project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Inmitten einer Wüste wartet ein bieder aussehender Mann (Jack Plotnick) mit einer Handvoll Ferngläser. Sekunden später naht ein Polizeiwägen, der in Schlangenlinien bereitgestellte Sessel über den Haufen fährt. Dem Kofferraum entsteigt ein Polizist namens Chad (Stephen Spinella) der einen Monolog über Zufällig- und Willkürlichkeiten in bekannten amerikanischen Filmen hält. Doch der Monolog entpuppt sich als Vortrag für eine Ansammlung von Personen, denen der Polizist eine Hommage an die „reine Willkür“ verspricht. Es werden die Ferngläser überreicht und das unbedarfte Publikum seinem Schicksal überlassen. Und so warten die zahlreichen Menschen darauf, dass endlich etwas Überraschendes passiert.
Und das tut es auch, als kurze Zeit später auf einem Schrottplatz ein Autoreifen namens Robert vor den Augen einer staunenden Menge von Zuschauern zum Leben erwacht. Die ersten Rollversuche von Robert sind zwar noch etwas zaghaft, aber schon bald hat der Reifen große Freude daran, Dinge und Tiere mit seinem Profil so richtig platt zu machen. Als der Reifen diesbezüglich an seine physischen Grenzen stößt und daraufhin auch noch telekinetische Fähigkeiten entwickelt, dreht er in seiner Zerstörungswut so richtig auf und lässt schon bald mehr Köpfe von Menschen platzen, als David Cronenberg zu seinen besten Zeiten. Doch dann verliebt sich der Reifen in ein Mädchen (Roxane Mesquida) und weiteres Unheil nimmt seinen Lauf…
Der 1974 geborene Musiker und Filmemacher Quentin Dupieux ist und bleibt einfach ein Spaßvogel vor dem Herrn. Egal ob er loszieht um mit einer gelben Stoffpuppe namens „Flat Eric“ die Werbewelt zu revolutionieren und dabei einen Welthit landet oder bei dem Elektro-Label „Ed Banger“ in Anlehnung an alte Ravezeiten Technotracks mit Titeln wie „Bruce Willis is dead“ vom Stapel lässt – immer ist in seinen Werken auch ein bestimmter Humor und selbstironischer Ausgangspunkt zum Produkt zu vernehmen, der seine Werke auch von vergleichbaren Produkten unterscheidet. Sein Streifen „Rubber“ setzt dem ganzen jetzt aber die absolute Krone auf und überrascht den Zuschauer nicht nur mit einer haarsträubenden Geschichte, sondern auch noch einer konsequenten Umsetzung derselben und reihenweisen Arschtritten in Richtung Hollywood.
Zugegeben, als ich zum ersten Mal von der Film „Rubber“ und dessen Inhalt hörte, konnte ich mir ein dezentes „WTF?“ natürlich nicht verkneifen. Ein rachsüchtiger Reifen, der in der Wüste reihenweise Menschen platt macht – so etwas hat die Welt bisher natürlich nicht gesehen. Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass „Rubber“ auch gleich mangels vergleichbarer Werke als „Der beste Killerreifen-Film den sie je gesehen haben“ beworben wird. Stimmt ja dann auch und „Rubber“ ist abgesehen von seiner haarsträubenden Geschichte, die mehrfach ironisch gebrochen wird sowieso auch ein verdammt irrwitziger Party-Streifen mit der Extraportion Kult-Potential, der mit dem Zuschauer so seine lieben Scherze treibt und bis zum Ende auf seine Art und Weise absolut unberechenbar bleibt.
„Rubber“ arbeitet ja auch auf zwei erzählerischen Ebenen. Neben dem hübsch in Szene gesetzten Reifen-Amoklauf im Grindhouse-Stil gibt es ja noch einen weiteren Erzählungsstrang von Zuschauern vor Ort, deren Erwartungshaltung auf ein mainstreamiges Vergnügen von einem durchtriebenen Regisseur ordentlich sabotiert wird. Hier wird dann natürlich brav in Richtung Publikum ausgeteilt, dass sich in den letzten Jahren in diesem Bereich so manche Kacke vorsetzen hat lassen. Auch andere negative Gewohnheiten des Kinopublikums werden humorvoll aufs Korn genommen und in dem Streifen verarbeitet. Doch so einfach macht es sich Dupieux auch nicht und im Gegenzug erweist sich auch das vermeintlich kontrollierbare Publikum mit seinen vorhersehbaren Reaktionen unerwartet hartnäckig und lässt mit ihrem Verhalten die Handlung auch erst so richtig eskalieren.
Quentin Dupieux´ „Rubber“ ist dann in erster Linie auch ein gigantischer Joke auf Zelluloid, der auch über weite Strecken auch hervorragend funktioniert. Ehe man sich versieht, hat der ausrangierte Reifen auch schon die Sympathien der Zuschauer auf seiner Seite und wenn Dupieux in einer Szene das Leben des Reifens inklusive Backflash auf die frühere Nutzung Revue passieren lässt, dann ist das gemeinsam mit der Film-im-Film-Thematik ein grandioses Beispiel in Sachen gelungener Zuschauermanipulation. Das kann man jetzt lustig finden, oder eben auch nicht - ein Faible für schräge Einfälle und einen großen Patzen Humor sollte der aufgeschlossene Zuschauer schon mitbringen, da herkömmliche Sehgewohnheiten bewusst persifliert werden.
