project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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In einer nicht näher bezeichneten Zukunft hat die Menschheit einen Weg gefunden, die instinktive Aggressivität des Menschen so zu kanalisieren, dass Kriege und Kriminalität überflüssig geworden sind. Wer seine aggressive Ader ausleben möchte, hat die Möglichkeit an der sogenannten „Großen Jagd“ teilzunehmen, die von staatlicher Seite überwacht die Möglichkeit bietet nicht nur an das große Geld zu kommen, sondern auch Ruhm und Reichtum zu erlangen. Zu diesem Zwecke müssen die Teilnehmer jeweils fünfmal der „Jäger“ und fünfmal das „Opfer“ sein und während der Jäger die Informationen über seine Beute erhält, muss das Opfer selbst herausfinden, wer ihm nach dem Leben trachtet.
Die Amerikanerin Caroline (Ursula Andress) ist auf dem besten Weg in den Olymp der Gewinner aufzusteigen und erhält nachdem sie als Opfer ihre neunte Aufgabe mit Bravour gemeistert hat, das lukrative Angebot einer Tee-Firma, ihr zehntes Opfer werbewirksam vor der Kamera zu ermorden. Dieses heißt Marcello (Marcello Mastroianni), lebt in Rom und hat als Frauenheld gerade mit seiner besitzergreifenden Geliebten Olga (Elsa Martinelli), sowie mit Unterhaltszahlungen und Annullierung seiner Ehe mit Lidia (Luce Bonifassy) zu kämpfen.
Während Marcello keine Ahnung hat, dass sich hinter seinem Jäger eine äußerst attraktive Blondine verbirgt, reist Caroline mit ihrer Truppe nach Rom und macht sich sogleich auf die Suche nach der idealen Kulisse für ihren werbewirksamen Auftritt. Auch das „Opfer“ Marcello ist rasch gefunden und Caroline versucht auf subtile Weise das Vertrauen des Womanizers zu erhalten, der jedoch skeptisch bleibt und vermutet, dass sich hinter der etwas aufdringlichen Amerikanerin seine Jägerin verbergen könnte. Immer wieder versucht Caroline den vielbeschäftigten Mann zu einem fingierten Interview über die italienischen Eigenheiten der männlichen Psyche zu bewegen.
Obwohl sich Marcello anfangs distanziert und auch desinteressiert zeigt, findet er bald Gefallen an der unterkühlten Blondine und beginnt diese an der Nase herumzuführen. Auch Caroline scheint sich zunehmend nicht nur geschäftlich für den Italiener zu interessieren und lernt durch Marcello einen unbekümmerten Lebensstil kennen, der ihr durch die Abgestumpftheit der Gesellschaft schon längt abhandengekommen ist. Beide beginnen ein emotionales Spiel mit dem Feuer, bei dem die Grenzen zwischen „Jäger“ und „Opfer“ schon bald verschwimmen und das Spiel letztendlich vor den Augen der Öffentlichkeit auch eine unerwartete Wendung nimmt…
Regisseur Elio Petri war Zeit seines Lebens wohl nicht nur ein sehr politischer Mensch, sondern auch ein kritischer Beobachter von gesellschaftlichen Entwicklungen und staatlichen Mächten und Institutionen, die sich in eigenen Moralvorstellungen bewegen. Seine interessanten Filme sind neben subtiler Kritik an fragwürdigen Tendenzen von Politik, Macht und Gesellschaft auch oftmals vollgepackt mit bitterem Zynismus und auch der 1965 entstanden Sci-Fi-Thriller „Das 10. Opfer“ bietet hier keine Ausnahme.
Basierend auf einer Kurzgeschichte von Robert Sheckley entwirft Petri die bizarre Zukunftsvision einer Gesellschaft, die mittels medial inszenierter Menschenhatz das zweifellos vorhandene Aggressionspotential der Menschheit in geordnete Bahnen lenkt. Diese „Große Jagd“ findet nicht nur von den Augen der Öffentlichkeit statt, sondern hat popkulturellen Wert, ist gesellschaftlich akzeptiert und die dabei verwendete Gewalt scheint im abgestumpften Alltag der weitgehend Empathie-losen Menschen auch niemanden sonderlich zu interessieren.
