project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der smarte Paul Exben (Romain Duris) hat auf den ersten Blick alles in seinem Leben erreicht. Er hat einen erfolgreichen und sehr gut bezahlten Job in einer renommierten Anwaltskanzlei mit der Aussicht diese auch zu übernehmen, eine hübsche Frau (Marina Fois) und zwei Kinder, ein schickes Haus am Land inklusive Autos der Luxuskategorie und einen großen Freundeskreis. Doch Paul ist nicht glücklich, da er in seinem Leben eigentlich einen anderen Weg einschlagen wollte und auch merkt, dass sich seine Frau Sarah immer weiter emotional von ihm entfernt. Schon bald keimt der Verdacht, dass sie ihn betrügt und tatsächlich fndet Paul schon wenig später die ersten Hinweise, dass ihn Sarah mit dem Nachbarn und Fotografen Gregoire betrügt.
Als der betrunkene Paul seine Frau während einem gemeinsamen Abendessen mit Freunden brüskiert, verlangt diese Tags darauf die Scheidung. Paul stellt seinen Nachbarn zur Rede, der auch unumwunden zu gibt, mit Sarah eine Affäre zu haben. Es kommt zum Streit und nach einem kurzen Handgemenge fällt Gregoire so unglücklich, dass er tot am Boden liegen bleibt. Paul ist über die Tat schockiert, doch anstatt die Polizei zu alarmieren und seiner Frau und Kinder Scham zu bereiten, beschließt er, den alleinstehenden Fotografen verschwinden zu lassen, seinen eigenen Tod zu inszenieren, sein bisheriges Leben und Familie zurück zu lassen und mit der Identität des Verstorbenen nach Montenegro zu fahren.
Dort angekommen mietet sich Paul ein Haus, entdeckt die Fotografie und beginnt Menschen, Tier und Landschaften abseits von touristischen Pfaden zu fotografieren. Eines Abends lernt er in einem Lokal den betrunkenen Bartholomé (Niels Arestrup) kennen, der sich am nächsten Tag als Journalist einer Lokalzeitung entpuppt und einige Fotos von Paul an die Redakteurin Ivana (Branka Katic) weiter gibt. Diese ist vom Talent des Mannes überzeugt und stellt nach der Veröffentlichung einiger seiner Bilder auch den Kontakt zu einer Galeristin her, die ebenfalls von den Bildern des verschlossenen Mannes begeistert ist. Paul und Ivana beginnen sich ebenfalls näher zu kommen, doch als der Erfolg zunehmend größer wird, tauchen auch die Geister der Vergangenheit wieder auf und Paul steht neuerlich vor einer Entscheidung…
Wie würde man reagieren, wenn man vollkommen unerwartet die Chance auf ein neues Leben bekommt? In der Verfilmung des Romans „Nachtblende“ des amerikanischen Schriftstellers Douglas Kennedy ändert ein kurzer Moment der Wut das Leben des gut-situierten Paul, der zwar ein erfolgreiches Leben führt, aber sich mit der Tatsache abfinden muss, dass er seine Kreativität, Wünsche und Ideale einem erfolgreichen Leben opfern musste dennoch vor den Trümmern seines Lebens steht. Als seine Frau die Scheidung verlangt und der Nebenbuhler unabsichtlich ums Leben kommt nutzt Paul die Möglichkeit, dessen Identität zu übernehmen und an einem anderen Ort neu anzufangen. Doch wie so oft, lassen sich die Geister der Vergangenheit nicht so einfach abschütteln und durch die neu entfachte Kreativität zieht Paul im ehemaligen Jugoslawien bald mehr Aufmerksamkeit auf sich, als ihm eigentlich lieb ist.
Was sich in der kurzen Inhaltsangabe aber nach einem handfesten Thriller anhört, ist im Grunde aber eher ein ruhiges Selbstfindungsdrama, das von Regisseur Eric Lartigau wunderbar und in schönen Bildern in Szene gesetzt wurde. „L’homme qui voulait vivre sa vie“ – so der französische Originaltitel – beginnt auch eher ruhig und unspektakulär und zeigt Paul in seinem Umfeld, das zwar perfekt scheint, aber für den jungen Mann in gewisser Weise auch zu einem Gefängnis geworden ist. Ein aktueller Fall erinnert den erfolgreichen Mann außerdem an seine eigenen Träume, die er zugunsten wirtschaftlicher Sicherheit für sich und seine Frau geopfert hat. Dennoch hat sich das einstmals glückliche Paar zwischenzeitlich verloren und seine Frau stürzt sich in eine Affäre mit dem unangepassten Gregoire, der zwar nicht so erfolgreich ist, aber immer seinen Träumen gefolgt ist.
