod der Mutter und der Gefängnisaufenthalt des Vaters im Leben des heranwachsenden José Ramon hinterlassen. Dieser wächst ohne Vaterfigur bei seiner Großmutter heran, die sich zwar fürsorglich um den pubertierenden Jungen kümmert, aber auch nicht die gesamte Familie ersetzen kann, die der Junge aufgrund einer tragischen Begebenheit viel zu früh verloren hat.
Der Regisseur Ivan Noel, der über dem Umweg der Musik beim Film gelandet ist und mit dem vielbeachteten Vorgängerfilm „Wo warst du?“ bereits einen ungewöhnlich direkten und teils drastischen „Coming-of-Age“-Streifen geschaffen hat, bleibt auch im Nachfolgewerk dem Thema „Heranwachsen im dörflichen Umfeld“ treu und präsentiert eine eigentlich tieftraurige Geschichte über einen Jungen, dessen Vater und einem Geheimnis aus der Vergangenheit, dass sukzessive in stakkato-artig eigefügten Rückblenden enthüllt wird und so auch die Handlungen von Personen zuvor in einem anderen Licht erstrahlen lässt und vorgefasste Meinungen neu überdenken lässt.
Der junge José wünscht sich ja vor allem die Aufmerksamkeit seines Vaters, auf den er viele Jahre seines Lebens verzichten musste und versucht dieses auch auf unterschiedliche Weise zu erlangen. Andrés versucht auch anfänglich ein guter Vater zu sein und dennoch scheint eine Begebenheit zwischen den Beiden zu stehen, welche unüberbrückbar zu sein scheint und ein harmonisches Zusammenleben verhindert. Der Junge findet keinen bzw. nur den falschen Anschluss und als sich auch noch die Nachbarn offen gegen die Familie wenden, scheint ein weiteres Leben im Dorf unter diesen Umständen unmöglich.
Wie bereits im Vorgängerfilm ist es neuerlich ein einfaches und kleinbürgerliches Umfeld, in dem der Junge aufwächst und hier von seiner eher unschönen Weise portraitiert wird. Und so wie dieses Umfeld Halt geben kann, so schnell wird die Situation unerträglich, wem man in der Gemeinschaft in Ungnade fällt und daraufhin gemieden wird. Und was für Erwachsene schon schwer zu ertragen ist, wird für den Jungen zum Gefängnis, als er gemieden wird. Und dennoch scheint José nicht den Mut zu verlieren und versucht weiter auf unterschiedliche Weise zu zeigen, dass hier ein Mensch ist, der Aufmerksamkeit und Liebe möchte.
Die recht tragische Geschichte ist dabei in recht einfachen und sehr nüchternen Bildern erzählt, in der oftmals nicht das gesprochene Wort, sondern das Drumherum ausschlaggebend ist. Wie schon in „Wo warst du?“ legt Regisseur Ivan Noel Wert auf stimmige, wie authentische Settings, passende Musikuntermalung und hat seine Rollen wieder mit Laiendarstellern besetzt, die dem Ganzen auch die notwendige Portion Realismus verleihen. Die Handlung wird auch stetig vorangetrieben und auch wenn die Geschichte eigentlich rasch erzählt ist, so ist der Film auch dank seiner glaubwürdigen Hauptdarsteller so stimmig, dass man kleinere Schönheitsfehler in Punkto niedrigem Budget und mach holprige Szene gerne verzeiht.
In der Hauptrolle ist wie bereits im Vorgänger wieder einmal Francisco Alfonsin zu sehen, der sich hier auch am Drehbuch beteiligt hat. Seine Rolle ist zwar nicht unbedingt die eines Sympathieträgers und dennoch kann man am Ende auch seine Sicht der Dinge verstehen. An seiner Seite agiert der junge José Ramón Lafita, der seine Sache ebenfalls ganz gut macht und in der Rolle des introvertierten Außenseiters auch recht glaubwürdig wirkt. Die restlichen Rollen sind mit Laien besetzt und auch die Dialoge sind laut Audiokommentar größtenteils improvisiert, in dem der Regisseur die Darsteller einfach agieren ließ.
CMV-Laservision bringt den interessanten, aber aufgrund seiner Thematik nicht so einfach zu konsumierenden Film im spanischen Original mit optionalen deutschen und englischen Untertiteln und einer zu hoch angesetzten Freigabe ab 16 Jahren. Die Bildqualität geht für einen Low-Budget-Streifen jedenfalls in Ordnung und als Bonus gibt es neben einem ausführlicheren „Behind the Scenes“ auch noch einen in Englisch gesprochenen Audiokommentar von Regisseur Ivan Noel. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit einer Bildergalerie, dem Originaltrailer, sowie den Trailer zum Vorgängerfilm „Wo warst du?“.
„Brecha“ ist nach dem ebenfalls interessanten „Wo warst du?“ neuerlich ein kleiner, feiner und authentisch anmutender Streifen über einen Heranwachsenden, der auch vor unbequemen Themen nicht zurückschreckt und einen ruhigen Jungen portraitiert, der in einer wichtigen Phase seines Lebens ohne Eltern heranwachsen muss und seinen Platz im Leben daher auch noch nicht gefunden hat. Ein tragisches Werk in nüchternen Bildern, das auch ohne große Nahmen und teurer Inszenierung absolut fesselnd ausgefallen ist dank eindringlicher Darbietung der beiden männlichen Hauptdarsteller auch sehr empfehlenswert ausgefallen ist.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9007
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