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Der Serbe Marko stammt aus gutbürgerlichem Haus und ist Absolvent einer Belgrader Filmakademie. Obwohl er sehr ambitioniert versucht, seine Vision eines traditionellen Horrorfilms zu realisieren, muss der talentierte Mann jedoch bald erkennen, dass in Serbien niemand auf seine Künste wartet und auch kein Produzent bereit ist, auch nur einen Cent in seinen geplanten Film zu investieren. Und so hält sich Marko mit kleineren Aufträgen in der Werbebranche über Wasser und lernt eines Tages den schmierigen Pornoproduzenten Cane kennen, für den er bald einige kurze Clips realisiert. Doch mit dessen Geld produziert Marko hinter dem Rücken des Mannes einen Kurzfilm, was dessen korrupten Bruder auf den Plan ruft, der sogleich zur Stelle ist, um das Geld auf brutale Weise wieder einzutreiben.
So ist Marko gezwungen die Stadt zu verlassen und flüchtet mit Una, einer Schauspielerin, Kameramann und weiteren Gesellen vom Rande der Gesellschaft aus Belgrad um als selbsternannte Porno-Guerillas die konservative Bevölkerung des ehemaligen Vielvölkerstaates in ihren Grundfesten zu erschüttern. Doch der Zusammenprall der Kulturen endet naturgemäß anders als erwartet und die Truppe wird festgenommen, verprügelt und kollektiv von der aufgebrachten Dorfbevölkerung vergewaltigt. Und so sind nicht nur bald die finanziellen Mittel aufgebraucht, sondern auch die Moral der ehemals hoffnungsfrohen Gruppe am Boden zerstört, als Marko von dem Journalisten Franz ein unglaubliches Angebot erhält.
So soll der Filmabsolvent für den bieder wirkenden Mann gegen eine hohe Summe sogenannte Snuff-Videos für eine elitäre Kundschaft drehen, in dem Selbstmordwillige vor laufender Kamera hingerichtet werden sollen. Die Truppe ist zwar schockiert, doch Drogensucht, die Wut auf die konservative Gesellschaft und andere emotionale Rückschläge lassen die Gruppe schlussendlich auf den wahnsinnigen Vorschlag eingehen. Der erste Mord bringt die Truppe jedoch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und schon bald droht die ehemals verschworene Gruppe auseinander zu brechen. Es folgen jedoch weitere Morde für den dubiosen Franz und während der Abstieg unaufhaltsam vor sich schreitet, ist auch die serbische Polizei bereits hinter den Outlaws her…
Nach dem Zerfall von Jugoslawien im Jahre 1992 ist Serbien als der größte Teilstaat der ehemaligen Republik noch immer von zahlreichen ungelösten Problemen konfrontiert. Seit der Abspaltung des ehemaligen Vielvölkerstaates nach dem Jugoslawienkrieg bzw. Balkankonfliktes folgten zwei weitere, unmenschliche Kriege und auch nach der Ära Milosevic seit 2000 hat sich die wirtschaftliche Lage des heruntergekommenen Landes nicht wirklich verbessert. Noch immer gibt es in dem Land viel Armut, die Rechte von Minderheiten ist schlecht und Gewalt, Polizeiwillkür, Korruption und Übergriffen von national-konservativen Gruppen sind noch immer an der Tagesordnung.
Während man jedoch schon längst aus allerlei Schreckensmeldungen aus diesem Teil Europas gewohnt ist und diese auch irgendwie nur mehr so nebenher wahrnimmt, haben es in der vergangenen Zeit aber auch zwei serbische Regisseure geschafft, mit ihren wütenden und pessimistischen Statements zur gesellschaftlichen Lage ihres Landes sich mit ihren Filmen in das kollektive Bewusstsein der aufgeschlossenen Filmfreunde zu katapultieren. Und „Leben und Tod einer Pornobande“ und auch der heftig umstrittene „A Serbian Film“ behandeln auf ähnliche und dann doch auch wieder sehr unterschiedliche Weise die maroden Zustände in dem zerrissenen Staat, in dem moderne und traditionelle Wertvorstellungen weit auseinander liegen und Gewalt und Krieg Spuren in den Seelen der Bevölkerung hinterlassen haben.
