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Die 14jährige Arrietty ist ein Borger, ein kleines menschliches und dennoch menschenscheues Wesen, das mit ihrem Vater Pod und Mutter Homily unbemerkt in den Nischen und Ecken eines Hauses am Stadtrand lebt und sich für das tägliche Überleben Dinge von den eigentlichen Bewohnern borgt. Zu diesem Zwecke unternimmt Pod nächtliche Ausflüge im Haus und auch Arrietty steht kurz davor, ihren ersten Ausflug in die Welt der Menschen zu unternehmen. Doch das versteckte Leben als Borger ist gefährlich und aufgrund der Körpergröße kann schon eine Katze oder ein Vogel kann für die kleinen Wesen zur Bedrohung werden und der Kontakt zu Menschen ist daher streng verboten. Doch obwohl Arrietty zu den letzten Verbliebenen ihrer Art zählt, lässt sich das aufgeweckte Mädchen nicht davon abhalten, ausgiebige Streifzüge durch die Umgebung zu machen.
Bei einem ihrer Ausflüge wird das Mädchen jedoch von dem zwölfjährigen Sho entdeckt, der sich im Haus seiner Großmutter vor den anstehenden Strapazen einer Herzoperation erholen soll. Diese erzählt dem Jungen auch die Geschichte von den kleinen Menschen, über die sich zahlreiche Gerüchte ranken, aber die auch noch nie jemand tatsächlich zu Gesicht bekommen hat. Schon der Urgroßvater hatte von den Wesen gehört und ihnen sogar ein eigenes Häuschen entworfen, doch niemals das Glück gehabt, die „Borger“ zu sehen. Trotzdem reagiert Sho auch eher gelassen und neugierig, als er Arrietty bei ihrem ersten nächtlichen Streifzug dabei beobachtet, wie diese mit ihrem Vater gemeinsam ein Taschentuch borgen möchte und ein bereits erbeutetes Stück Würfelzucker verliert und legt ihr das verlorene Gut am nächsten Tag auf das Kellerfenster.
Nachdem Arrietty aber von einem Menschen gesehen worden ist, verlangt es das ungeschriebene Gesetz der Borger, dass sich die Familie eine neue Bleibe sucht. Der einsame Sho versucht jedoch weiter mit dem Mädchen in Kontakt zu kommen und hinterlässt für Arrietty Botschaften und kleine Geschenke. Diese ist ihrerseits von den ruhigen Jungen fasziniert und sucht ebenfalls seine Nähe. Als Arrietty eines Tages den kranken Sho in seinem beim Lesen Zimmer beobachtet, wird sie von einer Krähe attackiert und nur durch das beherzte Eingreifen des Jungen gerettet. Durch das seltsame Verhalten des Jungen wird jedoch auch die Haushälterin Haru auf die kleinen Leute aufmerksam, entdeckt bei ihrer Suche Homily und steckt diese kurzerhand in ein Marmeladenglas. Der verzweifelten Arrietty bleibt keine andere Wahl, als ihren neuen Freund bitten, ihre Familie zu retten, auch wenn es bedeutet, dass sich danach nie wieder sehen können...
Der Streifen „Arrietty – die wundersame Welt der Borger“ ist schon ein Novum im ansonsten so rasanten Genre des Anime. Nahezu ohne Action, unspektakulär und auch sehr langsam erzählt dieser Film kindgerecht eine wunderbare Geschichte über eine ungewöhnliche Freudschaft und ist dabei ohne plakative Effekte so berührend, dass ich am Ende wieder einmal in einer Mischung aus melancholischer Freude und Traurigkeit über des Gesehen vollkommen geplättet in meinem Sessel gedrückt war.
Der Streifen von Hiromasa Yonebayashi nach einem Drehbuch von Regie-Altmeister Hayao Miyazaki („Chihiros Reise ins Zauberland“) der sich den Roman „Die Borger“ von Mary Norton vorgenommen hat ist auch einfach zauberhaft und beinhaltet wieder einmal eine Kombination aus Freundschaft, Umwelt- und Artenschutz und ist dabei so fantasievoll gestaltet, dass man geneigt ist zu bedauern, dass der Streifen mit knapp 90 Minuten für Studio Ghibli-Verhältnisse fast ein bissl kurz ausgefallen ist.
