project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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“Als ich noch ein Kind war, gab es in unserer Nachbarschaft eine Gruppe von Rentnern, die in den Hintergassen und unter Brücken rumhingen und sich ständig betranken und tanzten. Eines Nachts sah ich aus meinem Schlafzimmerfenster, wie einige von ihnen Mülltonnen fickten und dabei lachten. Es klang, als ob sie in einer fremden, erfundenen Sprache sprächen. Dies ist ein Film über sie.” (Harmony Korine)
Eine Gruppe, bestehend aus zwei Männern und einer Frau im sehr fortgeschrittenen Alter geht und fährt wahllos durch die heruntergekommenen Strassen und Plätze einer amerikanischen Vorstadt. Dort blicken sie in fremde Häuser, kacken vor dessen Garagen, ficken die Mülltonnen und lassen von Zeit zu Zeit ihrer anarchistischen Zerstörungswut vollkommen freien Lauf. Begleitet werden sie dabei von einer weiteren Person, die das bunte Treiben mit einer VHS-Kamera und für die Nachwelt festhält. Auf ihren Streifzügen treffen sie auf Menschen am Rande der Gesellschaft und philosophieren mit ihren gemeinsam über das Leben auf der Verliererstrasse. Sie verderben Kinder, vergnügen sich mit Nutten und zwischendurch wird auch einmal einer der getroffenen Loser mit dem Hammer erschlagen. Danach ziehen sie weiter, trinken Alkohol, brechen in Häuser ein und genießen das selbstgewählte Leben als Freaks in vollen Zügen.
Als ich unerwarteter Weise die DVD zu dem Film “Trash Humpers” in Hände bekommen habe, hat sich die Freude darüber erst einmal etwas in Grenzen gehalten. Das neueste Werk des amerikanischen Regisseurs und Drehbuchautors Harmony Korine lässt ja schon in der Aufmachung und Inhaltsangabe erahnen, dass es sich dabei um einen Frontalangriff auf herkömmliche Sehgewohnheiten handelt und den Zuschauer nebenher eine bitterböse, trashige und überspitzte Abrechnung mit der Konsumgesellschaft erwartet. Auf die Idee mit der White-Trash-Terror-Gang im Greisenalter muss man ja auch erst einmal kommen, auch wenn diese laut Aussage des Regisseurs (siehe oben) auf realen Personen basieren.
Der Name Harmony Korine war mir im Vorfeld ja jetzt nicht unbedingt ein Begriff und als ich auch noch erfahren hab, dass sich der werte Herr für das Drehbuch von Larry Clarks Portrait einer moralisch degenerierten Jungend unter dem Titel „Ken Park“ verantwortlich zeichnet, den ich nebenher für einen der schlechtesten und tendenziösesten Filme ever halte, war mir eigentlich klar, dass auch die Geschichte der „Trash Humper“ (zu dt. etwas „Müll-Bumser“) wohl nicht meinen Geschmack treffen wird. Auch die wenigen Stimmen im Netz über den Anti-Kunstfilm sind ja nicht unbedingt positiv und sowieso und überhaupt war mir von vornherein klar, dass dieser Film einfach nur grottig und unsympathisch sein kann.
Der 2009 entstandene „Lobgesang auf den Vandalismus“ des umtriebigen Regisseurs mit dem irreführenden Vornamen ist ja auch in allen Belagen darauf angelegt, bei Zuschauer erst einmal eine ablehnende Haltung zu provozieren. Der Film wurde auf VHS gedreht und das Material anschließend nochmals in der Qualität reduziert und auf Home-Video getrimmt, was in Zeiten von Blu-Ray und 3D-Effektkino natürlich ein Stinkefinger in Richtung Qualitäts-verwöhnten Zuschauer ist. Eine Geschichte im herkömmlichen Sinn wird ebenfalls nicht geboten und neben den (bewusst nervigen) Protagonisten werden ausnahmslos hässliche Menschen in heruntergekommenen Behausungen gezeigt. Dass es sich bei den Darstellern dann auch noch um Schauspieler handelt, die mittels Make-up auf alt getrimmt wurden, lässt die ganze Unterschichten-Sause dann auch nicht unbedingt authentisch wirken.