Das Hauptaugenmerk des über weite Strecken ruhigen Filmes liegt dann auch auf der charakterlichen Entwicklung des Mannes vom geschäftstüchtigen und eloquenten Anwalt bis hin zu einem besonnenen Mann, der seine eigentliche Berufung im kreativen Bereich. Ein Mann, der sich fortan immer auf der Flucht befindet und als Preis für seine Freiheit seine geliebte Familie für immer zurücklassen muss. Die Geschichte des interessanten Streifens ist trotz leiser Töne sehr gelungen und trotz längerer Laufzeit bleibt „Nachtblende“ stets spannend. Das einzige was man an der Story etwas bekritteln könnte, ist das doch etwas ruppige Finale am Schiff, dass meines Erachtens irgendwie vom Tempo und Inszenierung nicht so recht zum Rest des Filmes passen mag.
Dennoch ist „Nachtblende“ - nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Film von Andrzej Zulawski - ein sehr gelungener Film, der vor allem von der intensiven Darstellung von Romain Duris lebt, der es schafft, seinem doch sehr ambivalente Charakter das Leben und Authentizität einzuhauchen, dass notwendig ist, um den Zuschauer für sein Schicksal zu begeistern. Trotz der sehr unterschiedlichen Welten, in der sich Paul im Verlauf des Filmes bewegt, bleibt der Charakter stets glaubwürdig und die Verzweiflung und auch Hilflosigkeit des jungen Mannes ist beeindruckend gespielt.
Auch bei den restlichen Darstellern stimmt eigentlich alles. Im Gegensatz zum Buch ist die Rolle der Gattin sympathisch und für den Zuschauer nachvollziehbar. Marina Fois, die im wahren Leben mit dem Regisseur Lartigau zusammenlebt, spielt ebenfalls sehr gut. Ebenfalls abgeändert wurde die Rolle von Catherine Deneuve, deren literarisches Vorbild männlicher Natur ist. Die Idee die (leider zu kurze) Rolle aber mit der Grande-Dame des französischen Kinos zu besetzen und das Verhältnis der Beiden freundschaftlich-mütterlich zu gestalten ist ebenfalls sehr gut gelungen. Aber auch die restlichen Darsteller sind sehr gut besetzt und tragen dazu bei, dass der Streifen sehr gut funktioniert.
Die Blu-Ray-Disc aus dem Hause Universum Film bringt den Streifen aus dem Jahre 2010 in sehr guter Bild- und Tonqualität. Als Bonusmaterial gibt es neben dem deutschen und dem Originaltrailer auch noch ein interessantes Gespräch mit Regisseur Eric Lartigau und Autor Douglas Kennedy, in dem auch auf die Unterschiede zwischen Buch und Film eingegangen wird. Außerdem gibt es auch eine Featurette in dem die beiden Hauptdarsteller und Regisseur über den Film und ihre Rollen sprechen. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit einem Wendecover ohne FSK-Logo.
Unterm Strich bleibt ein intensives, wenn auch eher ruhig inszeniertes Arthouse-Psychogramm eines Mannes, der aus seinem Leben ausbricht und in einem fremden Land seine Erfüllung sucht. Der starke Streifen verzichtet nahezu auf plakative Momente und legt den Fokus auf die seelische Entwicklung eines gebrochenen Mannes, der durch die Fotografie wieder Auftrieb erhält. „Nachtblende“ ist technisch und schauspielerisch absolut top und auch die Geschichte hat mich über weite Teile begeistert. Irgendwie also genau mein Dingens, aber das etwas überstürzt wirkende Vor-Finale und der etwas lahme Beginn verhindern dann die Höchstwertung, aber 8 von 10 Punkten ist mir der Streifen auf jeden Fall wert. Sehenswert!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7817
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