Srdjan Spasojevic hat mit „A Serbian Film“ einen gewalttätigen Schocker mit der Extraportion kontroversen Konfliktpotential und sexualisierter Gewalt geschaffen, der seit seinem Auftauchen die Wogen in sämtlichen Foren hochgehen lässt und neben dem Ruf nach Zensur sogar zu allerlei untergriffigsten Statements führt, obwohl wie üblich die größten Kritiker den Streifen, der besser als sein vorauseilender Ruf ist, vermutlich gar nicht gesehen haben. Dennoch hinterlässt der Streifen neben einem mulmigen Gefühl auch die Frage, ob Spasojevic es mit seinem fiktiven Werk über einen abgehalfterten Pornostar nicht doch weit über sein Ziel hinausgeschossen ist und seine berüchtigte Szene samt Tabubruch nicht aufgrund garantierter Aufmerksamkeit in seinen Film eingebaut hat. Wesentlich anders kommt dann auch Mladen Djordjevic mit seinem „Leben und Tod einer Pornobande“ daher, der zwar nicht minder kontrovers, aber doch künstlerisch ganz anders ausgefallen ist.
Ausgehend von einer Idee aus seiner Dokumentation „Made in Serbien“, in der ein Herr namens Nenad sich auf die Suche nach seiner Ex-Freundin begibt, die in der Porno-Branche eine Karriere gestartet hat und nebenher auch die moralischen Befindlichkeiten seiner Landleute aufdeckt, zeichnet Djordjevic auch in „Leben und Tod einer Pornobande“ ein eigentlich zutiefst pessimistisches Bild der serbischen Bevölkerung, dass sich auch nach den Jahrzehnten des Krieges noch nicht von seiner gewalttätigen Vergangenheit lösen konnte und modernen Strömungen mit Feindseligkeit und Gewalt begegnet. Und so ist wie auch in Spasojevics Film die Ausweglosigkeit und die letztendliche Konsequenz der Protagonisten daraus die große Gemeinsamkeit der beiden zutiefst pessimistischen Werke.
Während in „Made in Serbia“ und auch die Idee der „Porno Guerilla“ im Film zunächst ganz amüsant daherkommt, wird die Dokumentation aber mit zunehmender Laufzeit immer dramatischer. Nach dem humorvollen Beginn wirft die Doku einen traurigen Blick hinter die Beweggründe der Menschen, die trotz (drohender) sozialer Ächtung keinen anderen Weg mehr sehen, als ihre Körper auf diese Weise für ein bisschen Geld zu verkaufen. Und auch in dem Spielfilmdebut handelt es sich neben dem gutbürgerlichen Marko und seiner desillusionierten Freundin Una vornehmlich um gestrandete Seele und Menschen, Aids-Kranke, Transen und Drogensüchtige die am Rande der Gesellschaft stehen, sich zusammenschließen und die Suche nach gesellschaftlicher Anerkennung schlussendlich grausam bezahlen müssen.
Die Story über den ambitionierten Filmemacher, der überall auf Ablehnung stößt und dann über pornografische Auftragsarbeiten versucht seine Visionen zu finanzieren ist wohl teils auch autobiografisch gefärbt. Und so gerät der angehende Regisseur auch rasch an andere Personen, die in unterschiedlicher Weise mit dem Scheitern der eigenen Existenz konfrontiert sind. Die Geschichte der Pornobande ist dabei sehr originell und auch die sehr unterschiedlichen Charaktere sind zwar etwas schräg, aber durchaus sympathisch ausgefallen. Doch die etwas blauäugige Gruppe wird ja relativ unsanft auf den Boden der gesellschaftlichen Realität ihres Landes zurückgeholt und holt desillusioniert zum Gegenschlag aus, in dem man endgültig ohne Rücksicht auf moralische Werte agiert.
