project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der mexikanische Schuljunge Antonio (Carlos C. Torres) ist ein großer Fan seines Vaters, der als sogenannter „Escargot Man“ und grüner Maske und Bierbauch sein Geld als in die Jahre gekommener Wrestler verdient. Im Vergleich zu seinen Kollegen wirkt der „Escargot Man“ auch etwas müde und Antonio ist deswegen in der Schule immer wieder kleinen Hänseleien seiner Mitschüler ausgesetzt, was den Jungen jedoch nicht davon abhält, mit seinem Opa und seiner Schwester Karen einen wichtigen Kampf zu besuchen, in dem sein Vater mit einem Partner gegen die selbsterklärten „Grobiane des Nordens“ antreten soll.
Am anderen Ende der Welt erwacht ein namenloser Mann (Hitoshi Matsumoto) im grellbunten Pyjama in einem großen, weißen Raum, an dessen Wände und Boden sich kleine Engels-Penisse befinden. Ohne Erinnerung an den Grund, warum er in diesem Raum gefangen zu sein scheint, beginnt der Mann mit zahlreichen Versuchen, seinem seltsamen Gefängnis zu entkommen, als er bemerkt, dass jedes Mal, wenn er auf einen der unzähligen und immer gleich aussehenden Penisse drückt, ein handelsüblicher Gebrauchsgegenstand in den Raum erscheint oder für kurze Zeit sichtbar wird.
Zuerst ist es eine Zahnbürste, danach folgt ein Megaphon, ein Bonsai sowie eine große Vase und mit jedem weiteren Versuch fällt ein weiterer Gegenstand oder Lebensmittel in den Raum. Als sich wenig später jedoch auch kurz ein kleiner Schacht mit einer Türe öffnet, beschließt der Mann mit einer Vielzahl von kleinen Tricks aus seinem Gefängnis zu entfliehen, was sich in der Praxis jedoch als durchaus tückisch erweist. Und während die Flucht zu gelingen scheint, bahnt sich auch in Mexiko im Wrestling-Kampf eine unerwartete Wendung an…
Episodenhafte Geschichten mit geografisch unterschiedlichen Schauplätzen die auf den ersten Blick miteinander nichts zu tun haben und am Ende doch irgendwie zusammenlaufen kennt man ja ansonsten eher von Regisseur Alejandro González Inárritu („Babel“). In dem sehr schrägen Werk „Symbol“ des japanischen Komödianten und Regisseurs Hitoshi Matsumoto, der ja auch schon die Superhelden-Mockumentary „Der große Japaner – Dainipponjin“ zu verantworten hatte, sind es aber ebenfalls zwei höchst unterschiedliche Schauplätze, die der Zuschauer vor die Linse bekommt und zuerst doch einmal ziemlich ratlos zurück lassen.
Einerseits gibt es die durchaus bodenständige und in erdigen Farben eingefangene Geschichte eines mexikanischen Wrestlers, während uns Matsumoto in einem zweiten Handlungsstrang eine völlig konträre Geschichte eines Mannes präsentiert, der in einem auf Hochglanz gestylten und Raum erwacht, an dem sich kleine Engels-Penisse befinden. Und auch wenn man sich über einen Großteil der Laufzeit kaum vorstellen kann, was die beiden Geschichten miteinander zu tun haben könnten, kratzt Matsumoto letztendlich doch noch elegant die Kurve und schafft ein Finale, dass den Zuschauer nicht nur überrascht, sondern auch versöhnlich zurück lässt.
Angesichts der absolut irren Entwicklungen im Verlauf des 2009 entstandenen „Shinboru“ a.k.a. „Symbol“ fühlte ich mit ja stark an die Sichtung der grotesken Horror-Persiflage „Rubber“ des umtriebigen Quentin Dupieux aus dem Jahre 2010 erinnert. Denn auch Hitoshi Matsumoto ist wie sein französischer Regie-Kollege offensichtlich ein großer Scherzbold, der sichtlich großen Spaß daran hat, etwaige Zuschauererwartungen zu torpedieren und mitunter Unvereinbares miteinander kombiniert um diese dann gleich gar nicht zu erfüllen. Und dennoch muss man neidlos zugestehen, dass man nach knapp 90 Minuten überrascht, irgendwie verarscht und dennoch beeindruckt und berührt zurückgelassen wird.
