project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Cesar (Luis Tosar) ist ein freundlich-distanzierter Hausmeister und Portier in einem Wohnhaus in Barcelona, in dem zahlreiche Wohnungen und Büros untergebracht sind. Er kümmert rührend um die kleinen Hunde einer betagten Mieterin, repariert kleinere Gebrechen, verteilt die Post, besucht seine Bett-lägrige Mutter im Pflegeheim und hält sich als „Gute Seele des Hauses“ doch immer so dezent im Hintergrund, wo er von vielen der Kommen- und Gehenden gar nicht einmal so richtig bemerkt wird.
Doch der ruhige Schein trügt und hinter der zurückhaltenden und ewig-freundlichen Fassade des Mannes steckt ein gefährlicher Soziopath, der jede Nacht mit Selbstmordgedanken spielt und so etwas wie Freude nur dann empfinden kann, wenn er anderen Menschen den Spaß am Leben vermiesen kann. Da er als Hausmeister Zutritt zu allen Wohnungen hat, ist das auch gar nicht so schwer mehr über das Leben seiner Mieter herauszufinden und diese so auch auf subtile Weise zu ärgern und ihnen den Alltag schwer zu machen.
Nur Clara (Marta Etura), eine junge und attraktive Mieterin aus dem fünften Stock ist mit ihrer unbändigen Lebensfreude ein besonders schwieriger Fall. Selbst als Cesár diese in der Nacht betäubt und sich zu ihr ins Bett legt, sie tagsüber mit Textnachrichten und gehässigen Briefen bombardiert, ihr Chemie in die Tagescreme mixt und in der ganzen Wohnung Kakerlaken verstreut, scheint das sonnige Gemüt keinen größeren Schaden zu tragen. Doch Cesár gibt nicht so einfach auf und während Clara einfach eine Pechsträhne vermutet, entwickelt einen subtilen Plan, der Claras Lebensfreude ein für allemal zerstören soll. ..
Während auf der restlichen Welt die Thriller immer schneller und die Horrorfilme immer härter werden, kommen aus Spanien die letzten Jahre überraschend viele Genre-Filme, die sich eher an den klassischen Beispielen von Horror und Suspense der Filmgeschichte orientieren. Filme wie die Haunted-House-Grusler „Das Waisenhaus“ und „Fragile“, der „Giallo-eske“ „Julias Eyes“ und „Uncertain Guest“, der ja ebenfalls dem Home-Invasion-Genre bereits neue Impulse verlieh, steht auch „Sleep Tight“ eher in der Tradition klassischer Thriller, die trotz ruhiger und langsamer Erzählweise und ohne plakative Effekte überraschend gut funktionieren.
„Sleep Tight“ von Regisseur Jaume Balagueró, der ja mit „The Nameless“ und „Darkness“, sowie den ersten beiden „Rec“-Teilen gemeinsam mit Kompagnon Paco Plaza bereits eine ganze Handvoll interessante Beiträge abgeliefert hat, ist ja ein hochgradig beunruhigender Film, der seine Spannungsschraube langsam anzieht, und auch eher langsam das Bild eines grausamen und psychopathischen Mannes offenbart, der sich nichts weniger zum Ziel gemacht hat, anderen Menschen die Lebensfreude zu nehmen und auf subtile Weise in deren Leben einzudringen und diese „Macht“ auf entsprechend auszunutzen.
Sogenannte Home-Invasion-Thriller boomen ja ohnehin in letzter Zeit und Filmemacher aus aller Welt machen sich gütig daran, das traute Eigenheim oder Wohnung als letzte Bastion der Sicherheit im Bewusstsein der Zuseher auch ordentlich zu sabotieren. Egal ob materielle Gründe „Kidnapped“, ausgenutzte Hilfsbereitschaft „Home Invasion – Der Feind in meinem Haus“ oder pure Boshaftigkeit und Gewaltbereitschaft wie bei „Them“ oder „The Strangers“ – das eigene Haus oder Wohnung scheint jedenfalls schon lange nicht mehr der Ort zu sein, an dem man sich sicher fühlen darf.
Im Falle von „Sleep Tight“ hat das Grauen aber sogar noch ein freundliches und zurückhaltendes Gesicht und nahezu keiner der Mieter kennt das zweite Gesicht des Hausmeisters Cesar, der dank Zweitschlüssen in fremde Wohnungen eindringt, um das Leben der Mieter gezielt zu sabotieren oder gleich noch schrecklichere Dinge tut. Dass er es dabei sogar noch gezielt auf freundliche und lebensfrohe Menschen abgesehen hat, macht sein Handeln sogar noch schlimmer und löst beim Zuschauer je mehr sich sein Plan offenbart, auch dementsprechendes Entsetzen aus.
