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Die schüchterne Izumi (Megumi Kagurazaka) ist mit dem erfolgreichen Schriftsteller Yukio (Kanji Tsuda) verheiratet, der durch seine schwülstigen und sexuellen Liebesromane einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Im Gegensatz zu dessen Werken ist jedoch im ehelichen Bett herzlich wenig los und während die junge Frau den Großteil ihres Tages alleine in der ordentlich herausgeputzten Wohnung verbringt, ist sie in der spärlichen und gemeinsamen Zeit damit beschäftigt, ihren pedantischen Gatten alles Recht zu machen.

Als Izumi zunehmend unglücklich wird, willigt Yukio ein, dass die introvertierte Frau einen Tagesjob in einem Supermarkt annehmen darf. Dort erhält sie von einer Agentin die Einladung zu einem Fotoshooting, welches sie nach einigem Zögern annimmt. Das Shooting entpuppt sich jedoch als Pornodreh und obwohl sie zuerst widerwillig zu diesem gedrängt wird, blüht die junge Frau schon wenig später vollkommen auf und erlangt ein bislang unbekanntes Selbstwertgefühl, dass sie dazu nutzt, weitere Männerbekanntschaften zu machen.

Diese bleiben auch nicht aus und als Izumi auf offener Straße von einem Verehrer angesprochen wird, überredet der die Frau mit ihm in ein Stundenhotel in das Rotlicht-Viertel Shibuyo zu kommen um dort ein paar Stunden der Lust zu verbringen. Dieser entpuppt sich jedoch wenig später als Zuhälter und verpasst Izumi einen gehörigen Schrecken, in dem er die junge Frau gewaltsam in dem Zimmer festhält und droht, ihren ahnungslosen Mann von ihrem Treiben zu erzählen. Als sie entkommen kann, trifft sie auf die extrovertierte Mitsuko (Makoto Togashi), die ihre Wandlung zum männerverschlingenden Vamp bereits vollzogen hat.

Einige Tage später wird in einem abbruchreifen Haus in dem Rotlicht-Viertel Shibuya der grausam zerstückelte und bereits leicht verweste Leichnam gefunden, bei der Kopf, Hände und Geschlechtsteile abgetrennt wurden. Kommissarin Yoshida (Satoshi Nikaido), die ebenfalls ein sexuelles Doppelleben führt, und ihr Kollege werden mit dem Fall betraut und während das Opfer rasch aus dem Prostituierten-Milieu vermutet wird, rollen beide den Fall auf, der auch immer mysteriöser erscheint…

Regisseur Shion Sono zählt ja neben Kiyoshi Kurosawa nicht nur zu den vielseitigsten Filmemachern aus Japan, sondern hat auf einen konstant hohen Level agierend, auf herkömmliche Sehgewohnheiten und Zuschauererwartungen noch nie sonderlich Rücksicht genommen. „Guilty of Romance“, der dritte und abschließende Teil seiner selbstbetitelten „Hass-Trilogie“ macht nach der 237minütigen Tour-de-Force namens „Love Exposure“ und dem splättrigen und ebenfalls überlangen Thriller-Drama „Cold Fish“ da ja keine Ausnahme und nimmt den Zuschauer neuerlich auf eine wilde und farbenfrohe Berg- und Talfahrt durch alle Emotionen und Genres mit.

Wie schon in den beiden Vorgängerfilmen zuvor geht es auch in dem freizügigen Teil 3 im Grunde um bekannte Themen wie Liebe, Hass, aufgestaute Aggression und Selbstfindung,  die im Gegensatz zu „Cold Fish“ dieses Mal aber nicht nur im fröhlichen Morden, sondern in scheinbar zahllosen Sexualakten gipfeln. Nicht umsonst spielt der Großteil der Handlung auch in einschlägigen Vierteln und sogenannten „Love-Hotels“, in denen ansonsten bieder lebenden Japanern und –innen anonym ihre sexuellen Leidenschaften ausleben können.

