project: equinoX Forum

In einer nicht näher genannten Zukunft herrscht auf der Erde ein brüchiger Friede. Territoriale Kriege in herkömmlicher Form gibt es nicht mehr und anstelle dessen werden von den beiden Rüstungskonzernen „Rostock“ und „Lautern“ erbitterte Luftkriege medienwirksam inszeniert, die auf der einen Seite von sogenannten Kildren bestritten werden. Das sind genetisch veränderte Menschen mit der Optik von Kindern, die weder altern, noch sonderlich empathiefähig und beinahe emotionslos ihrem tödlichen Treiben nachgehen. Nur Im Kampf können diese Kildren getötet werden und sind somit die perfekte Waffe in diesem hochgerüsteten Kampf. 

Eines Tages wird der zurückhaltende Pilot Yuichi auf eine kleine Basis versetzt, wo er den Piloten Jin Roh ersetzen sollen. Dieser scheint wie so viele andere Kildren im Kampf gefallen zu sein und auch Yuichi kann sich gar nicht mehr so recht daran erinnern, wie viel Flüge und Luftkämpfe er schon in seinem Leben absolviert hat. Er übernimmt widerwillig dessen Maschine und trifft auf seine vorgesetzte Suito, die seine Fragen zu seinem Vorgänger nicht beantworten möchte. Auch seine Kollegen hüllen sich in Schweigen und können oder wollen seine Fragen zu Jin Roh nicht beantworten.

Und so kehrt langsam wieder Alltag in das Leben der jungen Kildren-Piloten ein. Yuichi absolviert mit seinem Zimmerkollegen Nafumi täglich seine Kontrollflüge und die Zeit dazwischen wird von den Beiden mit Diner-Besuchen und den beiden Prostituierten Kusumi und Coco vertrieben. Von Coco erfährt Yuichi auch etwas mehr über Jin Roh und dessen Verhältnis zu Suito. Dass diese außerdem trotz Kilden-Dasein auch eine Tochter names Misuki hat, mach Yuichi weiter stutzig und er versucht hinter das Gut gehütete Geheimnis zu kommen.

Wenig später steht ein großer Übergriff an und Yuichi und seine Kollegen treffen auf einer größeren Basis auf weitere Kildren. Darunter ist auch ein Mädchen, dass Yuichi dazu bewegt, sich erstmals mit seiner eigenen Existenz und Vergangenheit auseinander zu setzen. Als sich auch noch das Gerücht von einem erfahren Piloten die Runde macht, der von allen nur der „Teacher“ genannt wird, und reihenweise Kildren vom Himmel schießt und er erfährt, dass Suito selbst Jin Roh erschossen hat, macht er sich auf, um sich am Himmel seinen eigenen Ängsten zu stellen...

Den japanischen Anime-Regisseur Mamoru Oshii kennt der geneigte Fan ja vor allem durch den 1995 entstandenen Klassiker „Ghost in the shell“, der in actionreichen, aber auch sehr ruhigen Szenen eine recht düstere Zukunftsvision zeichnet, in der Mensch und Maschine miteinander verschmelzen und die ursprüngliche Identität des Menschen über die Jahre abhanden gekommen ist. Auch „The Sky Crawlers“ verfügt über eine ähnliche Thematik und entwirft abermals ein recht düsteres Bild einer nahen Zukunft, in der die Menschheit mittels inszenierter Kriege ruhig gehalten werden. In einer Schlüsselszene des Films verrät Suito dann auch, dass die Menschheit diese Kriege benötigt, damit sie den Frieden schätzen können.

Vermutlich sind diese Kildren dann auch nur zu diesem Zweck „erschaffen“ worden, um stellvertretend für die Menschen in einen inszenierten Krieg zu ziehen, bei dem ständig das Gleichgewicht der Kräfte beibehalten wird. Wer oder was diese Kildren aber genau sind und woher sie stammen und ob sie im Labor oder auf natürlichem Wege geboren wurden und warum diese nicht altern (wollen), wird dem Zuschauer jedoch nicht offenbart. Im Laufe des knapp zweistündigen Films werden eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen, die jedoch nur bruchstückhaft beantwortet werden. Nähere Hintergründe und auch die Beziehungen der Protagonisten zueinander sind vom Zuschauer größtenteils auch nur zu erahnen.

Gleich zu Beginn von „The Sky Crawlers“ wird der Zuschauer unvermittelt in ein Luftgefecht geworfen, das atemberaubend und photo-realistisch in Szene gesetzt wurde und wirklich die Kinnladen nach unten klappen lässt. Was heutzutage mittels CGI möglich ist, ist unfassbar und die schnell-geschnittenen Szenen sind auf den ersten Blick auch gleich gar nicht mehr von realen Bildern zu unterscheiden. Die Kamera bewegt sich völlig frei und als Zuschauer sieht man diese Szenen durchgehend von innerhalb und außerhalb des Cockpits. Die Art und Weise, wie die gesamte Eingangssequenz samt Flug durch die Wolken realisiert wurde, ist schlichtweg sensationell und auch dank der stimmigen Musik von Kenji Kawai wird der Zuschauer auf ein besonderes Werk eingestimmt.

