project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der geborene Brite und End-Vierziger George Falconer (Colin Firth) ist ein angesehener Literaturprofessor an einer kleine Uni im sonnigen Los Angeles und steckt in einer schweren Lebenskrise. Seit dem plötzlichen Unfalltod seines langjährigen Partners Jim (Matthew Goode) sind seine Tage emotionsloser Routine gewichen. Obwohl George nach Außen stets ruhig, adrett und ausgeglichen wirkt, hat er seine Lebensfreude verloren und der gebildete und wohlhabende Mann lebt vollkommen einsam in seinem schönen Haus. Eines Tages entschließt er sich, seinem Leben ein Ende zu setzen. Er packt seinen Revolver und beschließt im Laufe des Tages ein letztes Mal seine Arbeitsstätte aufzusuchen, sein Bankschließfach zu plündern und seine langjährige Freundin Charley (Julianne Moore) zu besuchen. Doch dann trifft er auf den jungen Studenten Kenny (Nicholas Hoult), der ihm eindeutige Avancen macht und mit dieser Begegnung scheinen bei George auch die alten Lebensgeister zurückzukehren...
Zugegeben, ich war im Vorfeld doch etwas voreingenommen, als ich hörte, das der Ex-Gucci-aner, Model und Mode-Ikone Tom Ford seinen ersten Film dreht. Mir war dabei von vornherein klar, dass es sich dabei um einen absolut durchgestylten und in jeder Szene durchkomponierten Film handeln würde, der vermutlich genauso wie sein Ex-Label teuer gemacht, schick funkelnd, aber dadurch naturgemäß auch sehr oberflächlich wie die sonstigen seiner Produkte der Modewelt daherkommen würde. Und wer hätte das gedacht? Genauso wie sich meine Vorahnungen bestätigt haben, genauso wurde ich bei meiner gestrigen Sichtung jedoch zutiefst und positiv überrascht.
Eines gleich vorweg: Tom Ford schafft mit seinem Regie-Erstling und der Verfilmung des Romans „Der Einzelgänger“ (im englischen „a single man) von Schriftsteller Christopher Isherwood doch glatt auch einen der besten und berührendsten Filme der letzten Jahre. Die Geschichte des Filmes spielt an einem einzigen Tag im Jahre 1962 und das ist auch schon der erste geschickte Schachzug von Tom Ford, bei dem vermutlich jeder im Vorfeld erwartet hätte, dass er die Filmminuten in seinen Regie-Debüt natürlich als Werbefläche seine eigenen Modekreationen verwenden würde. Aber auch wenn der Film mit grooviger 60er-Optik natürlich bin ins kleinste Detail durchgestylt daherkommt, so hat man als Zuschauer jedoch nicht das Gefühl in einem Neunzig-Minuten Werbespot eines Lifestyle-Magazins geraten zu sein.
Ganz kann Ford aber natürlich nicht seine Vergangenheit als Designer und Freund von schönen Dingen verleugnen und so präsentiert er uns neben seiner berührenden Geschichte über einen vereinsamten Menschen auf den ersten Blick schon eine Hochglanz-Version der Sechziger Jahre mit hübschen Menschen, schicken Klamotten, flotten Oldtimern und ziemlichen coolen Häusern. Doch unter der hübschen Oberfläche brodelt es gewaltig und der eloquente Akademiker ist nach dem Tod seines langjährigen Partners ein zutiefst vereinsamter Mensch, der seine Lebensfreude verloren hat und sich durch seine Homosexualität selbst zunehmend in die gesellschaftliche Abseits begibt. Die Sehnsucht nach Vergangenem und die Trauer über den Verlust bewegen George schlussendlich zu einem drastischen Plan, den er wie alle Dinge in seinem Leben akribisch zu Ende bringen möchte. Doch an dem Tag als George eigentlich systematisch mit seinem Leben abschließen möchte, entsinnt er sich – ausgelöst durch den jungen Studenten Kenny – wieder den kleinen Freuden des Lebens und gewinnt auch durch diverse Begebenheiten, Kontakte und Gespräche mit seiner langjährigen Freudin Charley wieder langsam seine ehemalige Lebensfreude zurück.
