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Professor David Lurie (John Malkovich) unterrichtet an einer Universität im südafrikanischen Kapstadt die Poesie der Romantik. Doch privat ist der Kontrollfreak alles andere als ein Romantiker, ist zweifach geschieden und geht zu jüngeren Prostituierten. Als er eines Tages auf die junge Studentin Melanie (Antoinette Engel) trifft, nötigt er diese gegen ihren Willen zu einer intimen Beziehung. Als Melanie daraufhin der Vorlesung fern bleibt, fälscht Lurie ein Prüfungsergebnis, um die attraktive Studentin nicht zu verlieren. Als sich die Medien auf die Sache stürzen und einen öffentlichen Skandal verursacht, verlangt die Fakultät eine Entschuldigung von David, die er jedoch arroganterweise verweigert.
David verliert seinen Anstellung und flüchtet aus Kapstadt zu seiner lesbischen Tochter Lucie (Jessica Haines), die seit Jahren in der Provinz Ostkap lebt. Dort bewirtschaftet sie gemeinsam mit dem schwarzen Arbeiter Petrus (Eriq Ebouaney) ein paar Hektar Land und verdient sich Geld auf Wochenmärkten, wo sie Gemüse und Blumen verkauft. Petrus hat mit staatlicher Hilfe von Lucy Land gekauft und wohnt mit seiner schwangeren Frau in einer nahegelegenen Scheune. Doch David macht sich Sorgen um seine Tochter, die so ganz alleine in der gefährlichen Gegend lebt und findet mit seiner intellektuellen, misstrauischen und zynischen Art auch keinen Zugang zu den einfachen Menschen am Lande.
Wenig später scheinen sich die Befürchtungen von David grausam zu bewahrheiten, als die Beiden in der Abwesenheit von Petrus von drei schwarzen Männern überfallen werden. Lucy wird mehrfach vergewaltigt und David verprügelt und fast bei lebendigem Leibe verbrannt. Doch während David versucht, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, erklärt Lucy ihre Vergewaltigung zur Privatsache und weigert sich, diese bei der Polizei anzuzeigen. Da David seine Tochter bei dem grausigen Überfall nicht verteidigen konnte, wird er nun von schweren Gewissensbissen geplagt und sucht Ablenkung bei der ehrenamtlichen Arbeit in einer Tierklinik.
Als Petrus mit seiner schwangeren Frau auf die Farm zurückkehrt, wird er vom wütenden David mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Als sich wenig später herausstellt, dass er weiteres Land zugesprochen bekommen hat und einer der Peiniger der Bruder von Petrus´ Frau ist, spitzt sich die Lage auf der abgelegenen Farm weiter zu. Lucy fühlt sich gebrandmarkt und ist durch die Vergewaltigung auch noch schwanger geworden. Um die junge Frau vor weiteren Attacken zu schützen macht Petrus den Vorschlag, Lucy als Zweitfrau zu ehelichen. David ist angesichts der Ereignisse fassungslos und muss bitter erkennen, dass in der Abgelegenheit Südafrikas für das Zusammenleben von Schwarz und Weiß eigene Gesetze gelten, die er zu akzeptieren hat…
Was der australische Regisseur Steve Jacobs mit seinem 2008 entstandenen Film „Schande“ dem Publikum zumutet, ist in mehrfacher Hinsicht äußerst unbequem und eigentlich ein Schlag ins Gesicht aller Gerechtigkeitsfanatiker und Gutmenschen. In der Buchverfilmung des Literaturnobelpreisträgers J. M. Coetzee geht es nämlich einerseits um die Auswirkungen der Apartheid auf die Gesellschaft in Südamerika, sowie auch um die Schuld einzelner Personen am Leid anderer Menschen, die oft unbedacht verursacht wird und über deren Konsequenzen man sich oftmals gar nicht bewusst ist.
Der eloquente David Lurie ist einer von Ihnen, der durch das Ausnutzen eines Autoritätsverhältnis´ die junge Studentin Melanie und deren Familie großes Leid verursacht und dieses durch seine arrogante Art auch ohne Bedenken in Kauf nimmt. Er sieht sich als weißer Bewohner der Oberschicht jedoch nicht als schuldig, sondern vielmehr vollkommen im Recht und verursacht so durch seine Engstirnigkeit weiteres Leid bei der Familie der Studentin. Wenig später muss er jedoch am eigenen Körper erfahren, wie es ist, wenn man der Vergewaltigung der eigenen Tochter hilflos gegenübersteht und keine Hilfe von Behörden oder Polizei erwarten kann. Durch die brutale Tat werden ihm die Konsequenzen seines eigenen Handelns bewusst und er muss sich eingestehen, selbst einen schwerwiegenden Fehler begangen zu haben.
„Schande“ beschreibt aber auch sehr eindringlich, welche Spuren die Apartheid in den Köpfen der Menschen in Südafrika hinterlassen hat. Ein Thema, dass durch den brutalen Mord des rechtsradikalen Rassistenführers und Politikers Terre Blanche kurz vor der bevorstehenden Fussball-WM in Johannesburg leider auch wieder aktueller denn je ist. Denn auch wenn die Rassentrennung aufgehoben wurde, so gibt es immer noch tiefste Gräben zwischen den unterschiedlichen Teilen der Bevölkerung. Die weißen Bewohner sind reich und privilegiert, während ein Großteil der schwarzen Bevölkerung ihr Leben in bitterer Armut fristet und kaum Aufstiegsmöglichkeiten hat. Und immer wieder entladet sich der Hass der schwarzen Bevölkerung in brutalen Attacken gegen weiße Großgrundbesitzer, die mit Waffengewalt ihren Besitz verteidigen.