Doch nach der Landung von Yuichis Flugzeug wird das Tempo des Filmes komplett nach unten geschraubt und die ungewöhnliche Geschichte über die kindlichen Piloten und ihren existenziellen Problemen wird von Oshii beinahe im Zeitlupentempo erzählt. Der japanische Regisseur bleibt ja seinen Trademarks treu und will seinen Zuschauer auch eher zum Denken animieren, als pure Unterhaltungswerke zu schaffen. Und so wechseln wie schon bei „Ghost in the Shell“ atemberaubende Actionsequenzen mit beinah meditativen Szenen, in denen scheinbar wenig bis gar nichts passiert und die den Zuschauer aber trotzdem zum Denken anregen.

Die Geschichte ist dabei aber durchaus interessant, aber ich verstehe die Stimmen im Netz, die „The Sky Crawlers“ in einer gewissen Weise gepflegte Lageweile unterstellen. Im Vorfeld hätte ich mir vielleicht ja auch ein etwas anderes Werk erwartet und der Action-verwöhnte Anime-Fan wird mit dem 2008 entstandenen Werk auch nur bedingt etwas anfangen können und wird wohl geneigt sein, die FF-Taste der Fernbedienung gleich mehrmals zu betätigen. Wer außerdem gleich mit dem Beginn des Abspanns den Film ausmacht, verpasst außerdem noch eine wichtige Szene, dich ich als aufmerksamer Zuschauer aber schon in dieser Art und Weise erwartet habe.

„The Sky Crawlers“ ist ein optischer Leckerbissen und die eingangs bereits erwähnten Szenen sind absolut innovativ ausgefallen. Mehr Realismus ist mir in einem Anime sicher noch nie untergekommen, aber die existenzielle Geschichte über Krieg, Frieden und die Rolle der Menschen ist ruhig und sehr langsam inszeniert und irgendwie vermag auch kein einziges Schicksal der zahlreichen Figuren den Zuschauer in irgendeiner Form zu fesseln, was aber vermutlich beabsichtigt ist. Die Gefühlskälte und Teilnahmslosigkeit mit der die Kildren ihrer grausamen Berufung nachgehen überträgt sich in gewisser Weise auch auf den Zuschauer und führt zu einem ungewöhnlichen Seh-Erlebnis, das wohl nicht überall auf Gegenliebe stoßen wird.

Technisch hingegen gibt es an „The Sky Crawlers“ absolut nichts auszusetzen und die Animationen sind innovativ und absolut auf der Höhe der Zeit. Die Luftkämpfe sind atemberaubend inszeniert und auch das Sound-Design von amerikanischen Kollegen der Skywalker-Ranch sorgen dafür, dass das Geschehen in der Luft in absolutem Realismus erstrahlt. Aber auch die restlichen Szenen sind durchaus gelungen und die Kombination aus CGI und traditionellen Zeichnungen hat mir durchaus gut gefallen.

Ebenfalls keinen Anlass zur Kritik bietet die Blu-Ray-Disc aus dem Hause Universum Anime. Die Bildqualität ist sensationell und auch der zweisprachige Ton ist sehr, sehr gut. Auch das Bonusmaterial kommt nicht zu kurz und wer sich dafür interessiert kann sich neben einem ausführlichen Interview mit Regisseur Mamoru Oshii wieder einmal an strangen Anime-Zeichner mit ihren seltsamen Aussagen erfreuen. Weiters gibt’s es eine Featurette über das Sound-Design, für das eine japanische Delegation ins sonnige Kalifornien auf die Skywalker-Ranch aufgebrochen ist. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit allerlei Trailer.

Unterm Strich bleibt ein interessanter, aber auch sehr langsam erzähltes Drama, dass mit sensationellen Bildern und fulminanten Soundtrack daherkommt und den aufgeschlossenen Anime-Freund aus der anspruchsvolleren Ecke auch kaum enttäuschen wird. Oshiis düstere Zukunftsvision ist durchaus interessant, wird aber vielen Zuschauer vermutlich zu langatmig sein. Eine zweite Sichtung ist ebenfalls empfehlenswert um die doch sehr abstrakte Geschichte besser verstehen zu können. Mir hat die ungewöhnliche Geschichte eigentlich sehr gut gefallen, auch wenn eine höheres Tempo und eine weniger sperrige Erzählweise teils sicherlich nicht geschadet hätte: 7/10 Punkten.

Beitrag geändert von jogiwan (07.December 2010 17:26:34)