project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
Sie sind nicht angemeldet.
Nach vielen, vielen Ehejahren hängt der Haussegen bei dem Brückenbauer und selbsterklärten Macho Nick (James Gandolfini) und seiner Frau, der fleißigen Näherin Kitty (Susan Sarandon) etwas schief. Als Kitty eines Tages auch noch durch Zufall erfährt, dass ihr Mann eine Affäre mit der heißblütigen Dessous-Verkäuferin Tula (Kate Winselt) hat, kommt es zu einem riesigen Streit, in dem auch seine rebellischen Töchter Constance (Mary-Louise Parker) und Baby (Mandy Moore), sowie „Ziehtochter“ Rosebud (Aida Turturro) Partei für ihre Mutter ergreifen, die sich weigert, weiterhin mit ihrem Mann zu sprechen.
Doch das ist erst der Beginn zahlreicher Probleme im Leben des einfachen Mannes, der lediglich mit seinem Kollegen Angelo (Steve Buscemi) darüber sprechen kann. Er fasst den Plan, sich aus Liebe zu Tula beschneiden zu lassen und hängt doch immer noch an seiner Frau, die ihrerseits versucht zu verstehen, was ihren Mann geradewegs in die Arme einer anderen getrieben hat. Gemeinsam mit ihrem seltsamen Cousin Bo (Christopher Walken) versucht sie die Nebenbuhlerin ausfindig zu machen und stellt diese anschließend zur Rede, was geradewegs in einem Handgemenge endet.
Als die jüngste Tochter Baby auch noch beschließt, sich mit dem selbsterklärten Künstler Fryburg aus der Nachbarschaft zu verloben, wird dieses von Kitty energisch verboten. Baby versucht daraufhin von Nick das Einverständnis zu bekommen, der so neuerlich zwischen die Fronten gerät. Obwohl Nick auch Reue zeigt und sich von Tula trennt, bleibt Kitty hart und die beiden leben weiterhin Seite an Seite, ohne viele Worte zu wechseln. Als es eines Tages jedoch zu einem Streit zwischen Kitty und ihrem Nachbarn kommt und Nick beherzt eingreift, scheint sich die Situation zwischen den beiden Eheleuten zu entspannen. Nick versucht daraufhin ein besserer Mensch zu sein, als eine tragische Diagnose das Leben der Beiden neuerlich aus den Fugen geraten lässt…
„Musicals“ sind eine in New York entstandene Form des Musik-Theaters, welches Elemente von Komödie bis Drama mit oftmals sehr eingängiger Musik verbindet und dabei auch auf Elemente wie Tanz zu einer homogenen Einheit verschmelzen lässt. Von den Theaterbühnen eroberten diese schon bald die großen Leinwände und eine Vielzahl der kommerziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten von „Der Zauberer von Oz“ über „The Sound of Music“ bis hin zu „Mama Mia!“ sind diesem Genre zuzuordnen. Was bei der breiten Maße gut ankommt, wird aber oftmals angefeindet und so steht auch das ganze Genre im Verdacht, mit naiver Realitätsverweigerung, hübschen Darstellern, bunter Optik und schnulzigen Songs und großen Gefühlen dem Zuschauer märchenhafte Entwicklungen vorzugaukeln, die mit der Realität aber herzlich wenig zu tun haben.
Das es auch etwas anders geht, wollte neben Lars von Trier und den Machern von „South Park“ wohl auch Regisseur und Darsteller John Torturro beweisen, der mit seinem 2005 entstandenen „Romance & Cigarettes“ eine Art Anti-Musical entworfen hat, das so gar nicht in die Schublade der üblichen Genre-Vertreter passt. Auf den ersten Blick wirkt der Streifen auch, als hätte John Waters kurzerhand „Grease“ im Umfeld eines einfachen New Yorker Arbeitermilieus neu inszeniert und bietet einen Geschlechterkampf mit schmissigen Oldies, das manchmal humorvoll und überdreht und dann wieder überraschend ernst und traurig daherkommt.
Liest man die Inhaltsangabe des Streifens klingt auch alles erstmals sehr vielversprechend und auch der Blick auf die Darsteller-Riege mit Darstellern wie James Gandolfini, Susan Sarandon, Kate Winselt, Steve Buscemi und Christopher Walken verheißt eigentlich nur Gutes. Leider macht „Romance & Cigarettes“ bzw. Regisseur John Turturro dann jedoch irgendwie alles falsch und statt einer runden Geschichte bekommt der Zuschauer größtenteils unsympathisch-gezeichnete Figuren, eine episodenhafte Geschichte und zahlreiche Traumsequenzen, Gesangs- und Tanznummern präsentiert, die teils unbeholfen und unmotiviert in die spärliche Haupthandlung integriert wurden, dass selbst die gewohnt guten Darsteller nichts mehr retten können.
