project: equinoX Forum

Am Tage ihrer Zwangsverlobung mit  Lord Ascot samt seinen  Verdauungsproblemen sieht die knapp zwanzigjährige Alice (Mia Wasikowska) auf der eigens für sie ausgerichteten Veranstaltung auf einmal ein Kaninchen mit Weste durch die Menge der aristokratischen Gäste hüpfen. Da Alice sowieso keine Lust auf die von ihren verwitweten Mutter und deren Geschäftspartner initiierten Verbindung hat, nutzt Alice den Hasen zur Flucht, läuft ihm hinterher und plumpst schon kurze Zeit später durch einen finsteres Loch und landet kopfüber in einer mehr als mysteriösen Welt in der Tiere und Pflanzen sprechen können und auch ansonsten mit recht seltsamen Geschöpfen bevölkert ist.

Denn Alice ist nicht umsonst dort gelandet und von den Bewohner erfährt sie, dass es eine Prophezeiung gibt, in der ein tapferes Mädchen namens Alice die von der bösen Herzkönigin (Helena Bonham Carter) geknechtete Bevölkerung mit einem gezielten Schwerthieb von der Schreckensherrschaft des Jabberwockys befreien soll. Doch die schüchterne und introvertierte Alice denkt gar nicht daran, in den Kampf zu ziehen. Doch ehe sie sich versieht, befindet sie sich in einem ebensolchen, wird von einer dämonischen Gestalt namens Bandersnatch attackiert und muss hilflos mit ansehen, wie Tweedledee und Tweedledum (Matt Lucas) sowie andere sympathische Zeitgenossen, von dem Herzbuben (Crispin Clover), dem bösartigen Gefährten der Herzkönigin gefangen genommen werden.

Alice selbst gelingt die Flucht und so landet sie schon kurze Zeit später bei einem durchgeknallten Hutmacher (Johnny Depp), der ihr die ganze traurige Geschichte des Landes offenbart. Nachdem jahrelang die weiße Königin (Anne Hathaway) mit Güte über das Wunderland geherrscht hat, wurde diese Ruhe von ihrer jähzornigen Schwester, der Herzkönigin jäh unterbrochen und seitdem warten alle Einwohner des Landes auf das Mädchen namens Alice, dass alle Bewohner von der Schreckensherrschaft befreien soll. Als wenig später auch noch der Hutmacher von den Schergen der Herzkönigin aufgespürt und entführt wird, fasst Alice den Plan, den sympathischen Hutmacher aus der Gewalt der Königin zu befreien. Doch das ist nicht im geringsten Teil der Prophezeiung und schon wenig später steht das gesamte Wunderland endgültig Kopf…

Als ich im Vorfeld gelesen habe, dass Tim Burton sich der bekannten Kindergeschichte von Lewis Carrol annehmen und aus dessen beiden Büchern „Alice im Wunderland“ und „Alice hinter den Spiegeln“ einen Film realisieren möchte, war ich als Fan des Regie-Exzentrikers natürlich hocherfreut.  Burton hat ja bereits mit „Charlie und der Schokoladenfabrik“ einem angestaubten Kinderbuchklassiker neues Leben eingehaucht und die surrealistische Geschichte über eine Welt voller skurriler Charaktere und Begebenheiten ist ja auch gerade prädestiniert für den phantasievollen Filmemacher. Leider ist Burton mit seinem „Alice im Wunderland“ statt eines witzig-bunten Werkes leider kein stimmiger Film, sondern ein überraschend seelenloses Werk gelungen, der mit Tonnen von CGI darüber hinwegtäuschen will, dass es ihm an einer herzlichen Geschichte und teils auch an charismatischen Darstellern fehlt.

Da ich die beiden Originalvorlagen nicht kenne, kann ich natürlich auch nicht beurteilen, ob sich Burton jetzt im Gegensatz zu den bisherigen Veröffentlichungen tatsächlich am Nahesten an das 1898 verstorbenen Autors Lewis Carroll hält. Wer so wie ich mit der Serie aufgewachsen ist, fällt als allererstes das Fehlen des sprechenden Ei´s mit dem Namen Humptdy Dumpty und weiteren Figuren auf, während ich mich an die furchteinflößenden Figuren des Bandersnatch und Jabberwocky gar nicht erinnern kann. Leider werden auch bei zunehmender Laufzeit die skurrilen und liebenswerten Charaktere in den Hintergrund gedrängt und der Film verkommt gegen Ende zu einem handelsüblichen Werk a la „Die Chroniken von Narnia“, der in seinem finalen Kampf mich persönlich auch sehr an Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Trilogie erinnert, ohne auch nur im Ansatz dessen Spannung zu entwickeln.

