project: equinoX Forum

geschrieben von jogiwan am 10.11.05

Die junge, lebenslustige Pakistanerin Zaara (Preity Zinta) reist nach Indien um an dem Wallfahrtsort Kiritpur die Asche ihrer verstorbenen Amme Bebe zu verstreuen. Doch der Ausflug steht unter keinem guten Stern und prompt kommt der Bus mit dem sie unterwegs ist von der Strasse ab und stürzt in eine Schlucht. Zaara wird jedoch von dem indischen Rettungspiloten Veer gerettet. Der findet Gefallen an der impulsiven und hübschen Zaara, hat zufällig Urlaub und so begleitet er Zaara nach Kiritpur um dort in einer rituellen hinduistischen Zeremonie, die normalerweise nur Indern vorbehalten ist, am Ufer eines Flusses ihre Asche zu verstreuen.

Als Dank für seine Hilfe verspricht sie ihm im Gegenzug einen Wunsch zu erfüllen. Dem fällt auch gleich etwas ein, aber nicht was ihr schlimmen Leser da jetzt vermuten würdet: Veer wünscht sich einen gemeinsamen Tag mit Zaara und fährt mit ihr zu seinen Zieheltern Chaudhare "Bauji" Sumer Singh (Amitabh Bachchan) und dessen Frau Maati (Hema Malini). Diese leben in einem kleinen indischen Dorf und haben sich dort ganz der humanitären Hilfe und der Fortbildung verschrieben. So ist in diesem kleinen Dorf aufgrund der Intervention der Beiden ein Krankenhaus und eine Schule errichtet worden. Zaara ist angesichts der freundlichen Aufnahme und der Taten begeistert und auch die Maati und Bauji sind von dem angenehmen Gast angetan. Am Abend feiern alle ein großes Fest und die Zieheltern bestärken Veer, Zaara seine Liebe zu gestehen...

22 Jahre später: In einem pakistanischen Gefängnis vegetiert ein verwahrloster Mensch mit der Nummer 7-86, der seit Jahrzehnten kein Wort mehr gesprochen hat. Tja, irgendwas muss damals wohl mit der Beziehung zwischen Veer und Zaara schiefgelaufen sein. Aber was steckt hinter der ganzen Geschichte bzw. warum Veer in einer pakistanischen Gefängniszelle des Hochverrats angeklagt? Die junge, ambitionierte Rechtsanwältin Saamiya (Rani Mukherjee) will den Fall neu aufrollen und mit viel Geduld, Einfühlungsvermögen und Engagement gelingt es Saamiya auch, Veer seine tragische Geschichte zu entlocken. Eine grenzüberschreitende Geschichte über die große Liebe im Spannungsfeld von Macht, Politik, Ehre, Glaube, sowie dem indisch-pakistanischen Konflikt. Es kommt zu einer Neuverhandlung seines Falles, in dem die pakistanische Menschenrechtsaktivistin Saamiya erbittert um die politische und persönliche Gerechtigkeit des ehemaligen indischen Rettungspiloten kämpft...

Die Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten Indien und Pakistan sind bekanntlich ja nicht die Allerbesten. Seit der Gründung der jeweiligen Staaten erheben beide Länder Anspruch auf das Gebiet Kaschmir; eines ehemaligen Fürstentums im Himalaja. Der damalige hinduistische Fürst von Kaschmir wollte einen Anschluss an Indien, während hingegen die Bevölkerung, die zu 80 % aus Muslimen besteht, hingegen zu einem Anschluss an Pakistan tendiert. In den Jahren 1948, 1965 und 1971 wurden zwischen den beiden Ländern Krieg geführt, die erst durch die Vermittlung des englischen Premiers Harold Wilson beigelegt werden konnten. Doch noch immer sind die Streitigkeiten nicht vollkommen beigelegt, eine von den Vereinten Nationen geforderte Volksbefragung hat nie stattgefunden. und auch 1999 kam es neuerlich zu Konfrontationen. 2005 wurde jedoch durch das Krisengebiet erstmalig seit 60 Jahren wieder eine direkte Buslinie zwischen Indien und Pakistan eingerichtet, was als wesentlicher Fortschritt im Zuge der Friedensverhandlungen angesehen werden kann. Bleibt zu hoffen, dass sich diese Gebietsstreitigkeiten bald endgültig beilegen lassen.

