project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Zu einer Zeit, in der die meisten von uns in ihrer Familie umsorgt aufwachsen, erlebt der junge Billy (Luke Jordan) die Hölle auf Erden. Von der eigenen Mutter (Julie Riley) gedemütigt und vom Stiefvater (Mark Moraghan) geschlagen, lebt der aufgeweckte Junge die meiste Zeit eingesperrt in seinem Zimmer, oder dient als Sündenbock für das verpfuschte Leben seiner Erzeuger. Immer wieder wird Billy auch das Ziel von brutalen Attacken und wird vor den Augen seiner Geschwister zu grausigen Taten gezwungen.
Jahre später hat Billy (Jim Alexander) seine eigene, kleine Familie, doch das Trauma seiner verpfuschten Kindheit schwebt noch immer wie eine dunkle Wolke über dem Leben des jungen Mannes. Als eines Tages ein Telefongespräch mit den Eltern wieder in Beschimpfungen endet, nimmt Billy seinen ganzen Mut zusammen und entschließt sich gegen dem Rat seiner Frau Denise (Diana Tonroe), zur Polizei zu gehen um seine traurige Geschichte zu erzählen und Anzeige zu erstatten.
Der Polizist Robert (Anthony Watson) nimmt seine Aussage auf und beginnt zu ermitteln und trifft dabei auch auf Billys Schwester Jacky, die zwar die Angaben bestätigt, aber trotzdem eine weitere Aussage gegen ihre Eltern verweigern möchte. Auch die restlichen Geschwister scheinen entweder mit dem unrühmlichen Kapitel abgeschlossen zu haben oder die Quälereien gar nicht mitbekommen zu haben. Als die Eltern wenig später festgenommen werden, zeigen diese auch keine Reue sondern bezichtigen Billy der Lüge.
Als die ganze Sache wenig später vor einem Geschworenengericht behandelt wird, bleiben die Eltern und ihre Verteidiger auch bei ihrer Version der Geschichte, dass es sich bei Billy um einen rachsüchtigen Menschen mit zu viel Fantasie handelt und auch die Geschwister scheinen diese Version zu unterstützen. Die Anklage und Billy gehen jedoch ebenfalls in die Offensive und enthüllen immer weitere Details aus dem Leben der Familie, die teils so übertrieben klingen, dass selbst die Geschworenen nicht mehr wissen, wem sie glauben sollen…
Liest man über Gewalt von Eltern gegenüber ihren Kindern in den Zeitungen, neigen die Menschen oftmals dazu, nicht nur die Eltern, sondern auch das Umfeld wie Nachbarn, Schule, Fürsorge und Ärzte zu verurteilen, die diese Taten ihrer Meinung nach frühzeitig erkennen und natürlich verhindern hätten müssen. Doch dieses zu beurteilen ist natürlich schwierig und in Zeiten wie diesen, in denen Egoismus zunehmend groß- und Zivilcourage klein geschrieben wird, ist es für gewaltbereite Subjekte oftmals einfach, Schwächere über einen längeren Zeitraum zu quälen, ohne dass dieses Verhalten entsprechende Konsequenzen hat.
Filme über diese sensible Thematik polarisieren wohl genauso und da ist auch der 2008 entstandene, englische TV-Produktion „Stepdad“ keine Ausnahme und behandelt eine verpfuschte Kindheit, die zwanzig Jahre später zwecks später Gerechtigkeit vor Gericht aufgearbeitet wird. Doch wo in anderen Filmen versucht wird, das Ganze feinfühlig und halbwegs unparteiisch zu zeigen und im Grunde auch so etwas wie eine Antwortmöglichkeit zu bieten, warum Gewalt im familiären Umfeld entsteht, verzichtet Regisseur Mark Moraghan größtenteils darauf und präsentiert eine seltsam-anmutende Assi-Freakshow aus unteren Gesellschaftsschichten, die einem die Nackenhaare zu Berge stehen lassen.
Leider jedoch nicht, weil die Geschichte so packend, spannend und tragisch inszeniert wurde und einem das Schicksal des jungen Billy recht nahe geht, sondern eher, weil der Streifen größtenteils überhaupt nicht funktioniert und außer Befremden und Ärger zumindest bei mir recht wenig Emotionen ausgelöst hat. Was uns Regisseur und Stiefvater-Darsteller Mark Moraghan mit seinem Werk, das natürlich wie üblich auf realen Begebenheiten basiert, mitteilen möchte ist ja definitiv nicht bei mir angekommen und die verhaltenen und wenigen Stimmen im Netz zeigen, dass dieses wohl nicht nur bei mir der Fall ist.
