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Für den erfolgreichen Geschäftsmann Michael (Cliff Robertson) könnte es eigentlich nicht besser laufen. Mit seinem Partner Robert (John Lithgow) führt er eine erfolgreiche und aufstrebende Immobilienagentur und mit seiner hübscher Frau Elizabeth, die er vor Jahren in Florenz kennen- und lieben gelernt hat, sowie seiner Tochter Amy bewohnt er ein sehr geräumiges Haus in New Orleans. Als eines Tages jedoch nach einer Party Frau und Kind von Gangstern entführt werden und nach einer missglückten Lösegeld-Übergabe in dem flüchtenden Auto der Gangster zu Tode kommen, bricht für Michael eine Welt zusammen.
Fünfzehn Jahre später und nach psychiatrischer Behandlung hängt der erfolgreiche Geschäftsmann noch immer an seiner Frau, hält das ehemalige Schlafzimmer verschlossen und hat inmitten eines Parks ein riesiges Grabmal für die Beiden errichtet. Als er von Robert zu einer gemeinsamen Geschäftsreise nach Florenz überredet wird, willigt Michael ein, obwohl der durch diese Reise auch wieder an den Tod von Frau und Kind erinnert wird. Als er die Kirche besucht, in der er einst auch Elizabeth kennengelernt hatte, trifft er auf die Restauratorin Sandra, die seiner Frau auf mysteriöse Weise zum Verwechseln ähnlich sieht.
Michael ist geschockt, wagt sich aber wenig später wieder zu dem Ort und spricht die junge Frau an. Diese erweist sich als eine Italienerin namens und entpuppt sich nebenher als sehr sympathisch. Michael überredet Sandra zu einem gemeinsamen Mittagessen und die beiden verstehen sich auf Anhieb. Dem gemeinsamen Mittagessen folgt ein Abendessen und Michael drängt mit seinem charmanten Verhalten die junge Frau zu weiteren Treffen. Daraufhin sagt er den Rückflug ab und bleibt in Florenz, während sein Partner Robert die Rückreise in die Staaten antritt.
Wochen später trifft in dessen Büro ein Telegramm ein, in dem Michael verkündet, dass er gemeinsam mit Sandra nach New Orleans zurück kehrt und diese heiraten möchte. Sein Umfeld ist zwar gegen diese überstürzte Heirat, aber Michael scheint immer mehr den Bezug zur Realität zu verlieren und ist davon überzeugt, dass er eine zweite Chance bekommen hat und auch Sandra gleicht sich der verstorbenen Vorgängerin immer mehr an. Und der Lauf der Geschichte scheint sich tatsächlich zu wiederholen, als Sandra aus dem Haus entführt und es zu einer neuerlich dramatischen Lösegeld-Übergabe kommt…
Der stets sympathische und vielseitige Regisseur Brian de Palma hat ja nie einen Hehl aus seiner großen Liebe zu den Filmen von Alfred Hitchcock gemacht und daher ist es auch wenig verwunderlich, dass er in mehreren seiner frühen Werke Handlungselemente aus bekannten Werken des 1980 in Los Angeles verstorbenen Regie-Meisters übernommen hat. So ist „Sisters“ und „Dressed to kill“ eine Variation von „Psycho“, während der 80er-Thriller „Der Tod kommt zweimal“ seine Version von „Das Fenster zum Hof“ darstellt.
Die Drehbuch zu „Schwarzer Engel“ a.k.a. „Obsession“ mit seinem traumatisierten Geschäftsmann und die mysteriöse Doppelgängerin von Paul Schrader („Taxi Driver“, „Die letzte Versuchung Christi“) erinnert den aufmerksamen Leser in seinen Grundzügen dann natürlich an Hitchcocks 1958 entstandenen „Vertigo – Aus dem Reich der Toten“. Allerdings ist der Streifen kein müder Abklatsch, sondern eher eine sehr stilvolle Hommage des Streifens mit wunderbaren Bildern, schwelgerischen 360-Grad-Kamerafahrten und einer durchaus unvorhersehbaren Geschichte.
Diese ist wiederum dem (Beziehungs-)Drama näher als einem herkömmlichen Thriller und das Hauptaugenmerk des Streifens ist auch auf den vom Schicksal gebeutelten Mann gelegt, der auf mysteriöse Weise neuerlich mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird und daraufhin versucht, erlittenes Leid ungeschehen zu machen. Doch wie so oft in diesem Genre steckt natürlich mehr hinter der ganzen Sache und so bleibt „Schwarzer Engel“ bis zum bitteren Ende absolut interessant, auch wenn sich eigentilch die spannenden Momente durchaus in Grenzen halten. Laut Wikipedia gab es ja ursprünglich noch ein weiteres, von Schrader verfasstes Kapitel, das jedoch aus Gründen der Glaubwürdigkeit (und wohl auch aus Kostengründen) nicht verfilmt wurde.
Auffallend an „Schwarzer Engel“ sind jedoch die wunderbaren Bilder, auch wenn De Palma hier auf sein Trademark der Splitscreen-Technik zur Gänze verzichtet. Stattdessen gibt es zahlreiche, schwelgerische Kamerafahrten, Zooms und emotionale Zeitlupen-Sequenzen, die auch die wunderbaren Locations in Florenz auf schönste Weise eingefangen haben. Dafür sorgen auch die teils weichgezeichneten Bilder, die dem Film mit seiner abstrakten Handlung eine zusätzlich surreale Note verleihen. Hervorzuheben ist auch die gefühlsbetonte Musik von Bernhard Herrman, der posthum dafür sogar mit einer Oscar-Nominierung versehen wurde.
Auch bei den Schauspielern hat man ein gutes Fingerspitzengefühl bewiesen und Cliff Robertson („Spider Man“) und die kanadische Schauspielerin Genevieve Bujold („Die Unzertrennlichen“) wirken als Paar sehr harmonisch, dass auf unterschiedliche Weise traumatische Erlebnisse nochmals durchleben muss. Vor allem Letztere ist in ihrer Doppel- bis Dreifachrolle sehr glaubwürdig und überzeugt ebenso wie De Palmas Stamm-Schauspieler John Lithgow in seiner Rolle als Freund der Familie.
Concorde Film bringt den über weite Strecken doch sehr ruhig inszenierte Film in Wiederveröffentlichung und in guter Bild- und Tonqualität. Leider hat es kein Bonusmaterial auf die Scheibe geschafft, was angesichts der aufwendigen Dreharbeiten und komplexen Geschichte im Vergleich zu den Vorbildern sicherlich interessant gewesen wäre. So gibt es lediglich ein paar Trailer und ein Wendecover ohne FSK16-Logo.
Unterm Strich ist „Schwarzer Engel“ ein sehr überdurchschnittliches Thriller-Drama, das genauso gut von Hitchcock himself stammen könnte und neben seiner ungewöhnlichen Geschichte vor allem durch seine wunderbaren Bilder überzeugt. In meiner persönlichen De Palma-Charts ist „Obsession“ zwar nicht ganz vorne dabei, aber das liegt schlicht und ergreifend daran, dass der amerikanische Regisseur mit „Carrie“, „Dressed to kill“, „Blow up“ und „Scarface“ danach noch weitere Filme gedreht hat, die nicht zu Unrecht dann auch zu den absoluten Meisterwerken der Filmgeschichte gezählt werden können. So bleiben immerhin 8,5 von 10 Punkte und eine dicke Empfehlung für alle Freunde des gepflegten Thrillers.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7919
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