Der ganze Streifen ist in Form eines Videotagebuchs im Zeitraum 2000/2001 inszeniert, was der ganzen Sache eine extreme Authentizität verleiht. Dabei beginnt „Leben und Tod einer Pornobande“ eigentlich ganz harmlos und wirkt anfänglich augenzwinkernd und amüsant. Doch mit zunehmender Laufzeit überträgt sich der aufkeimende Pessimismus auch auf den Zuschauer und auch die Inszenierung des „Porno-Kabarett“ wird zunehmend unberechenbarer. Dabei schreckt der Regisseur auch vor expliziten Szenen und kontroversen Themen wie Snuff und Sodomie nicht zurück und was als geplanter Siegeszug der freien Liebe beginnt, endet in einer wahren Orgie aus Blut, Gewalt und Verzweiflung und der Tatsache, an seinen eigenen Idealen gescheitert zu sein. Dabei erinnert mich „Leben und Tod einer Pornobande“ sowohl an die frühen Werke des Guerilla-Punk-Filmers John Waters als auch an die Werke von Lars von Trier.
Die Statements des Regisseurs im Zuge der Inszenierung zeugen ebenfalls nicht gerade von Optimismus und auch bei der Realisierung seines Streifens stieß Djordjevic auf zahlreiche Widerstände. So fand er anfänglich keine Darsteller, die bereit waren für die Kunst auch ihre nackten Körper zur Verfügung zu stellen. Auch bei der Finanzierung des Streifens gab es anfänglich Probleme und eine zugesagte Förderung von Seiten des Staates gab es erst nach den ersten erfolgreichen Aufführungen und positiven Fürsprachen von anderen Regisseuren. Das der Streifen dennoch mit einer FSK-Freigabe in Deutschland erschienen ist, ist eigentlich angesichts der Thematik eine mittlere Sensation und wohl auch zum großen Teil dem Vorzeige-Label Bildstörung zu verdanken.
Diese bringen den empfehlenswerten Indie-Streifen in der besten Punk-Tradition eines frühen John Waters in der serbischen Originalversion samt deutschsprachigen und englischen Untertiteln. Die Bild- und Tonqualität ist für Low-Budget-Verhältnisse eigentlich sehr gut und auch die Ausstattung des Streifens wirkt sehr gelungen. Die Darsteller, inklusive Kurzauftritt von Nenad Bekvalac als Polizist, sind gut gewählt und sind auch stets mit vollem körperlichem Einsatz dabei. Die Effekte sind teils handgemacht, teils aus dem Rechner und verfehlen ebenfalls ihre Wirkung nicht. Neben einem informativen und ausführlichen Booklet gibt es auch noch interessantes Bonusmaterial und wer sich auch für die bereits erwähnte Doku interessiert, kann sich diese gemeinsam mit dem Nachfolger in einer limitierten Version zu legen. Da „Made in Serbia“ jedoch auch über HC-Szenen bzw. zahlreiche Ausschnitte aus Pornofilmen verfügt, ist diese mangels Aussicht auf eine FSK-Freigabe aber nicht in jedem Laden erhältlich.
Dem Vorzeige-Label „Bildstörung“ ist mit der Veröffentlichung des serbischen Streifens schon wieder ein großer Coup gelungen. Ein kontroverses, ungewöhnliches, wie auch interessantes Stück Film, irgendwo zwischen bizarren Roadmovie, Außenseiter-Drogendrama Sozialstudie, kontroversen Underground-Kino und sexuellen Befreiungsschlag, das schlussendlich den Zuschauer mit voller emotionaler Härte trifft und mit seinem grimmigen Statement zur Lage der serbischen Nation nachdenklich und sehr traurig stimmt. Ein mutiger Film, der sicherlich polarisiert und auch nicht jeden Geschmack treffen wird. Als Fan von undergroundigem und kontroversen Filmen kann es aber für diesen grellen und wütenden Frontalangriff auf die zutiefst konservativ-verbohrten Kräfte, Korruption und Intoleranz nur eine Wertung geben: 10 von 10 Punkten!
Beitrag geändert von jogiwan (25.July 2011 16:32:42)
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Ich wollte gerade Screenshots machen und hab jetzt erst gesehen, dass es sich bei der Scheibe um eine Blu-Ray handelt... ähm... das Alter!
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jogiwan schrieb:
Ich wollte gerade Screenshots machen und hab jetzt erst gesehen, dass es sich bei der Scheibe um eine Blu-Ray handelt... ähm... das Alter!
*gg*
Willkommen im Club !!!
Deine ausführliche Kritik weckt Interesse am Film ...
Gut gemacht!
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@ sunny: immerhin bin ich wohl der Älteste hier...
Und was den Film betrifft: der wird dir sicher gefallen!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7865
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