Statt eine dysfunktionale Familie zu portraitieren, verlegt sich Moraghan auch eher darauf, die Eltern als totale Psychopathen zu präsentieren, die sichtlich Spaß daran haben, ihre Kinder und das nähere Umfeld zu terrorisieren. Statt der Geschichte auch nur halbwegs einen nachvollziehbaren Spannungsbogen zu verpassen, wird der Zuschauer auch gleich einmal mit der wildesten Episoden aus dem Leben eines zwölfjährigen Jungen konfrontiert, der zwanzig Jahre später Antworten auf seine Fragen haben möchte. Sämtliche der gezeigten Personen vom psychopathischen Bruder bis zur naiven Großmutter wirken in der etwas seltsamen Erzählweise aber so hoffnungslos überzeichnet und gleichzeitig vorgeführt, sodass dabei kaum so etwas wie Mitgefühl entstehen kann.
Der ganze Film hat mich inhaltlich und inszenatorisch ja auch eher unangenehm an sogenannte „Scripted Reality“-Sendungen aus dem Nachmittagsprogramm der Privaten erinnert, die ebenfalls sehr überzeichnet, oftmals sehr einfache Geschichten erzählen und dabei auch stets übertriebene Handlungen präsentieren, bei denen Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit auf der Strecke bleibt. Die Story über einen Jungen der geschlagen, gequält und gedemütigt wird, ist sicherlich von Haus aus nicht angenehm, aber was hier an unsympathischen Charakteren, derber Wortwahl und Entwicklungen auf den Zuschauer losgelassen wird, spottet wirklich jeglicher Beschreibung.
Die krawalligen Episoden aus dem Leben des Jungen haben wohl auch nur den Zweck die Eltern als gewaltbereite Psychopathen zu präsentieren, die scheinbar auch keine Gelegenheit auslassen um Billy zu quälen. Der Film soll dann wohl auch zornig machen, den Zuschauer wachrütteln und auf die Schlechtigkeit der Welt und gewisser Menschen hinweisen und vergisst bei seinem Panoptikum der Abscheulichkeiten aber gänzlich darauf, auch andere Aspekte im Familienleben zu zeigen, die verständlich machen, warum die Kinder das Leid dennoch bis zur Volljährigkeit ertragen haben und auch danach noch immer in irgendeiner Form den Kontakt zum Elternhaus suchen.
Bei „Stepdad“ weiß man dann auch gar nicht, mit welchen Kritikpunkten man zuerst anfangen soll. Die episodenhafte Erzählweise ist schleppend, holprig und langatmig inszeniert, eine tiefergehende Charakterisierung von Täter und Opfer schlichtweg nicht existent und auch die Entwicklungen inklusive Festnahme, Gerichtsvorhandlung, sowie das Verhalten der Geschwister und des näheren Umfelds der Familie sind ebenfalls sehr unglaubwürdig ausgefallen. Die Geschichte ist mau, die schauspielerischen Leistungen ebenfalls, etwaige Zuschauererwartungen werden auch noch torpediert und das ähm... überraschende Ende ist ebenfalls mehr als unbefriedigend ausgefallen.
Im Vergleich zu den bisherigen Beiträgen aus der „Coming-of-Age“-Schiene des sympathischen Berliner Labels CMV-Laservision stinkt das englische Drama „Stepdad“ dann auch gewaltig ab und erschütternd ist bestenfalls die Erkenntnis, dass man selbst einen Film mit derart sensibler Thematik hoffnungslos an die Wand karren kann. Im Gegensatz zum Film ist aber wenigstens die Bildqualität halbwegs okay ausgefallen und eine deutsche Synchro hat man dem Werk seltsamerweise auch noch spendiert. Abgerundet wird das eher negative Gesamtbild dann noch mit einer Handvoll Trailer und einer Bildergalerie.
Unterm Strich bleibt ein wenig subitles Drama über einen misshandelten Jungen und eine schrecklich unsympathische Familie, das dem Zuschauer eine simpel gestrickte Geschichte präsentiert, bei denen die guten und die sehr bösen Rollen auch mehr als eindeutig verteilt sind. Statt einem packenden Drama der leisen Zwischentöne werden Holzhammer und Fäkalsprache ausgepackt, die handelnden Personen vorgeführt, das Opfer verhöhnt und Zuschauer mit entbehrlichen Episoden aus dem Leben einer englischen Flodder-Familie konfrontiert, die man in der Form dann eigentlich auch gar nicht sehen möchte und der einen schlussendlich auch mehr als ratlos zurücklässt.
Beitrag geändert von jogiwan (16.November 2012 09:21:07)
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=8913
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