project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der wohlhabende Johannes (Lasse Rimmer) ist vor einiger Zeit mit seiner Frau Pernille (Lene Nystrom) und seinen beiden Kindern aus Oslo zurück in seine kleine Heimatgemeinde in Westjütland gezogen. Während sich Pernille um die Kinder kümmert und an der örtlichen Schule unterrichtet, arbeitet Johannes als Anwalt und renoviert in seiner Freizeit gemeinsam mit dem Flüchtling Alain sein geräumiges Haus. Eines Tages überfährt der heruntergekommene und angetrunkene Trucker Lars (Jens Andersen), der Bruder von Johannes bei einer Fahrt die Kollegin von Pernille, die auf einer abgelegenen Straße mit ihrem Motorrad unterwegs ist. Da diese aber ausgerechnet noch die Frau seines psychisch-labilen und einflussreichen Chefs Ingvar (Mogens Pedersen) ist, versteckt er das Motorrad und die Leiche.
Um den Verdacht von sich zu lenken, überlässt Lars den Truck dem Flüchtling Alain (Bojan Navojec) und versteckt blutige Papierfetzen in dessen Jackentasche. Als sich das gesamte Dorf wenig später bei einem Fest trifft, hat Ingvar das Verschwinden seiner Frau gemerkt und macht sich seinem Leibwächter und Johannes gemeinsam auf den Weg um nach seiner Frau zu suchen. Diese wird auch wenig später tot neben der Straße gefunden und Ingvar hat nach dem ersten Schock nur noch ein Ziel vor Augen: Rache an der Person, der ihm seine geliebte Frau genommen hat.
Und der aufgebrachte Ingvar hat bereits einen Verdächtigen im Auge. Der Flüchtling Alain, der ja ohnehin als Moslem seiner Meinung nach nicht in das Dorfgefüge passt. Gemeinsam mit Lars und seinem Kumpels wird Alain schwer verprügelt, doch das ist Ingvar nicht genug und nur durch das beherzte Einschreiten von Johannes kann dieser Alain vor der aufgebrachten Meute retten. Doch Ingvar ist voller Hass und fordert die Bestrafung des vermeintlichen Mörders. Johannes bringt den verletzen Alain in sein Haus und schon wenig später zieht die aufgebrachte und alkoholisierte Menge mit Waffen zu dem abgelegenen Haus, wo die Lage schlussendlich vollends eskaliert...
Sieht man Ole Boredals „Deliver us from evil“ muss man zwangsläufig an Sam Peckinpahs Drama „Straw Dogs – Wer Gewalt sät“ denken, in dem ein friedlicher Akademiker in einem abgelegenen, englischen Dorf von dessen Bevölkerung so lange bedroht und gepiesakt wird, bis dieser nur noch mit Waffengewalt umbarmherzig zurückschlagen kann. Auch in dem düsteren Streifen aus dem Jahre 2009 geht es um eine ähnliche Situation, in der sich ein eigentlich friedvoller Anwalt den Unmut eines gewaltbereiten Mobs zuzieht und schlussendlich um sich und seine Familie zu schützen, ebenfalls zu sehr drastischen Mitteln greifen muss.
Der Beginn von „Deliver us from evil“ ist auch sehr eindrucksvoll und in der ersten Halbzeit braut sich langsam eine unheilvolle Wolke aus Fremdenhass, soziale Missstände und Selbstjustiz zusammen, die sich in der zweiten Halbzeit leider dann doch mit viel Gewalt entlädt. Das nimmt dem eigentlich sehr interessanten und gut gemachten Film leider etwas an seiner eingangs kunstvoll aufgebauten und sehr bedrohlichen Spannung und raubt ihm im schon etwas übertrieben-wirkenden Finale mit erhöhtem Bodycount leider ein großes Maß seiner eingangs aufgebauten Glaubwürdigkeit. Denn auch wenn die Spirale der Gewalt durch sozial-schlechter gestellte Menschen durchaus nachvollziehbar bleibt, so wirkt das blutrünstige Finale meines Erachtens doch etwas übertrieben.
Am Anfang von „Deliver us from evil“ stellt uns eine weibliche Person die Hauptcharaktere der Geschichte vor und der Zuschauer erfährt Informationen, die für den weiteren Verlauf der Geschichte von Bedeutung sind. Die Fronten zwischen Gut und Böse zwar klar verteilt sind, jedoch verzichtet Bornedal auf eine zu einseitige Darstellung seiner Geschichte und jeder Charakter - selbst die unsympathischen, bleiben immer in gewisser Weise nachvollziehbar. Die Welle der Gewalt, die sich durch Alkohol, Fremdenhass und falsch verstandene Solidarität wie aus dem Nichts an einem Tag entwickelt ist wirklich beängstigend und hinterlässt beim Zuschauer sicherlich ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Dabei sind die im Film angesprochenen gesellschaftlichen Tendenzen zu Ausgrenzung und Fremdenhass leider sehr aktuell und werden von populistischen Parteien, die europaweit im Vormarsch sind, sogar noch gefördert.
