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Der junge Shiro führt eigentlich ein glückliches Studentenleben in Tokio und ist in Yukiko, die Tochter seines berühmten Theologie-Professors verliebt. Als er sich eines Abends mit dem Mädchen verlobt nimmt sein Leben danach jedoch eine Wendung. Gemeinsam mit seinem etwas seltsamen Studienkollegen Tamura überfährt er auf dem Weg in seine Wohnung einen betrunkenen Yakuza, der über die Straße torkelt und wird dabei von dessen rachsüchtiger Mutter beobachtet. Doch anstatt zur Polizei zu gehen, schiebt der Lenker Tamura die Schuld an dem , wie sich später herausstellt tödlichen Unfall, Shiro in die Schuhe und begeht Fahrerflucht um einer Gefängnisstrafe zu entgehen.
Der am nächsten Tag mittlerweile von argen Gewissenbissen geplagte Shiro kann jedoch nicht so weiterleben und beschließt, gemeinsam mit seiner Verlobten zur Polizei zu gehen. Auf dem Weg dorthin hat das Paar jedoch einen Unfall mit einem Taxi, bei dem die junge Frau verstirbt und Shiro ist am Boden zerstört. Völlig in Trauer aufgelöst besucht der junge Mann ein einschlägiges Lokal und trifft dort unwissentlich auf Yoko, die berechnende Witwe des verstorbenen Yakuzas, die sich daraufhin nach einer gemeinsamen Liebesnacht prompt in den schüchternen Mann verliebt.
Als Yoko jedoch von Shiro Tat erfährt, beschließt sie, den Studenten gemeinsam mit der Mutter ihres verstorbenen Mannes zu ermorden. Auch Shiro ist mit der nächsten Hiobsbotschaft konfrontiert und erfährt, dass seine Mutter sterbenskrank ist und macht sich auf den Weg aufs Land, wo dessen Eltern gemeinsam ein Altenheim betreiben. Als er dort ankommt, muss er jedoch mitansehen, wie sich sein Vater offen mit der lasterhaften Pflegerin Kinkuo vergnügt, während seine Mutter im Sterben liegt. Das Altenheim entpuppt sich aber generell als Ort von Laster und Sünde und während die Patienten schlecht und medizinisch nachlässig behandelt werden, lassen es sich die Betreiber und die Ärzte auf Kosten der alten Menschen gut gehen.
Als Tamura und auch die Eltern der verstorbenen Yukiko zu einer Jubiläumsfeier des Altenheims auftauchen, sich auch Yoko samt Schwiegermutter in dem ländlichen Ort einfinden und Shiro auf das Mädchen Sachiko trifft, die seiner verstorbenen Yukiko zum Verwechseln ähnlich sieht, eskaliert die gesamte Situation und während der ausgelassenen Feier kommen sämtliche Besucher auf unterschiedliche Weise zu Tode. Doch die Reise von Shiro und seinem lasterhaften Umfeld ist noch lange nicht zu Ende und allesamt fahren sie geradewegs in die Abgründe der Hölle, wo bereits grausame Qualen und ewiges Höllenfeuer als Strafe für ihre begangenen Sünden auf sie warten…
Holla! Was für ein Trip! Der Regisseur Nobuo Nakagawa führt in dem 1960 entstandenen Kunstfilm-Schocker „Jigoku“ seine Protagonisten und auch den Zuschauer geradewegs in die Hölle fahren und grausame Qualen erleiden, die sich ein Lucio Fulci nicht besser hätte ausdenken können. Angesichts des Entstehungsjahres ist der Streifen ja schlichtwegs sensationell und nahm mit seiner exzentrischen Inszenierung und dem Zeigen von schonungsloser Gewalt wohl vieles vorweg, was in den Jahren und Jahrzehnten danach im japanischen Film zu sehen war.
Die Geschichte über den bemitleidenswerten Studenten und sein unaufhörlicher Trip in die Abgründe der menschlichen Seele ist ja schon sehr strange und in dem Film ist mit wenigen Ausnahmen auch keine Person zu sehen, die nicht in irgendeiner Weise Schuld auf sich geladen hat. Und Nakagawa lässt in seinem mit Ichirio Miyagawa verfassten Drehbuch auch wenig aus. So gibt es lasterhaftes Leben, Lügen, Ehebruch und Mord, vorehelichen Sex bis hin zum Unfall mit Fahrerflucht und Selbstmord. Kaum ein Thema wird ausgelassen, das nach (Welt-)religiöser Auffassung geheimhin auf direkten Weg in die Hölle führt. Der interessante Film hat dabei eine recht dramatische erste Halbzeit, die danach in einem apokalyptischen Finale gipfelt.
