project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
Sie sind nicht angemeldet.
Das wohlhabende Ehepaar Jaime (Fernando Cayo) und Marta (Ana Wagener) zieht gemeinsam mit ihrer pubertierenden Tochter Isa (Manuela Vellés) in ein luxuriöses, aber doch etwas abgelegenes Haus am Rande von Madrid. Als sie am ersten Abend nach dem ganzen Stress mit der Übersiedelung gemeinsam bei Wein und einem guten Essen feiern wollen, ist Isa wenig begeistert, da diese lieber mit ihrem Freud Cesar auf einer Party feiern würde. Als der Vater dieses erlaubt, sieht sich die Mutter in ihrer Autorität untergraben und es kommt zu einem kleineren Streit, der jedoch mit dem Eindringen von drei maskierten Männern jäh unterbrochen wird.
Marta und Isa werden von den Fremden geknebelt, während der Vater angewiesen wird, als Bankomat- und Kreditkarten der Familie auszuhändigen. Unter Androhung von Gewalt an seiner Familie wird Jaime genötigt mit einem der Kidnapper zur nächsten Bank zu fahren um alle möglichen Bargeldbeträge abzuheben. Verzweifelt versucht er dort Passanten auf seine Situation aufmerksam zu machen, doch als die Entführer das bemerkt, gibt er über Telefon die Anweisung die Frau zu quälen, was Jaime auch hilflos mit anhören muss.
Doch auch im Haus werden die Übergriffe auf die verbliebenen Geiseln immer brutaler und als unvermittelt auch noch Cesar auftaucht, wird dieser ebenfalls in die Gewalt der Kidnapper gebracht. Als sich Marta und Isa in einem Raum im Keller verschanzen, drohen die Entführer den Jungen zu erschießen. Danach läuft jedoch alles schief und die Situation gerät endgültig außer Kontrolle. Als auch noch einer der Kidnapper sich an Isa vergeht und auch der Vater bemerken muss, dass die Geiselnehmer anscheinend zu allem bereit sind, wagt er einen letzten Versuch, sich aus seiner Situation zu befreien und setzt damit sein und das Leben seiner Familie aufs Spiel…
Das traute Heim als Todesfalle ist ja bei Filmemachern ein beliebtes Thema. Sei es in Michael Hanekes „Funny Games“ in dem zwei wohlerzogene Jugendliche eine dreiköpfige Familie aus Spass an der Freude zu Tode quält oder auch Bryan Bertinos „The Strangers“ in denen Liv Tyler samt Freund scheinbar grundlos von maskierten Menschen in ihrem Haus gequält werden. Auch in dem spanischen Terrorfilm „Kidnapped“ wird das neue Haus einer wohlhabenden Familie durch die Übergriffe von gewaltbereiten Einbrechern zu einem blutigen Alptraum, aus dem es scheinbar kein Entrinnen gibt.
Während aber Michael Haneke mit seinem Streifen und dem Remake mit schonungslosem Realismus und aber der Erwartungshaltung des Torture-Porn-Publikum eins vor den Latz knallen wollte (auch wenn der Streifen sein angepeiltes Publikum ohnehin nicht fand) so geht der spanische Regisseur Miguel Ángel Vivas mit seinem 2010 entstandenen Streifen den genau umgekehrten Weg und befriedigt über Gebühr die Erwartungen des modernen und härte-verwöhnten Publikums und liefert einen herben und brutalen Geiselnahme-Thriller ab, der in Echtzeit und ohne Schnitte aufgrund seiner Intensität wohl jedem Zuschauer ordentlich in die Magengrube tritt.
„Kidnapped“ ist dann leider gerade deswegen auch ein etwas zwiespältiges Vergnügen, wenn nach einem starken Auftakt das auf aktuellen Begebenheiten basierende Drehbuch für die Familienmitglieder nur noch etwas befremdliche Entwicklungen und Verhaltensweisen bereit hält. Natürlich agieren alle Protagonisten immer auf die falscheste Weise, Opfer werden zu Täter und schon bald wird aus der Geiselnahme ein blutiger Alptraum, aus dem es für niemand ein Entrinnen zu geben scheint. Dabei war mir persönlich die ganzen Entwicklungen dann aber einfach doch viel zu wüst und dadurch zu konstruiert. Auch das extrem zynische und vor allem doch etwas unglaubwürdig inszenierten Finale der Gewalteskalation, war mir persönlich doch zu sehr darauf abgezielt, etwaige Hoffnung des Zuschauers auf einen halbwegs friedlichen Ausgang der ganzen Sache gehörig zu sabotieren.