Schwerpunkt des Filmes liegt dann auch nicht die Action, wie man sie sich vielleicht anhand der Inhaltsangabe erwarten würde, sondern viel mehr auf den zwei sehr unterschiedlichen Menschen, die per Zufallsprinzip ausgelost und aufeinander gehetzt werden. Die unterkühlte Amerikanerin Caroline steht dabei wohl sinnbildlich für die amerikanische Leistungsgesellschaft und deren Zielstrebigkeit, während der smarte, emotionale teils auch etwas kindische Marcello im Sinne des „Dolce Vita“ das Leben in vollen Zügen auskostet und dabei ebenfalls aufgrund seiner materialistischen Umgebung an seine Grenzen stößt.
Der Streifen beginnt auch recht interessant und ist aufgrund des tollen Soundtracks und der wunderbaren Settings im Space-Age-Stil auch über die volle Laufzeit der absolute Augen- und Ohrenschmaus. Die Geschichte selbst verzettelt sich meines Erachtens aber ab und an etwas zu sehr in Nebensächlichkeiten und auch bei den kritischen Untertönen bleibt „Das 10. Opfer“ etwas hinter seinen eigentlichen Möglichkeiten zurück. Das zahme Ende des Streifens empfinde ich dann auch als etwas zu brav geraten und passt daher auch nicht so recht zum Rest des durchaus bissigen Streifens.
Technisch gibt es wie gesagt nichts zu meckern und jede Einstellung wirkt wie aus dem Katalog eines 60er-Jahre-Lifestyle-Magazins genommen. Auch darstellerisch ist der Streifen absolut gelungen und bietet eine zauberhafte Ursula Andress an der Seite von Marcello Mastroianni, der mit seinen blondierten Haaren hier optisch etwas aus dem üblichen Rahmen fällt. Auch die Nebenrollen sind mit Elsa Martinelli und Massimo Serato prominent besetzt und auch der jazzige Soundtrack Piero Piccioni inklusive dem von der italienischen Sängerin Mina intonierte „Spiral Waltz“ passen optimal zu den schönen Bildern des ästhetischen Werks.
Ebenfalls grandios ist zweifelsfrei auch wieder einmal die Veröffentlichung aus dem Hause Bildstörung, die den interessanten Streifen als Drop Out 16 im März 2012 in mehreren Varianten veröffentlicht haben. Neben der DVD und Blu-Ray, die schlicht und ergreifend großartige ausgefallen ist, gibt es ja auch noch eine limitierte VÖ, der auch noch eine Bonus-CD mit dem Original Soundtrack des Streifens beiliegt. Neben einer ausführlichen und interessanten Doku über das Leben und Schaffen von Marcello Mastroianni gibt es in allen Varianten auch noch den deutschen Vorspann, zwei Trailer und ein Booklet mit einem Text von Oliver Nöding zur gewohnt geschmackvollen Verpackung.
Unterm Strich bleibt ein optisch beeindruckender Streifen mit tollen Darstellern, auf den die zahlreichen Freunde des Italo-Kinos natürlich schon sehnlichst gewartet haben und die Hoffnung aufleben lässt, dass auch noch weitere Streifen des Regisseurs irgendwann auf Silberling das Licht der breiten Öffentlichkeit erblicken könnten. „Das 10. Opfer“ ist vielleicht inhaltlich nicht die erwartete Granate, aber in einem derartigen Fall stellt man gerne mal die grandiose Optik über den Inhalt und auch die wunderbare Qualität der Scheibe von Bildstörung, die berechtigterweise schon allerorts abgefeiert wird, sorgt ebenfalls für rundum strahlende Gesichter.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=8648
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