project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Die ruhige und introvertierte Schönheit Ryu (Rinko Kikuchi) arbeitet nachts auf einem gigantischen Fischmarkt in Tokyo und lernt eines Tages in einem Suppenrestaurant einen älteren Mann kennen, der sich als Toningenieur ausgibt und von den Geräuschen und Stimmen der glitzernden Großstadt nahezu besessen ist. Er sammelt und katalogisiert Geräusche aller Art und ist auch gleichzeitig von der zerbrechlichen Schönheit der mysteriösen Frau, die so wenig von sich Preis gibt, begeistert. Aus der einmaligen Aufnahme von Schlürfgeräuschen beim Essen wird ein Deal und Ryu trägt fortan ein Mikrophon, das Geräusche aufzeichnet und so auch ihr Leben dokumentiert.
Schon bald entdeckt der namenlose Toningenieur das Geheimnis der jungen Frau, die an Schlaflosigkeit leidet und sich am Wochenende auf Friedhöfen herumtreibt. Ryu ist eine Auftragskillerin und erfüllt mit tödlicher Präzision und stoischen Gesichtsausdruck ihre Aufträge. Eines Tages bekommt Sie von Ishida (Hideo Sakaki), dem Assistent des einflussreichen Geschäftsmannes Nagara (Takeo Nakahara), den Auftrag, den spanischen Weinhändler David (Sergi López) zu töten, den Nagara für den Selbstmord seiner Tochter Midori verantwortlich macht. Ryu erhält ein Foto und eine Anzahlung und macht sich mit einer Waffe auf den Weg um David aus dem Weg zu räumen.
Doch bei der ersten Begegnung in dessen Laden berührt David mit seinen Worten die gefühlskalte Frau und anstatt ihren Auftrag auszuführen lässt sie sich von dem grobschlächtigen Mann zu einem Essen überreden. Ryu lacht und fühlt sich in der Gesellschaft des Mannes wohl und stürzt sich Hals über Kopf in eine sexuelle Affäre mit David, der seinerseits mit schnellen Sex die Leere in seinem Kopf füllen möchte, die der Freitod seiner geliebten Midori hinterlassen hat.
Während David offen bekennt, dass die Treffen mit Ryu für ihn eine Ablenkung darstellen, hat sich Ryu verliebt und sieht ihr bisheriges Leben mit anderen Augen. Auch der Toningenieur der über Kopfhörer Zeuge dieser Beziehung wird, merkt die Änderung ihres Wesens. Auch Nagara und Ishida bleibt natürlich nicht verborgen, dass David noch immer unter den Lebenden weilt und Ishida drängt Ryu ihren Auftrag endlich auszuführen. Doch diese denkt nicht mehr daran und bietet Ishida an, die Anzahlung samt Bonus zurück zu überweisen.
Eines Nachts geht David zu dem Fischmarkt um dort Ryu zu treffen. Diese weiß instinktiv, dass der Spanier gekommen ist, um sich für immer zu verabschieden. Er gesteht, dass er das verschlossene Mädchen gerne zu einem anderen Zeitpunkt in seinem Leben getroffen hätte und sich so vielleicht sogar eine Beziehung hätte ergeben können. Doch noch ist die Trauer über den Verlust seiner Freundin zu groß um sich neu zu binden. In diesem Moment taucht jedoch auch Ishida mit einer geladenen Waffe am Markt auf um den Auftrag von Nagara eigenhändig zu einem Ende zu bringen...
Die in Barcelona geborene Regisseurin Isabel Coixet gilt als sensible Menschenbeobachterin, die sich für ihre Filme interessante Charaktere in noch interessanteren Momenten aussucht und diese dann auf behutsame Weise portraitiert. Dieser Linie bleibt Coixet auch in ihrem Film „Eine Karte der Klänge von Tokio“ treu und präsentiert uns eine Geschichte im exotischen Umfeld der Millionenmetropole Tokio über zwei unterschiedliche Menschen, die das Schicksal zusammenführt und die sich aus konträren Motiven in eine sinnliche Beziehung stürzen, die jedoch von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Zugegeben, die Geschichte über die Auftragskillerin, die sich entgegen allen Regeln der Vernunft in ihr Opfer verliebt und sich daraufhin in eine Affäre stürzt, ist weder sonderlich logisch, noch würde die jemals einen Innovationspreis erhalten und auch die Auflösung der ganze Story ist vom aufgeschlossenen und Drama-geeichten Zuschauer auch bald einmal zu erahnen. Die Sache mit den Geräuschen bzw. dem vermeintlichen Toningenieur wird ja auch eher nur gestreift um das Augen- bzw. eher Ohrenmerk des Zuschauers auf bestimmte Geräusche zu lenken und verläuft sich irgendwann zwischen den durchaus interessanten Bildern aus der europäischen Touristenperspektive. Dennoch ist der Streifen meines Erachtens durchaus interessant ausgefallen und hat mir bei der ersten Sichtung dank der beiden Darsteller, die unterschiedlicher nicht sein könnten, auch sehr gut gefallen.