Die ernste Geschichte über den Literaturprofessor in der Krise ist dabei eher ruhig und verlässt sich voll und ganz auf die Kraft seiner universellen Geschichte. Diese handelt zwar bei Schriftsteller Isherwood von zwei schwulen Männern, doch die Themen Verlust, Trauer, Depression und Einsamkeit betrifft ja eigentlich alle Menschen. Trotz der traurigen Thematik ist „A single man“ jedoch zu keiner Sekunde destruktiv und der Regisseur erhebt weder den moralischen Zeigefinger, noch drückt er auf die Tränendrüse. Die kitschfreie Inszenierung und die Art und Weise wie Tom Ford seinen Erstling in ruhigen Bildern realisiert hat, hat mir persönlich jedenfalls sehr gut gefallen und vor allem sein Einsatz von Farben fand ich sehr beeindruckend. So ist der triste und ewig gleiche Alltag von George auch in eher blassen Farben bebildert, während in den Momenten in denen die Lebensfreude zurückkehrt, auch die entsprechenden Bilder mit dem plötzlichen Einsatz von warmen Tönen unterstrichen werden. So wie das gläserne Eigenheim von George wird auch sein Besitzer im Laufe des Filmes zum gläsernen Menschen und in Rückblenden wird die ganze Tragik der homosexuellen Liebesgeschichte, sowie das Innenleben eines Menschen offenbart, der seine wahren Gefühle zeitlebens vor seiner Umwelt verborgen halten musste.
Beeindruckend ist auch die darstellerische Kunst von Colin Firth, der in „a single man“ wohl seine bislang beste Leistung seiner Schauspielkarriere abliefert. Von Anfang bis Ende trägt er den Film mit seinem subtilen Spiel und er schafft es durch Blicke und Gestik seiner tragischen Figur Leben einzuhauchen. Wenn heterosexuelle Männer auf der großen Leinwand Homosexuelle darstellen, ist das ja oftmals eine vertuckt-desaströse Katastrophe, dass man als schwuler Zuschauer aufgrund der Klischeelastigkeit oftmals nur noch den Kopf schütteln kann. Bei „A single man“ merkt man jedoch, dass hinter der Kamera selbst ein Homosexueller steht, der bei der Verfilmung auch sorgsam darauf achtet, dass die Darstellung auch möglichst authentisch und realistisch bleibt. Für Firth ist es nach „Mama mia!“ bereits die zweite schwule Rolle, die der verheiratete Schauspieler mit Bravour meistert.
Auch bei den anderen Darstellern hat Tom Ford aber seinen guten Geschmack bewiesen. Julianne Moore war ohnehin die Wunsch-Kanditatin von Ford und hat auch als erste Schauspielerin zugesagt. Ich mag Frau Moore ja generell sehr gerne und auch in „A single man“ ist sie wieder einmal eine wahre Augenweide. Nicholas Hoult ist als junger Student, der sich zu seinem Professor verbunden fühlt, zu ihm aufblickt und ihn auch begehrt, ebenfalls grandios. Die Nebendarsteller sind allesamt mit Bedacht ausgewählt worden und machen ihre Sache ebenfalls ganz gut. Einzig und allein bei dem Charakter des Jim, der von Matthew Goode aalglatt verkörpert wird, hätte ich mir vielleicht ein bisschen mehr Ecken und Kanten gewünscht.
Die Blu-Ray aus dem Hause Senator bringt diesen interessanten Streifen natürlich in perfekter Bildqualität, bei dem die schön fotografierten und durchkomponierten Bilder natürlich auch so richtig zur Geltung kommen. Die Tonqualität ist zwar gut, war aber zumindest bei meinem Player etwas leise. Neben der deutschen Synchronisation gibt es auch die englische Originalfassung samt optionaler deutscher Untertitel. Als Bonus gibt es neben einem Audiokommentar von Tom Ford auch ein kürzeres Making-Of, sowie zahlreiche Interviews mit Cast und Crew.
Unterm Strich ist „A single man“ ein außergewöhnliches Regiedebüt, dass ich mir in dieser Form wohl nicht erwartet hätte. In wunderbaren Bilder erzählt Tom Ford eine tieftraurige Geschichte über einen vereinsamten Mann, dem durch den unerwarteten Tod seines Partners die Freude am Leben abhanden gekommen ist. Colin Firth brilliert als homosexueller Professor und auch alles andere an dem Film ist schlichtweg perfekt gelungen. Mit den grellen und sexuell-provozierenden Werbelinien, mit denen Ford einst das heruntergekommene Modehaus Gucci wieder in die Schlagzeilen und auf Vordermann gebracht hat, hat „A single man“ jedenfalls nicht im Entferntesten etwas zu tun. Für mich persönlich nicht nur einer der wichtigsten und besten Streifen der letzten Jahre, sondern allen Kritikern, Skeptikern und Unkenrufen zum Trotz schlichtweg ein ruhiges, aber umso beeindruckenderes Meisterwerk.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6806
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