Ole Bornedal hat für sein 2008 gedrehtes Werk sicher auch ausgiebig vergleichbare Terrorwerke aus den Siebzigern studiert und liefert uns auch scheinbar mühelos ein aktuelles Update über das „Tier im Menschen“, das wohl in uns allen – manchmal mehr, manchmal weniger gut, in uns versteckt schlummert. Allerdings schafft der Regisseur auch das Kunststück, seine Geschichte auf eine realitätsnahe Art und Weise zu erzählen, die manche Szenen in ihrer emotionalen Wucht auch in die Nähe der Werke eines Lars von Trier rückt. Die Optik wirkt sehr speziell und die Farben sind so derart runtergedreht, dass die Trost- und Ausweglosigkeit der Situation in „Deliver us from evil“ noch zusätzlich unterstrichen wird.
Warum Bornedal jedoch am Ende seines Streifens so derart auf die Kacke haut, lässt sich an dieser Stelle nur vermuten. Mir hätte „Deliver us form evil“ mit einem ruhigeren Ende sicherlich besser gefallen. Sicherlich regt der Film auch so zum Nachdenken an, aber der Streifen wäre mit einem anderen Ende sicherlich noch unbequemer gewesen. Ein Punkt, der mir ebenfalls nicht so gut gefallen hat, ist die Art und Weise, wie in Bornedals Film die sogenannte „soziale Unterschicht“ dargestellt wird. Während die „guten“ Charaktere natürlich allessamt hübsch und adrett sind, sind die „Bösen“ schwitzende Menschen mit miesen Klamotten und fettigen Haaren, die natürlich allesamt hässlich, dick oder sonst irgendwie nicht körperlich attraktiv sind.
Aber auch so ist „Deliver us from evil“ schon ein gelungener Film, der auch seinen Regisseur wieder zurück in das Bewusstsein der Thriller-Gemeinde holt. Dieser hat ja nach seinem Paukenschlag-Debüt mit „Nightwatch – Nachtwache“ im Jahre 1994 ja danach neben einem unsäglichen Remake eigentlich mehr schlecht als recht seine Filme unter die Leute gebracht, die auch allesamt eher unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit unter die Leute gebracht wurden. „Bedingungslos“ war zwar ebenfalls schon sehr gut, aber erst mit „Deliver us from evil“ katapultiert sich Bornedal nun wieder in die A-Liga der europäischen Regisseure zurück.
Auch bei den Darstellern gibt es nix zu meckern und statt bekannter Gesichter gibt es unbekannte Schauspieler, die aber allesamt eine eindrucksvolle Performance abliefern. Lasse Rimmer überzeugt als sympathischer Anwalt, der jedoch auch etwas arrogant und schmierig rüberkommt und auch Lene Nystrom als seine Gattin Pernille ist sehr überzeugend. Jens Andersen hat zwar eine undankbare Rolle, die er – wie auch Mogens Pedersen als Ingvar – mit Bravour meistert. Die DVD aus dem Hause Senator ist natürlich ebenfalls sehr gut und trotz, oder wohl auch aufgrund der ernsten und aktuellen Thematik, hat sich die FSK trotz einiger wilder Szenen zu einer FSK16er-Freigabe durchringen können.
Unterm Strich bleibt ein spannender Thriller über die Bestie Mensch und wie diese in Ausnahmesituationen die Beherrschung verlieren kann. „Deliver us from evil“ ist ein Film, der von Beginn an eine unheilvolle und bedrohliche Stimmung aufbaut, sich am Ende aber etwas zu sehr in übertrieben-wirkenden Brutalitäten verliert. Trotzdem ist Bornedal ein sehr spannender und düsterer Streifen mit kleineren Schwächen gelungen, der sehr aktuelle Themen zu einem nachdenklich-stimmenden Thriller verarbeitet. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen radikale Politiker auf dem Vormarsch sind, ist so ein Film - der eindrucksvoll die Konsequenzen aus geschürtem Fremdenhass und falsch verstandenem Zusammenhalt präsentiert - umso wichtiger: 7,5/10 Punkten
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6901
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