project: equinoX Forum

Washington D.C.: der eigentlich eher unbedeutende CIA-Agent Osbourne Cox (John Malkovich) verliert aufgrund seines Alkoholproblems seine Arbeit. Die frischgewonnene Zeit nutzt der Mann der Kinderärztin Katie (Tilda Swinton) um seine Memoiren aufzuschreiben. Diese landen später auf einer Diskette seiner Frau, die ihrerseits Finanzdaten für die bevorstehende Scheidungsschlacht über ihren Gatten sammelt. Doch einer Sprechstundenhilfe ihres Anwaltes kommt die CD in einem Fitnesscenter abhanden, wo sie prompt dem etwas debilen Fitnesstrainer Chad (Brad Pitt) in die Hände fällt.

Der wittert brisantes Material und da seine Kollegin Linda (Frances McDormand) gerade dringend Geld für bevorstehende Schönheitsoperationen benötigt, bei denen die Krankenkassa die Übernahme verweigert, entschließen sich die beiden zu einer Erpressung des Ex-Agenten. Osbourne befindet sich mittlerweile jedoch mitten im Scheidungskrieg, ist pleite und natürlich nicht bereit, den beiden Amateur-Erpressern auch nur einen Dollar zu zahlen. Chad und Lisa lassen sich diese Behandlung jedoch nicht gefallen und wandern mit dem vermeintlich brisanten Material schnurstracks in die russische Botschaft um dort die CD an den Mann zu bringen

Lisa hat aber auch noch einen Plan B. Ein reicher und auch großzügiger Mann soll über ein Internet-Dating-Plattform gesucht werden, der dann für die bevorstehende und in ihren Augen auch dringend notwendigen Operationen bezahlen. So gerät sie auch unvermutet an den verheirateten Ex-Personenschützer Harry (George Clooney), der trotz scheinbar glücklicher Ehe und einer ausgeprägter Paranoia, einfach nicht die Finger von verheirateten Frauen lassen kann. Und so ist es wenig verwunderlich, dass er auch der Grund für die Scheidung von Katie und Osbourne ist. Schon wenig später laufen alle Stränge zusammen und als auch noch das CIA und die Russen aktiv werden, steigert sich alles zu einem unbeschreiblichen Finale, in dem kein Stein auf dem anderen bleibt...

Ich muss ja ehrlich gestehen, dass bisher sämtliche Filme der beiden Coen-Brüder – warum auch immer – irgendwie spurlos an mir vorüber gegangen sind. Ob das nun am Entstehungsland oder Schauspielern wie George Clooney oder Brad Pitt lag, kann ich auch gar nicht so genau sagen. Irgendwie haben die Filme bisher halt nie so richtig in mein Interessensgebiet – bei dem amerikanische Komödien sowieso eher gar nicht vorkommen – reingepasst. Das hat sich nun ja geändert und als ich gefragt wurde, ob ich ein paar Zeilen über den Film tippeln möchte, konnte ich natürlich nicht wiederstehen zu sehen, wie sich Brad Pitt als debiler Fitnesstrainer schön zum Affen macht.

„Burn after Reading – Wer verbrennt sich hier die Finger“ aus dem Jahre 2008 ist ja schon in mehrfacher Hinsicht ein sehr seltsamer Film über sehr seltsame Figuren. Es ist ja beinahe unglaublich, welches Staraufgebot die beiden Coen-Brüder für ihre bitterböse Satire über menschliche Gier und Dummheit vor der Kamera versammelt haben und die dann auch noch mit sehr viel Mut zur Selbstironie zur Höchstform auflaufen lassen. Ich persönlich hätte ja nicht gedacht, dass z.B. Brad Pitt, dem ja sowieso der Ruf vorauseilt nicht unbedingt der Hellste zu sein, den Mut hat, eine derartige Figur zu verkörpern. Genauso überraschend ist, dass George Clooney sein öffentliches Bild als Womanizer, welches von den Medien gerne gezeichnet wird, mit einer derartigen Rollenwahl auch noch unterstützt.

Sowieso muss gesagt werden, dass der ein oder andere Makel in der sehr episodenhaft-angelegten Geschichte durch die tollen schauspielerischen Leistungen kompensiert werden. John Malkovich spielt seine Rolle als alkoholkranker und cholerischer Agent in bester Klaus-Kinski-Manier, während Tilda Swinton wieder einmal gefühlskalt und arrogant bis zum Anschlag agieren darf. Aber auch Joels Coens Ehefrau Frances McDormand als einfaches und oberflächliches Gemüt in Form der Fitness-Center-Angestellten auf der Suche nach einem Sponsor der in ihren Augen so dringend erachteten Schönheitsoperationen agiert so herrlich überzogen, dass man wirklich nur noch staunen kann.