Wie schon Lars von Trier in „Dancer in the Dark“ und John Waters in „Polyester“ tauscht John Turturro die heile und glitzernde Muscial-Welt gegen ein einfaches Arbeitermilieu, in diesem Fall mit der des einfachen Brückenbauers Nick in New York, der mit seiner Frau und Kindern in ärmlichen Verhältnissen lebt und wie schon seine männlichen Vorfahren ein Interesse an Prostituierten hat. Um sich auch ja gleich von Beginn an vom Genre des Familienfilms abzugrenzen wird hier auch Dialog-technisch derb vom Leder gezogen und Themen wie Telefonsex, Beschneidung und Lungenkrebs sind für diese Art von Film doch etwas ungewöhnlich.
Dennoch ist die tragische Love-Story nur mäßig originell und nachdem der Überraschungseffekt des ungewöhnlichen Hauptdarstellers, der Gesangs- und Tanzeinlagen und derben Dialoge verpufft ist, tümpelt diese auch recht Humor- und Höhepunkts-los dahin. Die zweite Hälfte des Films ist generell sehr mau und das größte Problem des Streifens sind wohl seine Figuren, die mit Ausnahme von Nick zu keiner Sekunde liebenswert erscheinen und somit für den Zuschauer auch eher uninteressant bleiben. Die Einsicht und der Weg zurück zur Ehefrau sind nicht nur steinig, sondern auch sehr konstruiert, scheitern an der feindlichen Umgebung und auch das tragische Ende wirkt in diesem Zusammenhang auch gänzlich kontraproduktiv.
Eigentlich sehr verwunderlich, dass sich hier trotz der eigentlich guten Ausgangspositionen und einzelnen Bauteile so ein desaströses Gesamtbild ergibt, denn auch die Musikauswahl ist eigentlich gar nicht so schlecht. Mit seiner Mischung aus bekannten Oldies von Schmusesängern wie Engelbert und Tom Jones und Rock-Klassikern von Janis Joplin und James Brown sollte man sich auch hier auf der sicheren Seite befinden und dennoch fehlt auch hier irgendwie der Faden, der die Musik stimmig mit der Handlung verknüpft
Darstellerisch gäbe es ja eigentlich auch nichts zu meckern und das starke Ensemble kämpft auch mit großer Mühe gegen das schlechte Drehbuch und Halbplayback an. Da wird in Traumsequenzen getanzt und auch ansonsten voller Körpereinsatz gezeigt, aber außer einer beeindruckenden Kate Winslet, die sicherlich die besten und humorvollsten Momente des Streifens beisteuern darf, bleiben die restlichen Darsteller ebenfalls hinter den Erwartungen zurück. Vor allem Susan Sarandon, die ja doch einiges an Musical-Erfahrung mitbringt, fand ich überraschend blass und weit unter Wert verkauft.
Die Verpackung der Blu-Ray-Disc aus dem Hause Atlas Film / Koch Media bewirbt den Streifen dann auch als „wahnwitziges und kultverdächtiges Comedy-Musical“ und führt als Reverenz auch gleich die beiden Coen-Brüder als Produzenten auf, deren satirische Beobachtungsgabe Turturro zu keiner Zeit erreicht. Die Bildqualität ist sehr gut und auch die deutsche Synchronisation sehr gelungen, wobei die englisch (jedoch nicht spanisch) gesungenen Musiknummern untertitelt wurden. Das Bonusmaterial ist hingegen eher mager und bietet lediglich eine Handvoll Trailer.
Unterm Strich bleibt ein zwiespältiges Werk, das mich persönlich leider so gar nicht überzeugen konnte. Eine Art Anti-Musical mit recht lahmer Story, bei der sich uninspiriert-wirkende Gesangsnummern und Traumsequenzen abwechseln und der am Ende nur eingeschränkte Unterhaltungswerte bietet. John Turturro wollte mit seinem überzeichneten Figuren und Film wohl die eierlegende Wollmilchsau des Musikfilms schaffen und scheitert dabei scheinbar am eigenen Anspruch und den Schwächen seines Drehbuchs. Das Ergebnis ist im Falle von „Romance & Cigarettes“ dabei weniger als die Summer der einzelnen Teile und was sich in der Theorie vielleicht noch gut anhören mag, wird in der praktischen Umsetzung an die Wand gefahren. Zurück bleibt lediglich ein lahmer Streifen die Erkenntnis, dass Rauchen ungesund ist und ein guter Cast, eine tolle Ausgangsidee und eine Handvoll schmissiger Songs letztendlich keine Garantien für einen guten Film sind.
Offline
@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=8916
Offline