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Während Sam Cahill (Tobey Maguire) in der Arme als Marine Karriere gemacht hat und der ganze Stolz seines Vaters Hank (Sam Shepard) ist, hat sein Bruder Tommy (Jake Gyllenhaal) einen großen Teil seines Lebens hinter schwedischen Gardinen verbracht. Als Sam wieder einmal zu einem Kriegseinsatz nach Afghanistan aufbricht und seine Frau Grace (Natalie Portman) und seine beiden Kinder Isabelle (Bailee Madison) und Maggie (Taylor Geare) zurücklassen muss, wird sein auf Bewährung entlassen. Und obwohl es zwischen Hank und Tommy immer wieder große Spannungen gibt, hält der verantwortungsvolle Sam immer zu seinem Bruder.
Während seines Einsatzes wird eines Tages der Hubschrauber von Sam auf feindlichem Gebiet abgeschossen und irrtümlich vom Tod der gesamten Besatzung ausgegangen und Grace mit dem vermeintlichen Ableben ihres Mannes informiert. Als Tommy vom Tod seines Bruders erfährt, lässt dieses nach einer kurzen Trauerphase das Verantwortungsbewusstsein in dem jungen Mann erwachen und er beginnt sich zunehmend um seine Schwägerin und seine beiden Nichten zu kümmern. Er renoviert mit seinen Kumpeln das etwas renovierungsbedürftige Haus und im Laufe der Zeit kommt er auch Grace etwas näher, während auch die beiden Kinder ihren Onkel zunehmend als Vaterersatz sehen.
Doch Sam ist noch am Leben, wurde gemeinsam mit einem weiteren Soldaten namens Joe von afghanischen Söldnern verschleppt und erlebt das Grauen des unmenschlichen Krieges nun am eigenen Leib. Er wird von den Männer gefoltert, gefangen gehalten und schlussendlich sogar gezwungen, seinen Kollegen mit einer Eisenstange zu erschlagen. Als er nach Monaten der Gefangenschaft und Folter durch Zufall von amerikanischen Soldaten befreit wird, hat sich der junge Familienvater daher für immer verändert und er kehrt traumatisiert von den Geschehnissen nach Hause zu seiner überglücklichen Grace zurück.
Das Glück währt allerdings nur kurz, da Sam die brutalen Ereignisse in Afghanistan nicht verarbeitet hat und nicht fähig ist, mit seiner Frau über seine Erlebnisse zu sprechen. Obwohl er als Kriegsheld gefeiert wird, kann Sam die Geschehnisse nicht vergessen und als sich auch noch Isabelle und Maggie von ihrem ehemals so lebenslustigen Vater entfremden, entwickelt dieser die fixe Idee, dass seine Frau ein Verhältnis mit seinem Bruder hat. Doch Tommy versucht seinem Bruder ins Gewissen zu reden, der jedoch immer weiter abblockt und als er auch noch mit der Witwe von Joe konfrontiert wird und die Familie wenig später anlässlich des Geburtstages von Maggie zusammenkommt, eskaliert die ganze Situation…
Das amerikanische Drama „Brothers“ von Regisseur Jim Sheridan macht es dem aufgeschlossenen, europäischen Filmfreund nicht gerade leicht. Aber nicht etwa, weil die Geschichte jetzt so intensiv und dramatisch und auch die Darstellung von Hollywoods Vorzeige-Junggarde so eindringlich ausgefallen sind, sondern weil es sich bei dem Streifen aus dem Jahre 2009 schlicht und einfach um das sehr zeitnahe Remake des gleichnamigen, dänischen Filmes von Susanne Bier handelt, der schlicht und ergreifend wesentlich vielschichtiger und authentischer ausgefallen ist und mit Ulrich Thomsoen („Adam´s Äpfel“) und Niolaj Lie Kaas („Dänische Delikatessen“) auch noch über ein grandiosen Cast verfügt.
Und so liegt mir persönlich natürlich dänisches Autorenkino im Dogma-Stil wesentlich näher als amerikanisches Mainstream-Drama mit Golden-Globe-Nominierung und Hollywood-Jungstars und das amerikanische „Auf-Nummer-sicher“-Drama flacht dann im Vergleich zur dänischen Vorlage auch stark ab. Die dramatische Geschichte zweier ungleicher Brüder, die im Verlauf der Geschichte ihre familiäre Position wechseln wurde ja nahezu beibehalten und nur die Geschichte etwas amerikanisiert, entschärft und der gesellschaftliche Background der Protagonisten vom gehobenen, europäischen Mittelstand auf amerikanische „lower middle class“ getrimmt. Doch auch wenn „Brothers“ für das amerikanische Publikum weichgespült und leichter konsumierbar gemacht wurde, so ist „Brødre“ schlicht und ergreifend der wesentlich bessere Film.