Zweifelsfrei ist „Trash Humpers“ auch kein wirklich guter Film und eher ein experimentelles Vergnügen, doch nach Sichtung des Streifens muss ich ehrlich gestehen, dass der Streifen wider Erwarten gar nicht mal so schlecht ist und bei der doch recht kurzen Laufzeit – zumindest bei mir - auch keine Langeweile aufgekommen ist. Die Inszenierung ist irgendwo zwischen „Jackass“ und dem ganzen Bodensatz, dass uns als Doku-Soap auf privaten Sendern verkauft wird. Zum Glück wird jedoch auf eine zu drastische Darstellung verzichtet und alles, dass sich in der Inhaltsangabe als arg anhört, ist im Grunde recht harmlos ausgefallen. Mit dem nötigen Humor, Abstand, Hang zum Low-Budget und dem Wissen, dass es sich natürlich um bewusste Provokationen am laufenden Band handelt, kann man den Streifen dann auch wider Erwarten recht gut gucken.
Ob es diese auf Krawall gebürstete Soziopath-Senioren in den Staaten tatsächlich gibt, kann ich natürlich nicht beantworten, dienen in dem Streifen aber auch eher dazu, einen bitterbösen Blick auf den sogenannten White-Trash zu werfen. Dieser Begriff bezeichnet ja im amerikanischen Raum, die weiße Bevölkerungsschicht, die mangels finanzieller Möglichkeiten, Absicherung und Ausbildung am äußeren Rand der Gesellschaft leben und denen mangels anderer Perspektiven oftmals nur der Weg in Alkoholismus, Armut und Kriminalität bleibt. Auf diese Personen wird dann von der Mittelschicht aufwärts nicht nur verächtlich herabgeblickt, sondern sie werden auch noch zunehmend als Bedrohung wahrgenommen.
Und genau hier setzt „Trash Humpers“ an. Die hier portraitierten Personen entstammen wohl genau dieser Schicht und rächen sich nun an der Leistungsgesellschaft, die sie auch aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters und sozialen Umfeld zu Außenseitern gemacht hat. Anstatt irgendwo in einem Heim ruhig auf den Tod zu warten, drehen die Senioren so richtig auf und scheren sich um einen Dreck um gesellschaftliche Konventionen. Und so lebt die illustre Runde mit viel Alkohol in den Tag hinein, verdirbt Kinder, spielt infantil mit Puppen, fährt mit dem BMX-Rad durch die Gegend und irritiert so den Zuschauer mit sehr seltsamen Verhaltensweisen, die so gar nicht altersadäquat sind. Der ganze Streifen ist auch mit seiner Inszenierung generell sehr irritierend und man ist als Zuschauer dann auch ganz leicht geneigt, die leiseren Untertöne und Sozialkritik dabei zu übersehen. Doch „Trash Humpers“ hat trotz seiner grotesken und dadaistischen Krawall-Momente und durchaus philosophische Untertöne, in denen die Personen über das Leben sprechen.
Diesen Film qualitativ dann nach herkömmlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist natürlich unmöglich. Die Bildqualität ist als bewusst gewähltes Stilmittel unterirdisch und immer wieder von Schnitten und Bildfehlern unterbrochen. Ein Soundtrack ist nicht vorhanden und der Ton wurde wohl immer „on location“ aufgenommen, was oftmals dazu führt, das man nicht immer alle Dialoge versteht. Da auf der Scheibe auch keine deutschen Untertitel vorhanden sind, sollte man schon der englischen Sprache schon etwas mächtig sein und nebenher auch ein paar derbe Schimpfwörter kennen. Im Bonusbereich gibt es neben zwei Kurzfilmen dann auch noch unverwendete Szenen und ein schickes Booklet mit s/w-Bildern vom Film, sowie kurzen Texten.
Unterm Strich ist „Trash Humpers“ eher experimentelles Kunstkino in Form eines VHS-Homevideos, dass nicht als herkömmlicher Spielfilm zu sehen ist und wohl auch nicht umsonst im Umfeld des unberechenbaren Elektronik-Label „Warp“ entstanden ist. Ein episodenhafter Anti-Streifen, in denen auf alt-geschminkte Darsteller wie in Lars von Triers Streifen „Idioten“ ihre Außenseiterrolle zelebrieren und ohne Rücksicht auf Moral ihrerseits den Angriff auf die Gutbürgerlichkeit starten. Würde der Film auch eine Geschichte erzählen, wäre er wohl ein idealer Kandidat für ein kultiges Midnight-Movie. Aber so stellt „Trash Humpers“ „nur“ den absoluten Gegenentwurf zum Mainstream-Kino dar, dessen Botschaft sich mir nicht ganz erschließt und daher wohl auch nur für aufgeschlossene Personen geeignet ist. Ohne Wertung!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, dass nun auch endlich Online ist: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7399
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