„Guilty of Romance“ portraitiert dabei drei eigentlich sehr unterschiedlichen Frauen, deren Gemeinsamkeit jedoch darin besteht, dass sie mit ihrem bisherigen Leben unzufrieden sind und Abwechslung und Befreiung in zahlreichen Männerbekanntschaften suchen. Von Romantik ist trotz Titel jedoch keine Spur und Sion Sono lässt seine Darstellerinnen auch eher wie Getriebene wirken, die auf der Suche nach dem Kick auch die Selbstzerstörung bewusst in Kauf nehmen, nur um den tristen Alltag zu entgehen, der in den jeweiligen Fällen als noch schlechtere Alternative gesehen wird.

So schreibt die schüchterne Izumi in verzweifelt in ihr Tagebuch, dass sie bis 30 noch etwas erleben möchte und wird wenig später in einer Strudel aus Sex und Gewalt verstrickt, in dem auch die undurchsichtige und zügellose Mitsuko die Fäden in der Hand zu halten scheint. Der Film wandelt sich vom Ehedrama zur freizügigen Psychostudie, ehe er in einem handfesten Psychothriller gipfelt, bei dem man nie genau weiß, wer das Opfer und wer der Täter ist. Der Streifen erinnert inhaltlich und optisch dann auch etwas mehr an die Eskapaden von „Strange Circus“ als an seine beiden direkten Vorgänger.

Eingefangen ist unvorhersehbare und ungewöhnliche Geschichte nämlich in farbenfrohe Bilder, die den Italo-Fan natürlich sogleich an Mario Bava oder auch Dario Argento in ihrer kreativsten Schaffensphase erinnern. Mit zunehmender Laufzeit entwickeln die Bilder mit ihren teils fluoreszierenden Farben einen ganz eigenen und artifiziellen Charakter, die den Zuschauer in einer Schlüsselszene dann auch förmlich erschlagen. Sonos Bilderwelten sind auch wirklich eine Wucht und sorgen mit dem orchestralen Soundtrack dazu bei, dass die knapp 148 Minuten Laufzeit wie im Fluge vergehen.

Darstellerisch gibt sich der Streifen wie die Hauptdarstellerinnen keine Blöße und präsentiert seine Hauptdarstellerinnen frei von etwaigen Hemmungen.  Megumi Kagurazaka überzeugt als schüchterne Izumi, die bald nicht mehr weiß wie ihr geschieht und auch Makoto Togashi als Mitsuki so derart fernab von Gut und Böse, dass es eine wahre Freude ist, ihr dabei zuzusehen. Schade nur, dass der Charakter von Yoshida im Vergleich dazu etwas auf der Strecke bleibt und ihre Figur erst gegen Ende mehr Platz eingeräumt wird.

Auch die Blu-Ray aus dem Hause Rapid Eye Movie überzeugt auf der ganzen Linie und bringt den sexuell-aufgeladenen Farbenrausch auch in seiner ganzen Pracht auf den Bildschirm. Im Gegensatz zu seinen in Punkto Laufzeit und Inhalt eher unkommerziellen Vorgängern hat man „Koi no tsumi“ sogar eine deutsche Synchro verpasst, die ebenfalls sehr gelungen ist und natürlich ist auch die japanische Originalfassung samt optionaler Untertitel dabei. Abgerundet wird das positive Gesamtbild dann noch mit einem längeren Making-Of, in dem auch die Shion Sono und seine Darsteller ausführlich zu Wort kommen, sowie dem Trailer und einem Booklet.

Unterm Strich bleibt – wie nicht anders erwartet – ein abermals sensationeller Film von Shion Sono und ein würdiger Abschluss für seine Trilogie, der den Zuschauer mit grellen, sexuellen und schwarzhumorigen Inhalten konfrontiert und bis zum Ende auch stetig Steigerungen bereithält, auch wenn man das nach einen Drittel der Laufzeit gar nicht mehr für möglich hält. „Guilty of Romance“ ist dann wohl auch zweifelsfrei der bisherige Höhepunkt im Schaffen des umtriebigen Shion Sono. Scheinbar mühelos werden Drama, Thriller und Satire stimmig vereint und die ganze Sause könnte man ja schon fast als überraschend zugänglich bezeichnen, wäre sie nicht gleichzeitig wieder so derart neben der Spur.