Das der 2011 entstandene „Mientras duermes“ sogar ein deutschsprachiger Kinostart vergönnt war, ist angesichts der Lobeshymnen die den Streifen schon damals begleiten auch kein Wunder und Balaguerós Streifen ist nicht nur die originell und bitterböse, sondern auch ein Paradebeispiel, wie man mit wenigen Mitteln und auch ohne zweistelligen Bodycount Hochspannung erzeugen kann und den Zuschauer nebenher auch noch geschickt manipulieren kann. Denn wenn in der spannendsten Szene des Streifens auf einmal Gefahr besteht, dass das Treiben des Psychopathen aufgedeckt wird, ertappt man sich auf einmal dabei, dass man zu dem Falschen hält.
Doch auch wenn „Sleep Tight“ zu den besseren Streifen der letzten Zeit zählt, so muss man doch auch anmerken, dass der Streifen nicht gänzlich geglückt ist und auch das Drehbuch neben der grandiosen Ausgangsidee doch ein paar Schwächen besitzt. So werden zwar neben der eigentlichen Geschichte auch noch andere Handlungsstränge aufgegriffen, die dann jedoch gegen Ende eher fallengelassen und nicht weiter verfolgt werden. Das bewusst sehr langsam gewählte Erzähltempo wird wohl auch nicht allen Zusehern gefallen, während klassische Thriller-Fans hingegen voll auf ihre Kosten kommen.
Getragen wird die ganze Sache dann auch von den Leistungen von Luis Tosar, der auch zu den vielbeschäftigten Darstellern Spanien zählt und mit „Allein unter Nachbarn“, „Cargo“ und „Wenn die Glocke 13 schlägt“ auch schon einschlägige Erfahrung sammeln konnte. In „Sleep Tight“ dreht er aber so richtig auch und verleiht dem Grauen auch ein entsprechend eindrucksvolles und diabolisches Gesicht. Marta Eturas übernimmt den nicht minder beeindruckenden Gegenpart der lebensfrohen Clara, deren Rolle jedoch erst in der zweiten Hälfte so richtig in die Gänge kommt.
Auch die Blu-Ray aus dem Hause Senator ist wie üblich sehr gelungen und bringt den ungewöhnlichen Thriller in guter Bild- und Tonqualität. Neben der deutschen Synchro gibt es auch die spanisch Originalfassung samt optionaler Untertitel und im Bonusbereich wartet neben entfallenen Szenen auch noch ein “Making-Of“- und eine längere Dokumentation namens „Cesars Welt“, in der unter anderen erwähnt wird, dass die Geschichte ursprünglich in New York hätte spielen sollen und erst danach auf den Handlungsort Barcelona umgeschrieben wurde. Ein zeitnahes Ami-Remake wird wohl auch aufgrund dessen nicht lange auf sich warten lassen.
Unterm Strich ist „Sleep Tight“ nicht nur ein origineller und unvorhersehbarer Thriller aus meinem erklärten Lieblings-Filmland Spanien, sondern ein bitterböser Streifen über einen sadistischen Psychopathen, der sich lebensfrohe Menschen als Feindbild ausgesucht hat. Auch wenn der Streifen am Anfang noch so manch schwarzhumorige Momente besitzt, so wendet sich das Blatt in der zweiten Hälfte und statt Schauer regiert dann zunehmend blankes Entsetzten. Getragen wird der Streifen neben seiner solider Inszenierung mit Gespür für Suspense dann auch vor allem von einem eindrucksvollen Hauptdarsteller, der mit seinem Schauspiel wohl so manchen Zuseher die Nachtruhe nachhaltig verderben wird. Tipp!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=9009
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ich hab mir zwar irgendwie mehr Thrill und weniger Psycho erwartet, aber "Sleep Tight" ist trotzdem ein ganz toller Film. Wie hat er euch gefallen?
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jogiwan schrieb:
ich hab mir zwar irgendwie mehr Thrill und weniger Psycho erwartet, aber "Sleep Tight" ist trotzdem ein ganz toller Film. Wie hat er euch gefallen?
Also ich habe ihn bislang noch nicht gesehen, hatte damals aus Zeitgründen nicht geklappt, aber Andrea gefiel er recht gut, wenn ich mich recht erinnere . Werde aber meine Sichtung schnellstens nachholen.
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