project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der 18jährige Robin (Olivier Guéritée) lebt etwas im Schatten seines älteren Bruders Jeremy (Arnaud Binard), der nach einem erfolgreichen Studium als Investmentbanker in Paris arbeitet und der ganze Stolz seines linksliberalen Vaters Guy (Bernard Le Coq) und seiner etwas zerstreuten Mutter Rosine (Charlotte de Turckheim) ist. Als Jeremy eines Sonntags kurz vor dem Ende eines Besuches, bei dem zuvor noch seine anstehende Beförderung gefeiert wurde, die Bemerkung fallen lässt, dass er mit einem Mann zusammenlebt, bricht für seine Eltern eine Welt zusammen.
Nach dem ersten Schock beginnt es in dem eigentlich toleranten Alt-68er Guy zu brodeln und während der nach Erziehungsfehlern in der Vergangenheit sucht, beginnt er auch zunehmend seine eigene Männlichkeit zu hinterfragen. Auch Rosine hinterfragt ihre eigenes Verhalten und versucht bei ihrem homosexuellen Kollegen Ivan (Franck de la Personne) Antworten zu finden, der von Rosines plötzlichen Interesse an seinem Lebensstil gar nicht begeistert ist und eher beleidigend auf das unsichere Verhalten seiner Kollegin reagiert.
Trotzdem reißen sich die Eltern am Riemen als Jeremy die beiden nach Paris einlädt, um endlich seinen Partner kennen zu lernen. Marc (Pierre Deny) entpuppt sich dann zwar als sympathisch und eloquent und auch der Besuch verläuft unspektakulär, aber dennoch lässt sich Guy danach zu einer hartherzigen Bemerkung hinreißen, die Rosine in ihren familiären Grundfesten erschüttern lässt. Diese beginnt dadurch nicht nur das eigentlich sehr distanzierte Verhältnis zu ihrem Sohn zu hinterfragen, sondern stellt schon wenig später ihre gesamte Beziehung in Frage.
Robin hingegen beobachtet eher amüsiert das hilflose Verhalten seiner Eltern und entdeckt das Interesse am Film. Er beginnt einen Job als Regie-Assistent und erhält kurze Zeit später das Angebot, dieses weiter zu verfolgen. Als er seinen Eltern offenbart, dass er dafür sein Studium schmeißen möchte, der Vater vollends in die Krise läuft und auch Rosine bei einem Ausflug mit ihrem Kollegen Ivan einen neuen Mann kennenlernt, steuert alles einer mittleren Katastrophe entgegen…
Unter Coming-Out versteht man den Prozess, sich selbst und seiner Umwelt einzugestehen, dass man von der herkömmlichen Hetero-Norm abweicht und sich lieber gleichgeschlechtlich orientiert. Das ist oft für den Betreffenden selbst nicht einfach und ein „Coming-Out“ vor der Familie ist schon freiwillig keine leichte Sache und unfreiwillig schon gar nicht. Wer also zu lange auf den richtigen Zeitpunkt wartet – den es wohlgemerkt ohnehin nicht gibt – macht sich also im Grunde selbst keinen großen Gefallen und einfacher wird die ganze Sache selbst mit zunehmendem Alter nicht.
Die französische TV-Produktion „Coming-Out mit Hindernissen“ aus dem Jahre 2006 beschreibt auf humorvolle und auch dramatische Weise die Auswirkungen eines derartigen Geständnisses auf eine gutbürgerliche und gutsituierten Familie, bei der die Nachricht über die Homosexualität des ansonsten sehr erfolgreichen Sohnes auch wie eine Bombe einschlägt. Das Leben aller Beteiligten und auch des Betroffenen wird durch einen Satz des Sohnes ordentlich aus der Bahn geworfen.
Vater und Mutter reagieren sehr irritiert und vor allem Guy, der sich in seinem Umfeld gern als lebenslustiger, genuss-orientierter und liberaler Macho positioniert, entpuppt sich als erzkonservativer Spießer, der mit der Nachricht so überhaupt nicht zu Rande kommt. Mutter Rosine hingegen bedauert eher die Tatsache, dass der Sohn sich über die Jahre unweigerlich von der Familie entfernt und weitab in Paris sein eigenes Leben mit seinem Freund aufgebaut hat.
