project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Physik-Dozent Larry Gobnik (Michael Stuhlbarg) führt im Minnesota des Jahres 1967 ein eigentlich beschauliches Leben. Er unterrichtet an der Uni und steht kurz vor einer Festanstellung, ist glücklich verheirateter Vater zweier Kinder, kümmert sich auch liebevoll um seinen Bruder, den er in sein Haus aufgenommen hat und erfreut sich auch sonst allerbester Gesundheit. Doch seine Frau Judith (Sari Lennick) betrügt ihn mit dem schleimigen Witwer Sy (Fred Melamed), seine Tochter Sarah (Jessica McManus) beklaut ihn und auch sein Sohn Danny (Aaron Wolff) interessiert sich eher für Drugs und Rock´n Roll als sich auf seine bevorstehende Bar Mitzwa vorzubereiten. Als dann auch noch ein ausländischer Student mit einem Kuvert voller Geld vesucht seine Note zu verbessern und sein Bruder aufgrund illegalen Glückspiels festgenommen wird, ist endgültig Feuer am Dach des überkorrekten und gutbürgerlichen Mannes.
Getreu seiner jüdischen Religion lässt Larry jedoch alle Prüfungen und Schicksalsschläge stoisch über sich ergehen und sucht, statt tatkräftig seine Probleme selbst zu beseitigen, lieber Rat bei diversen Rabbis. Doch auch diese sind Larry in seiner Situation keine große Hilfe und ergehen sich lieber in Allegorien, als dem armen Mann mit tatsächlichem Rat zur Seite zu stehen. Auch privat spitzt sich die Lage immer weiter zu und eine Hiobsbotschaft nach der anderen prasselt unvermittelt auf den bemitleidenswerten Mann ein, der noch dazu von zahlreichen Alpträumen geplagt wird. Doch am Ende scheint sich für den gläubigen Juden doch alles zum Guten zu wenden und der korrekte Larry lässt sich erstmalig zu Handlungen leiten, die eigentlich im krassen Widerspruch zu seiner Religion stehen. Doch die „göttliche“ Bestrafung dafür lässt natürlich nicht lange auf sich warten…
Das die beiden Coen-Brüder ein besonderes Händchen für abgründige Geschichten und skurrile Charaktere haben ist ja mindestes genauso bekannt, wie die Tatsache, dass auf einen guten Streifen der Brüder leider auch immer ein weniger guter Film folgte. Doch das ist mittlerweile vorbei und die Joel und Ethan Coen laufen nach dem bitterbösen Agentenklamauk „Burn after Reading“ nun mit dem absolut pechschwarzen „A serious man“ zu absoluter Höchstform auf. Dabei ist der 2009 entstandene Film über jüdische Spießbürgerlichkeit in Form des korrekten Dozenten und Familienmensch entgegen allen Ankündigungen auch keine Komödie, sondern eher ein bizarres Drama, das auf sehr düstere Weise das Leben eines gläubigen Juden, der von Haschem (der jüdischen Bezeichnung für Gott) ganz gehörig auf die Probe gestellt wird.
Dabei beginnt der Streifen auch ganz harmlos und auf den ersten Blick wirkt das Leben von Larry auch ganz beschaulich. Doch als ihm seine Frau ganz unvermittelt ihre Scheidungsabsichten offenbart, gerät die Welt des gläubigen Mannes nach und nach aus den Fugen. Eins ergibt das andere und immer mehr prasseln unerwartete Schicksalsschläge auf den geduldigen Mann ein, der beinahe stoisch zur Kenntnis nehmen muss, dass sein Leben immer mehr in Trümmern liegt. Und immer wenn der Zuschauer glaubt, dass Larry endlich von der Verliererstrasse abgebogen ist, wartet bereits die nächste Katastrophe auf den bemitleidenswerten Mann. Die als Hilfe in Anspruch genommene Seelsorge ist ebenfalls keine große Hilfe und so steuert alles einem bösen Ende entgegen. Über das „große Finale“ will ich an dieser Stelle natürlich nichts verraten, nur soviel: zum eigentlich boshaften und zynischen Unterton des ganzen Streifens passt dieses wie die sprichwörtliche Faust auf das berühmte Auge.