Die beiden Elemente der Geschichte dienen der Regisseurin ja auch eher dazu, die beiden Menschen Ryu und David zu zeigen, die ihrerseits auf unterschiedliche Weise mit Themen wie Einsamkeit, Leere und Verlust konfrontiert sind. Um ein „wie“ oder „warum“ schert sich die Regisseurin jedoch wenig und wenn man die Stimmen im Netz liest, ist der ungewöhnliche Focus der Geschichte wohl der häufigste Kritikpunkt, der dem auf Hochglanz getrimmten Film vorgeworfen wird. Mich persönlich hat es jetzt aber gar nicht mal so gestört, dass die üblichen Klischees a la Tarantino nicht verwendet werden, um den zerrütteten Charakter und Werdegang der Auftragskillerin zu beschreiben und auch die Beweggründe von David, dem namenlosen Toningenieur, Ishido und Nagara weitestgehend im Dunkeln bleiben.
Was mich am dem 2009 entstandenen Streifen jedoch sofort gefesselt hat, sind die interessanten und schönen Bilder der Millionenmetropole, die abseits ausgetretener Touristenpfade eine andere Seite von Tokio zeigen. Sicherlich ist dieser Blick der spanischen Regisseurin auf diese Fremde Kultur in bestimmter Weise auch etwas einseitig, wird jedoch bereits in der Eröffnungsszene angenehm abgemildert. Besonders interessant fand ich die teils durchkomponiert wirkenden Bilder und Situationen, die für Europäer trotz zunehmenden Informationsfluss und Japanisierung unserer Gesellschaft immer noch auf irritierende Weise befremdlich wirken.
Bei den Darstellern hat man aber alles richtig gemacht und Sergi Lopez („Pan´s Labyrinth“), der ansonsten ja eher die Rolle des Bösewichtes abonniert hat, glänzt in der Rolle des innerlich zerrissenen David, der durch den Freitod seiner Freundin der Boden unter den Füssen weggezogen wird und der durch die sexuellen Begegnungen mit seiner Zufallsbekanntschaft versucht, wieder Bodenhaftung zu erlangen. Seine Rolle ist dabei nicht unbedingt als Sympathieträger angelegt und die Liebe von Ryu, die ebenfalls formidabel von Rinko Kikuchi („Babel“) gespielt wird, bleibt einseitiger Natur. Die beiden agieren jedenfalls recht freizügig und auch bei den anderen Darstellern gibt es nichts zum meckern.
Während die Originalversion in Englisch und Japanisch aufgenommen wurde, ist für den deutschsprachigen Raum wieder einmal alles durchgehend auf Deutsch synchronisiert worden. Eine Unart, die leider schon viel zu oft ein Filmvergnügen geschmälert und die Ursprungsversion verfälscht hat. Leider hängt das wohl mit der Bequemlichkeit des deutschen Publikums zusammen, das offensichtlich nicht mit Lesen vergrault werden soll. Die Bild- und Tonqualität der mir vorliegenden Blu-Ray-Disc bietet jedoch keinerlei Anlass zur Kritik, wobei gerade auf den Ton erhöhten Wert gelegt wurde. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit allerlei Bonusmaterial und Trailer.
Unterm Strich ist Isabel Croixet mit „Eine Karte der Klänge von Tokio“ ein durchaus interessanter Streifen über die Einsamkeit der Menschen in der Großstadt gelungen. Ein ruhiges Drama, das sich einer Geschichte bedient, die sonst normalerweise in einem Actionthriller hätte verbraten werden können. Herausgekommen ist ein stylisher Film voller schöner Bilder und großartigen Schauspielern, bei dem zwar die Geschichte und die Perspektive, aus der sie heraus erzählt wird vielleicht nicht zur Gänze überzeugen kann, aber der dennoch sehr sehenswert und kurzweilig ausgefallen ist. Mir hat der neueste Streich der spanischen Regisseurin jedenfalls wieder einmal recht gut gefallen, aber da habe ich auch gar nichts anderes erwartet: 8/10
Beitrag geändert von jogiwan (26.November 2010 16:49:21)
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7138
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