Ja, ich bin enttäuscht. Enttäuscht davon, dass „Alice im Wunderland“ anstatt eines liebevollen Burton-Filmes leider zu einem CGI-Spektakel verkommt, der mit einer Handvoll Darsteller auch mit einem Realfilm meines Erachtens auch gar nicht mehr viel zu tun hat. Das mag jetzt vielleicht auch daran liegen, dass ich generell ein Problem habe, wenn 90 % des fertigen Filmes aus dem Rechner kommen. Andererseits hat es ja gerade Peter Jackson bewiesen, dass dieses auch sehr gut funktionieren kann, wenn man dabei nicht darauf vergisst, auch noch eine Geschichte zu erzählen. Und die vermisse ich bei dem Drehbuch von Linda Woolverton, die Carrolls Geschichte zu einem Action-Abenteuer verkommen lässt und ich frage mich allen Ernstes, was den Kino-Magier Tim Burton veranlasst hat, eine derart lahme Geschichte zu verfilmen, obwohl sich die diesbezügliche Antwort wohl jeder selbst vorstellen kann.

Auch wenn der finanzielle Erfolg den Machern vielleicht recht geben mag, als Fan von Burtons Werken bleibt doch ein schaler Nachgeschmack zurück, den auch die zweifelslos tollen Leistungen von Johny Depp und Helena Bonham-Carter nicht überdecken können. Was mich am meisten verwundert ist, wie man nur eine derart farblose Schauspielerin wie Mia Wasikowska für die Hauptrolle casten konnte und auch Bösewicht Crispin Clover aus B-Besetzungskiste von Hollywood ist eher nervig und für den Film keine Bereicherung. Im Gegensatz zur charismatischen und bösen Herzkönigin, die von Bonham-Carter auch grandios gespielt wird, verblasst Anne Hathaway nicht nur durch tonnenweise Make-Up, sondern auch durch nerviges Acting wie auf einer Prozac-Überdosis. Die restlichen Figuren stammen größtenteils aus dem Rechner oder sind wie „Little-Britain“-Star Matt Lucas so derart verfremdet worden, dass man zu den Leistungen auch gar nicht mehr viel sagen kann.

Im Gegensatz zum Film bietet die Blu Ray aus dem Hause Disney eigentlich außer massig Eigenwerbung zu Beginn nahezu keinen Anlass zur Kritik. Die Bildqualität ist natürlich sensationell, was jedoch bei einem Big-Budget-Streifen auch wenig verwunderlich ist. Was mich ein bisschen gestört hat, ist die ständige Bewegung im Bild, was vielleicht für den Adrenalin-Junkie auf 3D Sinn macht, bei 2D leider den Bildgenuss mit seiner ständigen Hektik etwas schmälert. Bonusmaterial ist zwar vorhanden, aber doch etwas spärlich und wird wie bei Disney üblich vermutlich zum nächsten Weihnachtsfeier oder in 25 Jahren mit einer Supa-Dupa-Fassung inklusive 3D-Fassung nachgereicht.

Und so bleibt unterm Strich ein effektüberladenes Werk, dass mit familientauglicher Action, ausstrahlungsarmer Hauptdarstellerin und ohne Charme, Herzlichkeit oder Tiefgang bisherige Burton-Fans wohl zwangsläufig enttäuschen wird. „Alice im Wunderland“ ist eine Kinderbuchverfilmung von der handelsüblichen Sorte bzw. aus dem Rechner, bei dem selbst Fans von „Harry Potter“, „Herr der Ringe“ und „den Chroniken von Narnia“ kaum großartige Neuentdeckungen machen werden. Wer sich gerne an 100 Minuten computeranimierter Action und durchkomponierten Bilderwelten erfreuen kann, ist mit „Alice im Wunderland“ sicherlich gut beraten – wer sich hingegen eine herzliche Geschichte voller Emotionen erwartet, sollte diesen Big Budget-Kelch aus dem Hause Disney lieber an sich vorüber gehen lassen. Von dem surrealen Charme, dem abgründigen Humor und der herzerwärmenden Story von „Charlie und die Schokoladenfabrik“ ist der dröge und bisweilen auch etwas langatmige „Alice im Wunderland“ ja meilenweit entfernt! Als herkömmlicher Film durchschnittlich, als Burton-Fan jedoch eine herbe Enttäuschung: 4/10 Punkten