Aber keine Sorge, auch wenn der Bollywood-Blockbuster "Veer & Zaara" vor diesen Hintergrund spielt, allzu politisch wird es dann doch nicht und auch auf eine zu tendenziöse Darstellung der jeweiligen Länder wird nahezu verzichtet. Indien wird jedoch als gar zu freies, emanzipiertes, liberales und gastfreundschaftliches Land dargestellt. Dieses ist zwar schön anzusehen, entspricht aber nicht ganz der Realität. Während hingegen die meisten ungerechten Dinge dann auch nur in Pakistan geschehen. Gut gefallen hat mir jedoch die Tatsache, dass die religiöse Komponente wertfrei präsentiert wird. Der hinduistische Idealist Veer und willensstarke Muslimin Zaara - zumindest bei deren Liebesgeschichte hat der Glaubensunterschied keine große Bedeutung. Die Geschichte ihrer gemeinsamen Liebe ist sehr, sehr dramatisch, wirkt teilweise aber doch etwas konstruiert. Aber das ist bei indischen Filmen ja ohnehin meist der Fall. Hier wird die Tränendrüse nicht nur gedrückt, die wird vollends ausgequetscht. Weiters gibt’s es 12 Gesangsnummern (in der TV-Ausstrahlung vermutlich gekürzt), welches auf den ersten Blick doch etwas viel erscheint. Gesungen und getanzt wird dann eigentlich auch alle paar Minuten. Wie üblich natürlich vor üppigsten Kulissen und wunderbaren Landschaften, wo auch Kamerakräne allerlei Überstunden machen durften. Diese Szenen sind auch technisch perfekt inszeniert, wunderschön anzusehen und retten diese Szenen den Film auch vor der allzu grossen Schmalzkatastrophe. Gegen Ende wird es im Gerichtssaal sogar noch einmal richtig spannend, bevor dann beim Finale wohl jeden das Herz und die Äuglein übergehen werden.

Was jedoch auffällt ist die durch und durch traditionelle Inszenierung. Bei den meisten Bollywood-Filmen, die es nach Europa schaffen ist ein westlicher Einfluss bemerkbar. Sei es bei der Geschichte, bei der Inszenierung, Locations, der Charaktere oder auch bei der Musik. Bei "Veer & Zaara" ist dieser Einfluss nicht bemerkbar. Auch wurde auf allseits-beliebte komödiantische Elemente nahezu verzichtet. Vielmehr wirkt der Film ungewohnt ernst und beinahe düster inszeniert, wesentlich nachdenklicher als die meisten anderen, mir bekannten indischen Werke. Was vermutlich daran liegt, dass dieses Mal auch kein ambitionierter Jungregisseur am Werk war, sondern die 73jährige Regie-Legende Yahs Chopra. Dieser ist seit mittlerweile 50 Jahren in Geschäft und gilt als erfolgreichster Filmemacher Indiens. Chopra ist es unter anderem zu verdanken, dass Tanzszenen mit Vorliebe in der Schweiz gedreht werden. Seine Arbeit "Veer & Zaara" wurde nach siebenjähriger Regie-Abstinenz natürlich lang erwartet und brach natürlich neuerlich sämtliche Besucherrekorde. Nicht nur in Indien, auch in den USA und Großbritannien zählt "Veer & Zaara" zu den erfolgreichsten indischen Filmen und hielt sich dort wochenlang in den Kino-Top 10. Chopra selbst wurde 1932 in pakistanischen Teil Punjabs geboren und ist seit seiner Kindheit nie wieder dort gewesen. "Veer & Zaara" mit seiner grenzüberschreitenden Geschichte über Verlust und Entwurzelung ist wohl der persönlichste seiner 18 Filme.

Zu den Darstellern muss eigentlich nicht mehr viel gesagt werden. Mit Shah Rukh Khan und Amitabh Bachchan sind wieder die beiden männlichen Superstars zweier Generationen mit von der Partie. Verwunderlich nur, dass bei den weiblichen Darstellerinnen mal keine ehemalige Miss World am Werk ist. Was aber nicht heißen soll, dass die beiden weiblichen Hauptdarstellerinnen nicht wunderschön anzusehen sind. Preity Zinta überzeugt nicht nur durch ihre schauspielerische Leistung, sondern vor allem auch durch ihre Natürlichkeit und ihrer sympathisch-fröhlichen Ausstrahlung. Rani Mukerji hingegen wirkt als kämpferische Anwältin dagegen zurückhaltend und beinahe kühl. Aber halt nur fast! Die 1978 geborene Schauspielerin zählt zu den beliebtesten Schauspielerinnen Hollywoods und überraschte ihre Fans in den vergangenen Jahren immer wieder mit außergewöhnlichen Rollen, die man ihr vielleicht nicht unbedingt zugetraut hätte. Nebenbei ist sie auch noch die Cousine der wohl beliebtesten Schauspielerin Indiens - Kajol. Ihrer angenehmen Marlboro-light-Stimme könnte ich wohl stundenlang zuhören.