Technisch gibt es bei „Rubber“ ja wenig zu bemängeln und der Streifen hat einen grandiosen und dreckigen Look, der an Streifen aus der Grindhouse-Ära erinnert. Die Special-Effects inklusive zahlreicher zerplatzender Köpfe sind sehr gelungen und offensichtlich hatte auch die FSK einen guten Tag, als sie dem schrägen und spaßigen Streifen eine FSK16-Freigabe verpasste. Musikalisch hat sich Quentin Dupieux natürlich nicht lumpen lassen und hat gemeinsam mit Kollegen Gaspard Augé von Electro-Rocker-Duo Justice dem Reifen einen hörenswerten Soundtrack auf die Spur geschneidert, der bereits im Jahre 2010 auf Ed Banger erschienen ist und auch der Limited Collectiors Edition beiliegen wird.
Darstellerisch gibt es auch wenig zu bemängeln und vor allem der anspruchslose Hauptdarsteller Robert macht trotz geringer Profiltiefe als ausgedienter Altreifen auch ohne Text stets eine gute Figur. Stephen Spinella als Lieutenant Chad kennt man neben Gus van Sants Biopic „Milk“ auch aus der Serie „Desperate Housewives“. Jack Plotnik ist wie auch B-Haudegen Wings Hauser ein gern gesehener Seriendarsteller und beide bieten wie üblich solide Leistungen. Als optischer Aufputz des Streifens dient die Französin Roxane Mesquida, die der eingefleischte Fan auch aus Gregg Arakis ungewöhnlichen „Kaboom“ und der schweizerischen Sagenverfilmung „Sennentuntschi“ kennt. In einer Nebenrolle gibt es dann auch noch den jungen Remi Thorne, der in dem bereits besprochenen Kurzfilm „BAD“ die Hauptrolle spielte.
Die Blu-Ray-Disc aus dem Hause Capelight bringt den humorvoll-schrägen Streifen in sehr guter Bild- und Tonqualität, wobei ich an dieser Stelle natürlich zur englischen Originalfassung raten würde. Die deutsche Synchro ist zwar gelungen, aber in der englischen Fassung zünden die Gags teils dann doch einen Tick besser. Neben der Single-Variante mit gewöhnungsbedürftigem und arg hässlichem Cover ist ja auch die bereits erwähnte Special-Edition inklusive Soundtrack-CD angekündigt. Im Bonus-Bereich gibt es auch bei der Einzel-Disc eine Handvoll Interviews mit Regisseur und Cast, wobei der exzentrische Regisseur auch hier die Lacher auf seiner Seite hat. Abgerundet wird das positive Gesamtpaket dann noch mit Wendecover und einer ausgiebiger Trailershow mit anderen – durch die Bank – empfehlenswerten Filmen aus dem Hause Capelight.
Unterm Strich ist „Rubber“ ein augenzwinkernder und selbstironischer Scherz im (Horror-)Film-Format über einen durchdrehenden Killerreifen, bei dem Regisseur Quentin Dupieux auch nach allen Seiten austeilt und dadurch die Lacher größtenteils auf seiner Seite hat. Dieser Streifen wird sicherlich noch für allerlei offene Münder sorgen, die Gemüter erhitzen und die Geschmäcker spalten. Ich hingegen prophezeie dem grindhousigen Streifen eine große Zukunft als Party-Movie mit der Extra-Portion Kult, dem man auch mehr als nur eine Chance geben sollte. Wenn man sich einmal in ferner Zukunft einmal an die schrägsten Filme aller Zeiten zurückerinnert, wird „Rubber“ definitiv eine Rolle spielen. Ich hab mich jedenfalls bei meinen beiden Sichtungen an darauffolgenden Tagen köstlich amüsiert und kann „Rubber“ abgesehen von Profil-Neurotikern und Pneu-Phobikern auch nur allen Freunden von schrägen Filmen ans Herz legen. Prädikat: besonders abgefahren!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7816
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@ Jochen,
Danke für die schnelle Bearbeitung der beiden letzten Reviews!!!
Kurze Frage, könntest Du dir auch vorstellen, ein Review zu "Four Lions" zu schreiben, wenn er auf DVD bzw. Blu-ray veröffentlicht wird? Der Trailer ist ja schon sehr geil - leider hatte ich den im Kino verpasst.
Der "Infestation" ist leider ein Reinfall, hatten uns letztens die Blu-ray gekauft - aus dem Thema hätte man einen richtig guten Film machen können.
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jogiwan schrieb:
ja klar - den Trailer hab ich ja schon ein paar Mal gesehen und schmunzeln müssen ))
Ist halt ein sensibles Thema.
Aber ich freue mich auch auf den, wird sicher spaßig werden, hoffe nur das man im Trailer schon alle Gags gesehen hat.
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