„Symbol“ entzieht sich auch komplett irgendwelchen Kategorien und am Cover sind die Filme „Cube“, „Being John Malkovich“ und Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ als Referenz angeführt. Das passt irgendwie auch ganz gut und dennoch ist „Symbol“ ein doch sehr eigenständiges Werk, dass irgendwo an der bislang eher unbefleckten Schnittstelle zwischen überdrehter Komödie, Groteske, Sci-Fi, Arthouse, Wrestling und Dadaismus agiert und dank interessanter Bilder und dem augenzwinkernden Hauptdarsteller dabei zu keiner Sekunde langweilig ausgefallen ist.
Sicherlich mag der ein- oder andere Genre-Purist und miesepetrige Seele dennoch die Unvereinbarkeit der ganzen Sause bemängeln und auch das wagemutige Ende als zu konstruiert bezeichnen. Etwas guten Willen und Offenheit sollte man wohl aber generell mitbringen, bevor man sich an ein Werk des Regie-Exzentrikers wagt. Wer sich aber unvoreingenommen auf die Geschichte einlassen mag, bekommt mit „Symbol“ ein Werk präsentiert, dass man so sicher nicht alle Tage zu sehen bekommt, sämtliche Vorstellungen mühelos übertrifft und trotzdem etwas zu sagen hat.
Der im Jahre 1963 geborene Regisseur und Hauptdarsteller Hitoshi Matsumoto ist in Japan als Hälfte des Komiker-Duos „Downtown“, welches im Jahre 1982 gegründet wurde und heute als eines der einflussreichsten Komödianten und Satiriker des Landes gelten. Matsumoto ist in seinem Heimatland auch für seine vielfältigen Talente und Interessen bekannt und der sportliche Ex-Kettenraucher gilt als großer Bewunderer der Werke von Van Gogh und dem Leben von Anne Frank. „Symbol ist seine zweite Regie-Arbeit, für das er wie schon beim Erstling gemeinsam mit Mitsuyoshi Takasu auch das Drehbuch verfasste und im Gegensatz zu seinem etwas zwiespältigen Vorgänger auch von der Kritik sehr gut aufgenommen wurde.
Technisch gibt es an „Symbol“ nicht viel zu meckern und auch wenn die Darstellung des namenlosen „Gefangenen“ für westliche Verhältnisse zwar sicher etwas hysterisch wirkt, so ist das Drumherum sehr gut eingefangen. Die am Computer getricksten Bilder sind gelungen und auch der zweite Handlungsstrang in Mexiko überzeugt mit wunderbaren Bildern. Für die deutsche VÖ hat man dem japanisch/spanischen Film sogar eine durchgehende deutsche Synchro verpasst, die ebenfalls gelungen ist, auch wenn man sich „Symbol“ im Grunde natürlich im Original ansehen sollte.
Das ist mit der DVD aus dem Hause „Rapid Eye Movies“ auch kein Problem, die natürlich beide Sprachfassungen an Bord hat. Bildtechnisch gibt es ebenfalls nichts zu meckern und absolut auf der Höhe der Zeit. Leider hat es als Bonus jedoch nur der Trailer auf die Scheibe geschafft, was etwas schade ist, da ein paar Meinungen der Beteiligten zum Film wohl sicher sehr interessant gewesen. Die FSK war wohl ebenfalls etwas ratlos und hat dem Film mit einer Freigabe „ab 6 Jahren“ bedacht, was jedoch mindestens so seltsam wie der Streifen selbst ist. Denn trotz dieser Freigabe und der teils Klamauk-haften Darstellung und kindlichen Protagonisten in der Zweit-Geschichte ist „Symbol“ doch alles andere als ein Film für ein zu junges Publikum.
Unterm Strich bleibt ein obskurer wie unterhaltsamer Genre-Zwitter, der aufgeschlossene Zuschauern und der Asia-Fraktion sicherlich gefallen wird. Matsumotos zweites Regie-Werk ist unberechenbar und überrascht durch seine ungewöhnliche Geschichte und seltsamen Entwicklungen, die den Unterhaltungsfaktor trotzdem nie aus dem Auge verliert und am Ende gar in philosophische Sphären abdriftet. Ich war nach meiner Sichtung nach anfänglicher Skepsis doch geplättet und auch wenn „Symbol“ sicherlich nicht an jedem Tag geeignet ist, so kann er als kleines und ungewöhnliches Highlight für Zwischendurch doch nur empfohlen werden. Prädikat: besonders gaga!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=8914
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