Auch in Sachen Authentizität hat Susanne Biers Streifen die Nase vorne, während die Ami-Variante wieder einmal unter der Klischeelastigkeit seiner Figuren zu leiden hat. So gibt es den Ex-Alkoholiker-Vater und Vietnam-Veteran, der seinen Söhnen natürlich nie die zu für verstorbene Mutter ersetzen konnte und auch Strahlemann und Vollzeit-Marine Sam wirkt im Verlauf der Geschichte auch eher befremdlich, als dass er die Empathie des Zuschauers wecken würde. Und vor allem Natalie Portman mit ihren perfekten Zahnkronen in Hochglanz-Weiß, stets frisch-gewaschenen Haaren und Model-Massen wirkt als „einfache“ Frau vom Lande mit zwei Kindern einfach etwas deplatziert. Und selbst bei Jake Gyllenhaal hilft auch das Hals-Tattoo am durchtrainierten Körper nicht wirklich, dass man ihm seinen Charakter samt Entwicklung im Verlauf des Filmes abnimmt.
Trotzdem ist „Brothers“ jetzt nicht wirklich schlecht ausgefallen und erinnert in seiner etwas arg unspektakulären Machart an gehobenes TV-Niveau, dennoch muss sich ein Remake natürlich den Vergleich mit dem Original gefallen lassen. Die Notwendigkeit, einen guten europäischen Film seiner Ecken und Kanten und eigentlichen Intention zu berauben um sie der breiten Masse an amerikanischen Kinogehern zugänglicher zu machen ist ebenso zu hinterfragen. Mal ganz abgesehen von der Art und Weise, wie das Kriegstreiben der ach so guten Amerikaner gegen die abgrundtief-bösen Taliban-Söldner so nebenbei wieder einmal pauschal gerechtfertigt wird.
Regisseur Jim Sheridan schafft es nicht so wirklich hinter die Fassaden seiner konturlosen Figuren zu blicken und im Falle von Tobey Maguire muss ein psychopathischer Blick ins Leere dem Zuschauer sein zerrüttetes und innerlich gestorbenes Seelenleben signalisieren. Die zahlreichen unterschwelligen Konflikte innerhalb der Familie werden zwar ansatzweise angedeutet, aber bleiben immer dezent in den Hintergrund gerückt, dass der Zuschauer nicht zu sehr damit verschreckt wird. Der finale und auch einzige Gefühlsausbruch des Filmes ist dann auch der Höhepunkt des Streifens, der insgesamt betrachtet einfach viel zu emotionslos und distanziert und dadurch auch in einem gewissen Grad schlichtweg unglaubwürdig ausgefallen ist.
Dennoch scheint die Rechnung auch dank Soundtrack-Nummer von U2 ziemlich aufgegangen zu sein und sogar für zwei Golden-Globe-Nominierungen hat es immerhin gereicht und auch die Kritiken im Netz sind gar nicht mal so schlecht, auch wenn ich annehmen muss, dass davon die meisten die dänische Vorlage nicht kennen werden. Aber irgendwie bleibt nach der gestrigen Sichtung schon ein sehr schaler Nachgeschmack zurück, dass sich nach der Sichtung des Bonusmaterials noch verstärkt hat. Hier wird zwar von den Machers das Original ebenfalls in den höchsten Tönen gelobt, aber gleichzeitig Kritikpunkte angemerkt, die ich nicht nachvollziehen kann und auch die unterschwellige Begründung des Drehbuchautors für das Remake ist mehr als fragwürdig.
Wenig zu meckern gibt es hingegen an der Blu-Ray-Disc aus dem Hause Koch-Media, die den Streifen in gewohnt sehr guter Bild und Tonqualität unter die Leute bringen. Neben einem Audiokommentar des Regisseurs gibt es auch ein interessantes Featurette und Highlight der Disk, in dem auch auf die Unterschiede des Remakes im Vergleich zum dänischen Original eingegangen wird und Ausschnitte verglichen werden und die amerikanischen Macher und die dänische Regisseurin zu Wort kommen. Weiteres Bonusmaterial gibt es noch in Form einer weiteren Featurette namens „Jim Sheridan: Film und Famlie“, sowie dem Trailer und das bei Koch-Media obligatorische Wendecover ohne unschönem FSK-Logo.
Jim Sheridans „Brothers“ ist leider ein unnötiges Remake mehr, das seiner sehr guten Vorlage wenig hinzuzufügen hat und noch dazu der ganzen Anti-Kriegs-Thematik ihrer Kanten und Ecken beraubt. Herausgekommen ist ein seltsam-emotionsloses Mainstream-Heimkehrer-Drama, welches in allen Belangen auf Nummer sicher geht und bei mir kaum bis wenige Emotionen ausgelöst hat. Wer das starke Original kennt, wird sich bei der Sichtung für den lahmen und amerikanisierten Aufguss ebenfalls kaum erwärmen und selbst die eigentlich passable Darstellung bekannter Namen helfen nicht über die sehr oberflächliche Charakterisierung seiner Klischee-lastigen Figuren hinweg. Die breite Masse wird an „Brothers“ auch dank seines Ensembles sicher Gefallen finden, aber als Verfechter des europäischen Kinos empfehle ich natürlich den Griff zu „Brødre“ und hülle meine Meinung über das Remake an dieser Stelle lieber den Mantel des Schweigens. Autsch!
Beitrag geändert von jogiwan (21.July 2011 10:57:10)
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7818
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