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Ein Mann steht am Fenster, pafft eine Zigarre und schärft ein Rasiermesser. Er beobachtet auf einem Balkon den Vollmond, durch den eine Wolke zieht und zerschneidet das Auge einer vor ihm sitzenden Frau mit dem geschärften Messer. Ein als Nonne verkleideter Mann fährt mit dem Fahrrad durch die Stadt und stürzt zu Tode. Eine namenlose Frau beobachtet die Geschehnisse aus dem Fenster und erkennt ihren Geliebten aus dessen Hand Ameisen krabbeln. Eine weitere Frau findet eine abgetrennte Hand und verwahrt diese wie einen Schatz. Immer wieder treffen sich Mann und Frau und verlassen sich wieder, bis sie am Ende an einem Strand im Sand vergehen...
„Ein andalusischer Hund“ des spanischen Regisseur Luis Bunuel, der im Jahre 1929 in Zusammenarbeit mit dem exzentrischen Maler und Schriftsteller Salvador Dali entstanden ist, zählt zweifelsfrei zu dem bekanntesten – wenn nicht sogar der bekannteste - Kurzfilm der Filmgeschichte. Die Eröffnungsszene, in dem ein Rasiermesser das Auge einer Frau zerschneidet hat Geschichte geschrieben und hat auch 81 Jahre nach Entstehung nichts von seiner verstörenden Wirkung auf das Publikum verloren. Der surrealistische Streifen gilt zu Recht als Meilenstein und Meisterwerk des surrealen Films und löste bei seiner Uraufführung Befremden und Begeisterung aus und machte sowohl Bunuel, als auch Dali auf einen Schlag berühmt und zu Liebkindern der Pariser Kunstszene.
Der am 22. Februar 1900 in Calanda geborene und 1983 in Mexiko verstorbene Regisseur Luis Bunuel zählt zweifelsfrei zu den wichtigsten Filmemachern des letzten Jahrhunderts. In 48 Jahren drehte Bunuel 34 Filme, die Kritik und Publikum gleichermaßen begeisterte und unbestritten zu den wichtigsten Werke der Filmgeschichte zählen. Durch eine Reise nach Paris kam er mit dem Surrealismus in Verbindung und bekam später das Angebot, Filme zu realisieren. Gemeinsam mit seinem Studienfreund Dali fasste er den Entschluss einen verstörenden Film zu drehen, der nichts symbolisieren soll und traumartige Dinge in nicht zu fassender Form vereinigt.
Daher wird es dem Zuschauer in den knapp 16 Minuten auch nicht wirklich leicht gemacht. Der Film steckt voller absurder Szenen, die auch keinen Sinn ergeben. Eine Handlung im herkömmlichen Sinn ist nicht zu erkennen und selbst der titelgebende Hund kommt konsequenterweise in dem Streifen erst gar nicht vor. Die Idee zu dem Streifen entstand aus zwei Träumen, die Dali und Bunuel zuvor hatten. So träumte Dali von einer langgezogenen Wolke, die wie ein Rasiermesser den Mond durchschneidet und Bunuel von Ameisen, die aus einer Hand hervorkrabbelten. Flugs wurde entschieden, diese Idee auch filmisch umzusetzen und binnen einer Woche wurde das Drehbuch geschrieben.
Das Ziel der Beiden war es dabei, keine einzige Szene zu drehen, die rational, logisch, kulturell oder psychologisch erklärbar sein sollte. Und das ist Bunuel und Dali auch bravourös gelungen. Auf Sehgewohnheiten, die damals ja ohnehin noch nicht so ausgeprägt waren, wird überhaupt keine Rücksicht genommen und auch nach dem eingangs erwähnten und sehr, sehr gewagten Szenen nehmen die Provokationen kein Ende. „Ein andalusischer Hund“ ist dann auch ein Streifen, der dem Spießbürgertum, der Kirche, Politik und sonstigen Dingen auch ordentlich ans Bein pinkelt und. Und wo andere Künstler unter Ausschluss der Öffentlichkeit an ihren Dingen arbeiten, schafften es die beiden mit einem Paukenschlag in das Bewusstsein der Bevölkerung zu gelangen.
Nach herkömmlichen Gesichtspunkten kann man diese Aneinanderreihung von surrealen Szenen dann ja auch gar nicht bewerten. Sicherlich ist der Streifen wohl einer der wichtigsten und einflussreichsten (Kurz-)Filme, die jemals gedreht wurden, aber ich kann andererseits auch jeden Zuseher verstehen, der mit dieser Art von Film rein gar nichts anfangen kann. Entweder man mag dieser Art von Film, oder eben überhaupt nicht. Dazwischen gibt es jedenfalls nicht viel und am Besten ist es wohl immer noch, sich im Vorfeld gänzlich von einer Erwartungshaltung zu befreien und einfach die Bilder auf sich wirken zu lassen.
Etwas verwunderlich ist jedoch die Tatsache, dass der Streifen offensichtlich im deutschsprachigen Raum bisher weder auf VHS, noch auf DVD erhältlich war. „Ein andalusischer Hund“ lief zwar schon des Öfteren ungekürzt im Free- und Pay-TV, zu einer ordentlichen Veröffentlichung hat es der interessante Kurzfilm jedoch bisher nicht geschafft. Das ändert sich jetzt mit der empfehlenswerten Scheibe aus dem Hause Pierrot Le Fou, die den Streifen aus dem Jahre 1929 gemeinsam mit dem 1930 entstandenen „Das goldene Zeitalter“ unters das interessierte Volk bringt. Die Qualität des Stummfilmes ist überraschend gut und in einer schöneren Qualität wird man dieses surrealistische Meisterwerk wohl auch nicht zu Gesicht bekommen. Die Gestaltung des Covers ist wie gewohnt sehr geschmackvoll und als Highlight gibt es auch noch eine knapp hundertminütige Doku mit dem Titel „A propósito de Bunuel“ in dem ehemalige Weggefährten und Schauspieler ausgiebig zu Wort kommen.
Unterm Strich ist dem Label „Pierrot Le Fou“ neuerlich eine schöne VÖ eines visionären Meisterwerkes gelungen, dass seit über 80 Jahren Filmfreunde weltweit begeistert und seine beiden Macher in den Olymp surrealistischer Meisterwerke aufsteigen hat lassen. „Ein andalusischer Hund“ ist verstörendes Filmgut der besten Sorte, das ohne zu fassenden Inhalt den aufgeschlossenen Zuschauer trotzdem unweigerlich geplättet und fasziniert zurücklassen wird. Ein Streifen, der zu Recht Filmgeschichte geschrieben hat und dessen Einfluss auf nachfolgende Generationen von Filmemacher und Künstler auch nicht hoch genug anzurechnen ist. Meisterwerk!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7153
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