Und so kommt es wie es kommen muss und schon bald steht die gesamte Familie Kopf und was als „Outing“ beginnt, endet fast mit der Trennung der Eltern, die sich über die Jahre in gewisser Form auseinandergelebt haben und das Geständnis zum Anlass nehmen, das eigene Leben zu überdenken. Das Ergebnis ist dabei wohl nicht wie erwartet und die eigene Existenz und Karriere entpuppt sich als weitgehend genormtes Leben, in dem das „Anderssein“ des Sohnes in Hinblick auf die heile Familienoptik vorerst keinen Platz findet.
Auch wenn der Streifen trotz seines ernsten Themas eher die humorvolle Schiene fährt, verfügt der Streifen genau über die richtige Portion Dramatik um nicht zu sehr in seichte Gefilde abzudriften. Die Mischung aus Humor und Tragik ist jedenfalls sehr gelungen, was vor allen an den zahlreichen Haupt- und Nebendarstellern liegt, die trotz teils rauer Schale über einen sympathischen Kern verfügen, der sich im Verlauf der Geschichte offenbart. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist die Tatsache, dass fast alle Klischeeklippen dezent umschifft werden und die Geschichte so auch sehr glaubwürdig ausgefallen ist.
Das Hauptaugenmerk von „Coming-Out mit Hindernissen“ liegt ja auch gar nicht – wie ansonsten üblich - auf der Sichtweise des schwulen Jeremy, der sich eher widerwillig zu diesem mutigen Schritt traut, sondern eher auf dessen Eltern und Bruder und deren Reaktion auf dieses teils unerwartete Outing. Somit ist die Geschichte auch aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel erzählt, was den 2006 entstandenen Streifen dann auch nicht nur für Filmfreunde der „Gay-Interest“-Kiste interessant macht.
Sonderlich viel hat sich über den französischen Film jedoch nicht herausfinden lassen. Offensichtlich handelt es sich um eine TV-Produktion, die jedoch auch vollkommen zu Recht mit Erfolg auf schwul/lesbischen Festivals gelaufen ist. Zwar sieht man „Coming-Out mit Hindernissen“ schon an, dass es sich um eine eher kleine Produktion handelt, die dann auch recht züchtig daherkommt, aber hier zählt auch eher der Inhalt und der ist zweifelsfrei sehr gut ausgefallen.
Auch die Darsteller sind gut gewählt und vor allem Charlotte de Turckheim als „Rosine“, die im Verlauf von der schusselig-apathischen Ehefrau-Maschine zur lebensfrohen Hochform aufläuft. Ebenfalls toll, wenn auch nicht ganz so sympathisch ist Bernard Le Coq als „Guy“ der ebenfalls sehr glaubwürdig agiert. Bei den Nebendarstellern sticht Chantal Ladesou als überdrehte Nicole und Franck de la Personne als „Yvan“ hervor, der hier die missmutige Tunte mimt.
Die DVD aus dem Hause CMV-Laservision bringt diese beschwingte Dramödie im französischen Original mit deutschen Untertiteln, was für diese Art von „Special-Interest“-Film auch in Ordnung geht. Die Bildqualität ist gut und auch am Ton gibt’s für einen fürs TV gedrehten Film nicht viel zu meckern. Daher gibt es auch wenig an Bonusmaterial und neben dem französischen Trailer, einer Bildergalerie, sowie einem Wendecover gibt es noch weitere Trailer aus dem interessanten Programm des Berliner Labels.
Unterm Strich bleibt eine humorvolle Mischung aus Outing-Komödie und Familien-Selbstfindungsdrama, die dann im Großen und Ganzen auch sehr gelungen ist. Sicherlich müssen im Vergleich zu größeren Produktionen in manchen Dingen Abstriche gemacht werden, aber die Geschichte ist unterhaltsam und glaubwürdig und auch die gut gelaunten Darsteller und die optimistische Botschaft über Unterschiede, die das Leben bereichern machen „Coming-Out mit Hindernissen“ sicherlich zu einem der sympathischsten Filme des Genres.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=8550
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