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Ein Jahr nachdem Carmen (Hideko Takamine) zu ihrer Familie nach Hause gekehrt ist (Carmen kehrt heim) und dort mit ihrer naiv-freizügigen Art ihr Heimatdorf in seinen Grundfesten erschüttert hat, ist aus der Karriere der ambitionierten und aufstrebenden Tänzerin leider nichts geworden. Noch immer strippt sie in einer zweitklassigen Revue-Show als spanisches Vollblutweib und auch ansonsten verläuft das Leben im Tokio der Nachkriegsjahre alles andere als glamourös. Da das Geld knapp ist, lebt sie gemeinsam mit ihrer Freundin Akemi (Tshiko Kobayashi) und dessen unehelichen Kind Uarara in einer kleinen Wohnung in einer Siedlung. Als eines Tages wieder einmal kein Geld im Hause ist und die beiden Frauen auch sonst keine Perspektive mehr im Leben sehen, beschließen die beiden, das Kind von Akemi bei reichen Leuten auszusetzen, da dieses einen besseren Start ins Leben verdiene.
Doch kaum ist das Kind vor dem Haus von dem Künstler Hajime (Masao Wakahara) ausgesetzt, plagt Akemi das schlechte Gewissen und sie eilt mit Carmen zu dem Haus zurück. Das Kind ist mittlerweile jedoch schon von Hajimes Familie entdeckt worden, die vermutet, dass es sich bei dem schreienden Kleinen um das uneheliche Kind von Hajime handelt, dass von dessen Mutter zurückgelassen wurde. Als sich der Irrtum aufklärt, sind alles Beteiligten heilfroh, da für Hajime bereits eine Hochzeit mit Chidori (Chikage Awashima) ausgerichtet wurde, deren Mutter Kumako (Eiko Miyoshi), neben politischen Ambitionen auch noch Land besitzt, dass aus der armen Künstlerfamilie reiche Leute machen soll.
Als Carmen jedoch auf Hajime trifft, verliebt sich das naive Mädchen Hals über Kopf in den Künstler, der ebenfalls auf das Mädchen mit dem hübschen Körper aufmerksam wird. Er heuert die temperamentvolle Carmen als Modell, die sich fortan als Muse des Künstlers sieht und nichts unversucht lässt, dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch Hajime hat eigentlich ganz andere Probleme. Über seine anstehende Hochzeit ist er genauso wie seine Verlobte wenig erfreut und auch seine Kunst wird von der japanischen Bevölkerung in der Nachkriegszeit alles andere als geschätzt, sodass er sich seine Ausstellungen selber finanzieren muss. Und vor allem die konservativen Politambitionen seiner Schwiegermutter in spe und Witwe eines Generals bereiten dem aufgeschlossenen Künstler immer wieder Sorgenfalten.
Eines Tages gerät Carmen in das Blickfeld von Kumako, die vermutet, dass es sich bei Carmen um die Geliebte von Hajime handeln könnte. Da sie vor einer anstehenden Wahl keinen Skandal in ihrem Umfeld haben möchte, stellt sie das Mädchen zur Rede und bietet ihr Geld an, damit sie für immer aus dem Leben von Hajime verschwindet. Carmen weiß gar nicht wie ihr geschieht und ist fassungslos, dass sie ihre große, wenn auch sehr einseitige Liebe, nicht mehr sehen soll. Sie willigt zwar ein, nimmt jedoch aufgrund ihres reinen Herzens kein Geld von der Politikerin an. Sie beschließt zwar, sich von Hajime fernzuhalten, wirft alles Vorsätze jedoch schon kurze Zeit wieder über Bord, sucht neuerlich die Nähe des Künstlers und setzt somit weitere Verwirrungen in Gang...
„Carmen kehrt heim“ von Regisseur Kinoshita Keisuke aus dem Jahre 1951 war ja nicht nur Japans erster Heimatfilm voll poppig-bunter Bilder, sondern auch eine herrlich biedere Komödie, in der Tradition und modernen Gedankengut in einem kleinen japanischen Dorf in Form von der Revue-Tänzerin und Sängerin Carmen auf die konservative Landbevölkerung trifft. Das dieses natürlich nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand und der Streifen zeigte auch auf humorvolle Weise, was dabei alles schief gehen kann. Dabei war Carmen trotz ihrer weitgehenden Talentfreiheit und Gesinge, mit dem man wohl jeden Guantanamo-Häftling zu einem Geständnis zwingen könnte, im Grunde doch ein irgendwie liebenswerter Charakter.
Da der Film – wohl auch aufgrund der Tatsache, der erste Farbfilm zu sein – im Land der aufgehenden Sonne ein großer Hit gewesen ist, folgte bereits ein Jahr später ein weiterer Streifen, in dem das weitere Leben von Carmen beschrieben wird. Doch anstatt wieder ein buntes und seichtes Musical zu fabrizieren, ging Kinoshita Keisuke in dem 1952 entstandenen Streifen einen anderen Weg. Die farbenfrohen Bilder weichen schwarz-weißen Bildern, die die Trostlosigkeit der damaligen Zeit unterstreichen sollen und auch die Geschichte ist irgendwie ganz anders und leider auch wesentlich seltsamer ausgefallen. Und wo „Carmen kehrt heim“ noch mit biederem Humor, hübschen Bildern und skurrilen Tanzeinlagen punkten konnte, scheitert „Carmen reine Liebe“ gleich an mehreren Fronten.