Doch das reicht Yonebayashi schon aus um eine eigentlich sehr traurige Geschichte über zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Menschen zu präsentieren. Während Borger Arrietty eine der letzten ihrer Art ist und sich dennoch voller Lebensfreude nicht mit ihrem unweigerlich folgenden Schicksal des „Aussterbens“ abfinden mag, hat der herzkranke und schwache Sho mit seinem Leben eigentlich schon abgeschlossen und findet durch die kurze Freudschaft zu dem Mädchen zu seiner Lebensfreude zurück. Und auch wenn der Zuschauer und die Beiden wissen, dass diese Freundschaft keinen Bestand haben kann, so ist die Tatsache, dass beide für kurze Zeit sämtliche Hindernisse überwinden können, trotz Abschied sehr optimistisch ausgefallen.
Aber von den 1985 gegründeten Studio Ghibli erwartet man sich ja im Grunde auch nichts anderes als ein weiteres Meisterwerk des Zeichentrickfilms. Zwar hat mir persönlich das letzte Output „Ponyo – Das große Abenteuer am Meer“ von Miyazaki nicht ganz so gut wie seine Vorgänger gefallen, aber „Arrietty“ ist wieder ein Werk mit gewohnter Stärke und obwohl der Streifen sehr kindgerecht ist, dennoch bezaubernd und von überbordender Fantasie, sodass sich auch der erwachsene Zuschauer kaum seinem verträumten Charme entziehen kann.
Der 1973 in Ishikawa geborene Hiromasa Yonebayashi ist ja nicht nur der jüngste Regisseur der Studio Ghibli, sondern beweist mit seinem Debütwerk auch eindrucksvoll, dass er viel von Miyazaki gelernt hat. Der Streifen wurde im April 2010 aufgeführt und hatte das beste Einspielergebnis im japanischen Kinojahr 2010. „Arrietty – die wundersame Welt der Borger“ gewann auch zahlreiche Preise, wurde unter anderem auch als bester japanischer Animationsfilm ausgezeichnet und auch Regisseur und die zauberhafte und wohl auf jede sprachliche VÖ ausgerichtete Musik der französischen Folk-Sängerin Cecile Corbel wurde ausgezeichnet.
Die am 11.11.2011 veröffentliche DVD aus dem Hause „Universum Anime“ bürgt neuerlich für Qualität und bringt den Streifen dann auch in sehr guter Bild- und Tonqualität. Die deutsche Synchro ist wie üblich äußerst gelungen und wer den schönen Streifen dennoch im Original anschauen möchte, kann das dank optionaler Untertitel ebenfalls machen. Neben der Einzel-Disk-VÖ auf der es eine längere Trailershow gibt, kommt „Arrietty“ aber auch in der „Studio Ghibli Collection“ die neben der hübscheren Verpackung im Pappschuber dann auch noch über 5 Postkarten und eine proppenvolle Bonus-Disc mit Storyboards, Interviews und sonstigen Specials verfügt.
Unterm Strich bleibt ein neuerliches Studio-Ghibli, das sich zwar an ein jüngeres Publikum richtet und auch nicht so komplex wie „Chihiro“ oder „Mononoke“ ausgefallen ist, aber dennoch aufgrund seiner melancholischen Grundstimmung und kindgerechter Aufbereitung von eher schwierigen Themen sehr überzeugend ausgefallen ist. „Arrietty – die wundersame Welt der Borger“ ist Anime-Kunst auf höchsten Niveau und inhaltlich macht man Hayao Miyazaki ohnehin nichts vor, selbst wenn er nur die Fäden im Hintergrund zieht. Toller und zauberhafter Film für jung und alt, der auch in keiner Sammlung fehlen wird und wohl dieses Jahr zu Weihnachten zuhauf unterm Gabentisch landen wird.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=8198
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