Denn nach knapp einer Stunde Laufzeit kommen die Protagonisten dann auch geradewegs in die Hölle und werden für ihre Sünden auf sehr grausame Weise bestraft. Das Finale ist wirklich over-the-top und setzt der ohnehin schon sehr exzentrischen Inszenierung noch die Krone auf. Zu viel möchte man ja nicht verraten, aber in den acht Höllen, die wohl aus dem Buddhismus stammen, wird wenig zimperlich mit den sündigen Menschen umgegangen und vor allem das Finale mit seinen Bildern von geknechteten Sündern ist schon bedrückend ausgefallen. Ursprünglich sollte der Film wohl „Heaven and Hell“ heißen, doch als Produzent Mitsugu Okura des Drehbuch lass, meinte dieser lakonisch, dass in der Fassung kein Himmel zu finden sei. Miyagawa antwortete im Scherz, dass er dieses im Sequel behandeln würde.
Die ganze Geschichte mit seinen teils etwas antiquierten Moralvorstellungen ist für heutige Verhältnisse natürlich schon etwas seltsam und vor allem Shiro ist für mein Empfinden ja eigentlich eine ziemlich arme Seele. So wissentlich versündigt sich der junge Mann nämlich gar nicht, sondern wird eher durch das Verhalten seines zunehmend mysteriös-verhaltenden Kollegen Tamura und das seines familiären Umfelds geradewegs in den Höllenschlund geleitet. Doch was der junge Mann dort erleben muss ist wirklich beeindruckend und für einen Film aus dem Jahre 1960 wirklich atemberaubend.
Die ganze Inszenierung ist sehr extravagant und Regisseur Nakagawa scheut auch vor optischen Spielereien, farblichen Akzenten und ungewöhnlichen Kameraperspektiven nicht zurück. Ich für meinen Teil fühlte mich ja ständig auch an die Arbeiten des italienischen Regisseurs Mario Bava erinnert und auch der etwas jazzige Soundtrack wirkt so überhaupt nicht asiatisch. Der Streifen hat auch knapp 50 Jahre nach Erscheinen nichts von seiner visuellen Kraft verloren und für Fans des Japan-Kinos absolut essentiell.
Sehr verwunderlich ist es aber auch, dass es dieser ungewöhnliche Vertreter des japanischen Kinos bislang trotz seines guten Rufes (okay, auf „Kwaidan“ warten wir ja auch immer noch) noch nicht zu einer deutschen VÖ geschafft hat. Das hat sich jetzt geändert und das auf Asien spezialisierte Label „Rapid Eye Movies“ bringt Nakagawas Streifen im Rahmen der empfehlenswerten „Nippon Classics“-Reihe in okayer Bild und Ton-Qualität, sowie einer etwas verwunderlichen FSK-Freigabe. Zu der Originalfassung gibt es gut zu lesende Untertitel und angesichts des günstigen Verkaufspreises gibt es auch nichts daran zu meckern, dass es nur der Trailer (inklusive anderer Unfallversion) zu besichtigen gibt.
„Jigoku“ ein sehr ungewöhnlicher Trip in die finstersten Abgründe der menschlichen Seele bzw. Hölle, wobei hier letzteres wörtlich zu nehmen wird. Eine gelungene Mischung aus moralistischem Drama und Apokalypse, dessen Finale auch wie „Kwaidan“ auf LSD daherkommt. Die interessante Geschichte, die extravagante Bildsprache und vor allem das mehr als bizarre Ende haben mir jedenfalls ausnehmend gut gefallen. Sicherlich ist die Mixtur von „Jigoku“ für heutige Verhältnisse etwas ungewöhnlich und auch das enervierende Gekreische am Ende mag gewöhnungsbedürftig sein, aber wer sich nur im geringsten Maße für asiatische Filme interessiert, sollte sich das empfehlenswerte Teil ins Regal stellen. Wow!
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@ Jochen,
vielen Dank, das Review ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7917
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