Das Thema jüdisch Religion ist in dem Streifen das vorherrschende Thema und daher beginnt der Streifen auch mit einer Szene, in der sich ein Ehepaar in jiddischer Sprache über einen nächtlichen Besucher streitet, ob dieser jetzt ein „Dibbuk“ (ein böser Totengeist, der in den Körper eines Lebenden schlüpft) oder nicht ist. Und das ist erst der Auftakt zu allerlei jüdischen Elementen im Film, bei denen etwas Vorkenntnisse und Recherchen wohl nicht schaden. Mancher „Gag“ mag auf den ersten Blick komisch wirken, macht aber mit entsprechender Erklärung durchaus Sinn. Aber auch ohne Kenntnisse über „Bar Mitzwa“ und „Haschem“ oder „Get“ ist „A serious man“ ein bitterböser und irritierender Film, der auch zu keiner Sekunde den erhobenen Zeigefinger der Moral oder Religionswächter über den Zuschauer kreisen lässt.
Ehrlich gesagt ist „A Serious Man“ einer jener Filme, von denen man erst einmal nicht genau weiß, was man davon halten soll. Die Geschichte, die im Gegensatz zum Vorgänger auch ganz ohne große Namen ins Szene gesetzt wurde, ist doch etwas schräg und auch die Situationen, denen der Antiheld Larry ausgesetzt wird, sind allesamt ziemlich absurd und schräg. Trotzdem nimmt einem die Geschichte zweifelsfrei gefangen und nach dem geruhsamen Auftakt wartet man förmlich darauf, welche Ideen der knapp 100minütige Streifen für seinen Zuschauer noch bereit hält. Auch bei der Kritik ist „A Serious Man“ durch die Bank gut angekommen und neben einer zweifachen Oscar-Nominierung gab es auch zahlreiche Preise für die beiden Regisseure und die Darsteller.
Womit wir auch schon beim nächsten Thema sind: obwohl sich die beiden Regisseur ihre Darsteller wohl aussuchen könnten und auch gerne mal einen Brad Pitt und George Clooney zum Affen machen, haben Joel und Ethan Coen in „A Serious Man“ auf größtenteils unbekannte Darsteller zurückgegriffen. Michael Stuhlbarg stammt aus der Theaterecke und ist als Larry Gobnik einfach eine Wucht. Richard Kind als Onkel Arthur hingegen ist eher als Synchronsprecher aktiv und durch kleinere Serien-Rollen bekannt. Und auch bei den anderen Darstellern hat man bei dem mit knapp 7 Mio US-Dollar relativ bescheiden budgetierten Film auf bekannte Gesichter verzichtet, was jedoch eher positiv ins Gewicht fällt. Auch die Ausstattung des Streifens ist grandios und das Lebensgefühl der Vorstadtsiedlung im Jahre 1967 ist perfekt eingefangen worden.
Die DVD aus dem Hause aus dem Hause bietet den Streifen in sehr guter Bild- und Tonqualität und neben der deutschen Synchronisation auch die englische Originalvariante samt optionaler, deutscher Untertitel. Als Bonusmaterial warten zahlreiche Featurettes, in denen auch die jüdischen Begriffe im Film wie „Bar Mitzwa“, „Mazel Tov“ und „Gett“ näher erläutert werden, ein längeres Interview mit Hauptdarsteller Michael Stuhlbarg, sowie über die spezielle Optik des Filmes. Allerlei andere Dinge rund um die Entstehung des interessanten Werkes, zahlreiche Trailer und Teaser, sowie ein Wendecover runden das positive Gesamtbild geschmackvoll ab.
Unterm Strich ist Ethan und Joel Coen ein bitterböser und humorvoll-irritierender Streifen über die Ernsthaftigkeit des Lebens gelungen, der in der Form wohl auch nur von den beiden Coen-Brüder kommen kann. Larrys beispiellose Tour de Force, die ihn immer tiefer ins Verderben reitet ist wirklich sehr gelungen und wird trotz religiöser Thematik auch ungläubige Menschen begeistern. Nach einem ruhigen Start wird Hauptdarsteller und dem Zuschauer förmlich der Boden unter den Füssen weggezogen und das Ende ist wirklich eine fiese Attacke auf beide. Auch wenn ich es vielleicht aufgrund der Thematik im Vorfeld nicht unbedingt erwartet hätte, so hat mich der Streifen nach etwas Anlaufschwierigkeiten auf eine seltsame Art und Weise doch irgendwie sehr begeistert: 8/10 Punkten
Beitrag geändert von jogiwan (17.October 2010 14:42:56)
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6857
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