Auf der Doppel-DVD von Rapid Eye Movies gibt es wie üblich den 190 minütigen Hauptfilm im Original mit Untertitel sowie eine synchronisierte Version und auch alle Songs lassen sich einzeln anwählen. Auf der zweiten Scheibe gibt es dann allerlei Bonusmaterial zum Film. Auf ein eigentliches Making-Of wurde zwar leider verzichtet, dafür gibt es allerlei anderes interessanten Material. Einerseits ein 26 minütiges Making-Of-the-Songs, wo Musiker und Sänger, die ansonsten hinter der Kamera bzw. den Mikrophonen agieren, zu Wort kommen und allerlei interessante Dinge über den Komponisten Madan Mohanji und auch dem Regisseur verraten. So wurde bei Musik von "Veer & Zaara" auf bisher unveröffentlichtes Material des vor 30 Jahren verstorbenden Musikers zurückgegriffen, dass für den Film neu adaptiert wurde. Der Ruf Mohanjis ist legendär und so ist es wenig verwunderlich, dass der Film auch aufgrund seines aussergewöhnlichen und bisher unveröffentlichten Soundtracks massiv beworben wurde. Sehr interessant jedenfalls zu sehen, wer da so hinter den ganzen Gesangsnummern steckt. Wer hätte schon gedacht, dass wie weiblichen Gesangparts ja von einer, sagen wir doch eher betagten Dame eingesungen wurden? Dazu gibt’s massenhaft Bilder vom Dreh und Aufnahmen aus dem Tonstudio die wechselnd mit den von Mohanji gesungenen Originalaufnahmen aus den 70er Jahren bzw. deren Neuinterpretationen unterlegt sind.

Dann gibt’s als weiteres Highlight es eine halbstündige Doku und Bilder der Filmpremiere in einem IMAX-Kino in Mumbay 2004. Hierzu wurde wohl alles herangekarrt was in Indiens Filmbusiness Rang und Namen hat. Darunter viele bekannte Schauspieler und indische Superstars wie Aishwarya Rai, Kajol, Big B. und vielen anderen, sowie Regie- und Produzentenkollegen, die sich alle wohlwollend über den Regisseur und dessen Arbeit äußern. Im Gegensatz zu westlichen Premieren nutzen jedoch die Schauspieler nicht jede Sekunde für chronische Selbstdarstellung, sondern geben sogar ab und zu noch eine intelligentes Statement zum Besten bzw. eine Antwort auf eine Frage, die ihnen auch tatsächlich gestellt wurde. In Zeiten von ähm... investigativen Enthüllungsjournalismus a la "exklusiv" ist dieses herzerfrischend anzusehen. Es entsteht jedenfalls der Eindruck, als wäre die indische Filmindustrie eine große Familie, wo ohnehin jeder irgendwie miteinander verwandt oder liiert ist, bzw. nicht unbedingt der Neid an erster Stelle steht. Absoluter Höhepunkt dieses Features bleibt jedoch trotzdem der hartnäckige Puder-Fleck auf Yash Chopras Sakko. Spaßig!

Weiters gibt es noch ein paar Szenen und einen Song, die im fertigen Film keine Verwendung fanden, den Kinotrailer, zahlreiche indische TV-Spots, Karaoke Songs etc. etc.. Das Ganze verpackt in einem schönen Digipack mit Miniposter. Alles in allem eine schöne VÖ eines schönen Filmes, der vielleicht aufgrund seiner langsamen Erzählweise und für westliche Zuseher vielleicht zwar nicht der ideale Einstieg ins dieses Filmgenre darstellt, für fortgeschrittenere Bollywood-Seher jedoch alles (und noch viel mehr) bietet, was das Herz begehrt. Ich würde auch mal grob vermuten, dass der Film ohnehin nicht auf ein jugendliches Publikum zugeschnitten ist, sondern sich eher an ein etwas älteres Publikum richtet. Die können jedenfalls nach Lust und Laune dahinschmachten und 190 wunderbare traurig-schöne Filmminuten verbringen. Ein mitreissendes Pladoyer für die völker-, grenzen- und glaubensübergreifenden Liebe zwischen zweier Menschen und gleichzeitig auch noch ein beeindruckendes Lehrstück in Sachen Menschlichkeit. Mir hat er jedenfalls sehr gut gefallen und so reiht sich "Veer & Zaara" nahtlos in die bisherigen und empfehlenswerten Veröffentlichungen aus dem Hause REM ein.