Und so ist auch die lesbische Lucy als weiße Farm-Besitzerin trotz aller Integrationsversuche dem offenen Hass der schwarzen Bevölkerung ausgesetzt und wird Opfer einer brutalen Attacke. Die Vergewaltigung verändert das Leben der sensiblen Lucy, die weiß, dass eine polizeiliche Ermittlung nur noch weiteres Leid und brutale Taten verursachen würden. So akzeptiert sie stillschweigend die Schmach der körperlichen Schändung. Ihre Stärke liegt darin, sich entgegen jeglicher Logik dafür zu entscheiden, auf der Farm zu bleiben und diese weiter zu bewirtschaften.
Die Entwicklungen in dem Drama „Schande“ sind schon hart an der Grenze des Erträglichen und es ist für den Zuschauer natürlich besonders tragisch, dass eine eigentlich gutherzige Figur der Lucy derart grausige Dinge ertragen muss, während die Verbrecher scheinbar allesamt ungeschoren davonkommen. Diese Entwicklungen sind auch für ihren Vater kaum zu ertragen, der den Begebenheiten mit seinem analytischen Verstand entgegentritt und bemerken muss, dass man mit allgemeiner Logik und Rechtsempfinden der Sache nicht entgegentreten darf. Die Spirale der Gewalt in Südafrika kann nicht unterbrochen werden und würde durch eine Bestrafung der Tat nur noch weitere Verbrechen verursachen.
Ich muss aber ehrlich gestehen, dass ich die Literaturvorlage leider nicht gelesen habe. Laut Aussage der Drehbuchautorin und Produzentin Anna Maria Monticelli hält sich das Drehbuch aber stark an das Buch und arbeitet die wichtigsten Handlungsstränge der Vorlage heraus ohne Neues hinzuzufügen. Die Stärke des Films liegt neben den wunderbaren Landschaftsbilder, den eindrucksvollen Darstellern und der fast schon dokumentarischen Optik aber darin, dass dem Zuschauer viele der tatsächlichen Entwicklungen verborgen bleiben. Ob Melanie einen Selbstmordversuch unternommen hat, bleibt ebenso im Dunkeln, wie der darauffolgende Skandal oder die tatsächlichen Geschehnisse beim Überfall oder die Verbindungen, die dahinter stecken.
Der Film ist aber auch gänzlich auf die schauspielerischen Leistungen von John Malkovich zugeschnitten, der vor allem zu Beginn die Rolle des unsympathischen Misanthropen mit voller Inbrunst verkörpert. Seine Wandlung zum einsichtigen Menschen ist ebenso eindrucksvoll wie die Leistung der eher unbekannten Jessica Haines, die den körperlichen Verfall der lebenslustigen Lucy und ihre Verzweiflung sehr eindrucksvoll verkörpert. Trotz aller Tragik verströmt der Film aber auch optimistische Momente, die ihn so wenigstens noch einigermaßen erträglich machen. Nichtsdestotrotz ist „Schande“ alles andere als leichte Unterhaltung, sondern vielmehr ein erschütternder Film über soziale Missstände und persönliche Tragödien.
Die DVD aus dem Hause Alamode Film bringt diesen empfehlenswerten und kontroversen Streifen auf DVD, da sich ein Kinoeinsatz wohl aufgrund der Thematik gar nicht rentiert hätte. Für ein Massenpublikum ist der Film von Steve Jacobs wohl aufgrund der grimmigen Aussage ohnehin nicht geeignet und vielen selbsternannten Gutmenschen wird die Botschaft des Filmes wohl auch nicht sonderlich schmecken. Die DVD bietet jedoch keinerlei Anlass zur Kritik und die Bild- und Tonqualität sind im Spitzenfeld. Als Bonus gibt es neben zahlreichen Interviews mit Cast und Crew auch noch den Trailer, ein „Behind the Scenes“ und verpatzte Szenen.
Und so bleibt unterm Strich ein erschütternder Streifen über die politischen und gesellschaftlichen Probleme eines zerrütteten Landes, in dem sich die Rollen der Unterdrücker und Unterdrückten seit Jahrzehnten gewaltvoll wendet und so wohl allen Beteiligten den Schritt in ein besseres Leben verwehrt. Neben dem politischen Aspekt bietet „Schande“ aber auch noch eindrucksvoll eine klare Botschaft über Schuld und Sühne und die tragischen Auswirkungen unbedachter Taten auf alle Beteiligten. „Schande“ verfügt aufgrund der schwer verdaulichen Thematik natürlich über einem äußerst eingeschränkten Unterhaltungswert und eine Wertung möchte ich an dieser Stelle dann auch gar nicht abgeben. „Schande“ macht es einem definitiv nicht leicht und zwingt den Zuseher förmlich, seine eigene Liberalität zu überdenken. Ein schonungsloser Film über die Grenzen der Menschlichkeit, der zwangsläufig polarisiert und daher uneingeschränkt empfehlenswert ist.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6420
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