Die Geschichte in „Carmen kehrt heim“ hat mir persönlich überhaupt nicht gefallen und sollte wohl dazu dienen, die politischen und gesellschaftlichen Tendenzen der japanischen Nachkriegsgeneration auf die Schippe zu nehmen. Nach dem verlorenen Krieg musste sich das Land erst wieder finden und natürlich zwischen Tradition und einem westlichen Lebensstil entscheiden. Und zwischendrin war der Großteil der Bevölkerung, die nicht einmal genug zum Leben hatten. Verkörpert wird diese Bevölkerung von Carmen, die zwar künstlerisch ambitioniert ist, jedoch immer wieder an ihrem eigenen Anspruch scheitert und ihr Geld immer noch mit Strip-Darbietungen verdient.
Während Carmen im ersten Teil jedoch einen schon sehr selbstbewussten Charakter darstellt, die notfalls ihre künstlerischen Ambitionen auch gegen den Willen ihrer Familie durchsetzt und sich selbst als große Künstlerin sieht, ist davon in „Carmens reiner Liebe“ nur noch wenig zu spüren. In dem Nachfolgestreifen wirkt Carmen nicht nur verbittert, sondern ist auch noch naiv und dümmlich geraten, die zwar reinen Herzens ist, aber die unvermittelt in dem Spannungsfeld von wirtschaftlichen und politischen Interessen landet und diesem wenig entgegenzusetzen hat. Und so stolpert die tollpatschige und naive Tänzerin, die immer in den falschen Momenten spontane Eingebungen hat, auch von einer Misere in die nächste.
Der Fokus der Geschichte ist aber nicht nur auf die glücklose Tänzerin und dessen Freundin Akemi samt unehelichen Kind und deren Probleme in Nachkriegs-Japan, sondern auch noch auf zahlreiche andere und vor allem auch sehr überzeichnete Charaktere gelegt. Allen voran natürlich Hajime, bei dem es mit der künstlerischen Karriere nicht so klappen will und der von seinen Eltern zu der Ehe mit Chidori genötigt wird, die ein für alle mal die wirtschaftlichen Probleme der Familie beenden soll. Chidori denkt aber gar nicht daran, ihr weiteres Leben nur noch auf einen Mann zu beschränken und die Liebhaber gehen ein und aus, was bei ihrer konservativen Mutter Kumako die Alarmglocken schrillen lässt, da diese ihre politische Karriere durch innerfamiliäre Skandale gefährdet sieht. Mit diesem Handlungsgerüst sind immer wieder lustige und weniger lustige Momente verwoben, die aber irgendwie nie so richtig zünden wollen.
„Carmens reine Liebe“ ist dann auch wohl eher ein Film für Leute, die diese Zeit auch mitbekommen haben, während auf andere Personen, die zu dieser Zeit weniger Bezug haben, die satirischen Elemente – so wie ich - wohl eher befremdlich wirken werden. „Carmens reine Liebe“ wirkt auch eher sehr überzeichnet und übertrieben, jedoch leider nicht auf eine sympathische Art und Weise. Die Figuren wirken eher skrupellos, verbittert und durchtrieben, sodass man sich mit den Figuren im Film auch gar nicht identifizieren mag. Carmen, die in dem ersten Teil mit ihrer resoluten Art noch ein paar Pluspunkte ergattern konnte, vermag nicht mehr zu überzeugen und ist auch nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Die DVD aus dem Hause Polyfilm bringt den 1952 entstandenen Streifen in passabler bis guter Bildqualität, wobei man natürlich schon sieht, dass der der Streifen nahezu ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat. Auch der Ton wirkt mitunter – nicht nur aufgrund Carmens Stimme – etwas schrill. Da keine deutsche Synchro existiert, gibt es für den Streifen wieder deutsche Untertitel, die aber gut zu lesen sind. Die Verpackung ist wie immer hübsch und auch das Problem mit der FSK wird wie üblich geschickt umgangen. Bonusmaterial ist neben einer handvoll Trailer zu anderen Filme aus der Serie jedoch wie üblich nicht an Bord.
„Carmens reine Liebe“ ist leider nicht der erwartete Bringer und schlägt im Gegensatz zum unterhaltsam-schrägen Vorgänger inklusive biederen Charme auch leider eine vollkommen andere Richtung an und bietet neben überzeichneten Charaktere auch eine eher nervige Geschichte, mit der ich persönlich so gar nichts anfangen konnte. Sicherlich kann man von einem Film aus dem Jahre 1952 kein Komödienwunder erwarten, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, als hätte Keisuke wie in der finalen Texteinblendung ersichtlich, selbst nicht so richtig gewusst hat, wie die Geschichte von Carmen nach dem Erfolg des Vorgängers weitergehen sollte. Ein paar Musiknummern mehr über die Schönheit Spaniens hätten wohl ebenfalls nicht geschadet und auch sonst hätte man wohl vieles besser machen können: 4/10 Punkten.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6701
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