Dabei gibt es in „Kidnapped“ eigentlich auf den ersten Blick keine technischen Mängel auszumachen. Der Film ist stimmig und dreht die Spannungsschraube stetig an vor allem die Szenen, in denen sich die Handlungsorte dank Slitscreen teilt, und das ganze aus Opfer-/Täter-Sicht präsentiert sind wirklich verdammt gut ausgefallen. Der Härtegrad ist im oberen Bereich und überlässt die intensivsten Szenen dennoch der Fantasie des Zuschauers. Und trotzdem bleibt nach dem Ende des Streifens doch ein etwas schaler Geschmack zurück, dass die ganze Geiselnehmer-Sause (Kidnappig ist ja streng genommen etwas anderes) einzig und allein darauf abzielt, dem Zuschauer größtmögliches Unbehagen zu bereiten, was auch zweifelsfrei gelungen ist.
Die Spanier scheinen ja auch langsam den Franzosen in Punkto Terrorfilm den Rang abzulaufen. Aus dem Land der Croissants kommen ja in letzter Zeit eher halbgare Werke, während Spanien mit einer Handvoll interessanter und vor allem unkonventioneller Werke punkten kann. Auch „Kidnapped“ setzt mit seiner Inszenierung, die mich persönlich auch sehr an „[Rec]“ ohne Zombies oder auch „Buried“ erinnert in Punkto Terrorfilmchen mit seinem Bezug auf aktuelle Kriminalfälle einen neuen Höhepunkt. „Kidnapped“ kommt zwar nicht gänzlich, jedoch größtenteils ohne Over-The-Top-Gore aus und ist mit seinem Unhappy-End ein derartiger Downer vor dem Herrn ist, dass der Streifen sicherlich noch kontrovers diskutiert werden wird.
Regisseur Vivas hat bei seinem Werk bewusst auf allzu bekannte Gesichter verzichtet, damit der Zuschauer die Darsteller zwecks Authentizität nicht mit anderen Rollen verbindet. Fernando Cayo, der auch schon in dem Gothic-Grusler „Das Waisenhaus“ zu sehen war, spielt den leidenden und verzweifelten Vater mit absoluter Glaubwürdigkeit und ist sicherlich ideal besetzt. Ana Wagener ist als seine Ehefrau ebenfalls eine Wucht und im heurigen Jahr auch schon in Alejandro Gonzalez Inarritus mehrfach ausgezeichneten Drama „Biutiful“ zu sehen. Auch sie meistert ihre Rolle, die körperlich sicherlich viel abverlangt hat ebenso mit Bravour, wie auch die Filmtochter Isa, die von der 1987 geborenen Manuela Velles verkörpert wird. Auch die anderen Rollen sind gut besetzt und lassen dem Film trotz seiner dramaturigischen Mängel glaubhaft erscheinen.
Die „Blu-Ray-Disc“ aus dem Hause Universum-Film bringt den spanischer Terrorfilm in sehr guter Bild- und Tonqualität, wobei „Kidnapped“ sicherlich kein Streifen ist, der die Vorzüge von Blu-Ray in vollem Maße ausspielen kann. Nachdem ursprünglich der Weg zur FSK in Hinblick auf „Keine Jugendfreigabe“ gewählt wurde, ist dieses jedoch aufgrund der Gewaltdarstellung verwehrt geblieben. Dennoch wurde der Streifen dankenswerterweise nicht zensiert, sondern zur Prüfung bei der SPIO/JK eingereicht, die letztendlich auch „keine schwere Jugendgefährdung“ attestierte, sodass der intensive Streifen dennoch ungekürzt unter die Leute gebracht werden kann. Neben Wendecover gibt es dann auch noch ein kurzes Making-Of im Printmedien-Style (!), sowie den Trailer.
Unterm Strich ist „Kidnapped“ sicherlich der bisherige Terror-Höhepunkt des heurigen Jahres, der auch furchtbar intensiv daherkommt und Fans des Genres kaum enttäuschen wird. Wer jedenfalls Lust auf einen absoluten und kompromisslosen Downer hat, ist mit dem spanischen Streifen sicher gut beraten. Mir persönlich war die ganze Sache dann nach einem starken Auftakt doch etwas zu konstruiert und schlittert dann mit seinem zu gewalttätigen Finale doch etwas an der absoluten Glaubwürdigkeit vorbei. Dennoch funktioniert „Kidnapped“ ungemein gut und wie aktuell diese Thematik ist, zeigt die Tatsache, dass ich am Morgen nach der Sichtung in der Zeitung erfahren durfte, dass einer Industriellenfamilie in der Nähe meiner Heimatstadt das gleiche Schicksal, wenn auch mit einem glücklicheren Ausgang widerfahren ist. 7/10 Punkten
Offline
@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7698
Offline