Den Begriff „Komödie“ würde ich für die Geschichte jetzt war nicht verwenden, viel mehr ist der Film wohl eher eine tiefschwarze Satire über die schlechten Eigenschaften der Mensch wie z.B. Gier, Geltungssucht und Profit. Jeder der Charaktere ist auf seine Art sehr skurril  und überzeichnet und aus dem Fund einer CD voller unbedeutender Daten in der Umkleidekabine eines Fitnesscenters entwickeln sich die aberwitzigsten Situationen, die bis in höchste Agentenränge ihre Kreise ziehen und schlussendlich auch große Auswirkungen auf alle Beteiligten haben. Dabei agiert eigentlich niemand so, wie man es von zurechnungsfähigen Menschen erwarten würde, sonder handelt ebenso überzeichnet wie die Figur, die er darstellt.

Zugegeben die Geschichte über die versuchte Erpressung ist ja eigentlich auch nur die Basis gleich mal den ganzen CIA-Apparat durch den Kakao zu ziehen. Die Geschichte selber kommt eher schleppend in die Gänge und die ganzen Charaktere sowie die Verbindungen zueinander ergeben sich erst mit fortschreitender Laufzeit. Aber ehe man sich versieht steckt der Zuschauer schon mittendrin in einer dubiosen Story die sich stets so entwickelt, wie man es sich eigentlich nicht erwarten würde. Am Ende wird es sogar richtig düster und der Film entwickelt sich zu einem handfesten Thriller. Gespickt ist die Geschichte mit jeder Menge witziger und pointierter Dialoge voller Situationskomik, die in der englischen Originalfassung erst so richtig zur Geltung kommen. 

Die Geschichte bzw. das Drehbuch entstand ungefähr zeitgleich mit dem zu „No Country for old man“ und die beiden Brüder hatten für ihre Rollen jeweils schon den dazugehörigen Schauspieler im Kopf. Mit George Clooney, Frances McDormand  und Richard Jenkins hatten die Brüder bereits zusammengearbeitet, während Brad Pitt, Tilda Swinton und John Malkovich auf der Wunschliste der beiden Regisseure ganz oben stand. Für alle wurden Rollen entwickelt und überraschenderweise hatten dann auch alle Wunschkandidaten Zeit, sodass das Projekt in Angriff genommen werden konnte.  Ziel der Coen-Brüder war es, die Darsteller allesamt wie Idioten rüberkommen zu lassen und es gibt im gesamten Film auch keine positive Identifikationsfigur. Und das ist meiner bescheidenen Meinung nach auch mit Bravour gelöst worden.

Auf DVD erschien der empfehlenswerte und äußerst skurrile Streifen neben einer Single-Variante auch in einer schönen Doppel-DVD, die den Fan der irrwitzigen Agentensatire mit allerlei Bonusmaterial verwöhnt. So gibt es neben dem Hauptfilm in der Originalvariante und deutscher Synchro auch Untertitel in beiden Sprachen, sowie Bonusmaterial mit fast 70 Minuten. In drei Featurettes kommen alle Beteiligten ausführlich zu Wort und erzählen sehr humorvoll über die Dreharbeiten mit den beiden Coen-Brüdern. Auch die Kostümbildnerin kommt zu Wort und erzählt sehr süffisant darüber, welch Spaß es war, Superstars wie Brad Pitt und George Clooney in unstylische Klamotten zu stecken und sie als Vorstadt-Idioten vorzuführen. Abgerundet wird diese Doppel-DVD noch mit einem Making-of, ein nochmaliger Zusammenschnitt aller Interviews, die B-Roll und dem Trailer.

Und so bleibt unterm Strich ein sehr ungewöhnlicher Film mit einer Handvoll der wohl bekanntesten Charakterdarsteller, die sich für die beiden Ausnahmetalente Joel und Ethan Coen auch allesamt gerne zum Affen machen. Ein Streifen, irgendwo zwischen wortwitziger Tragik-Komödie und grotesker Agenten-Parodie, der zwar nicht die Lacher, aber ein stetiges Schmunzeln auf seiner Seite hat. Und auch wenn sicherlich nicht jeder Gefallen daran finden wird, den Nespresso-Star George Clooney und Brad Pitt als Idioten sehen zu müssen, so hat mir der kurzweilige und maßlos übertriebene „Burn after reading“ doch sehr gut gefallen. Definitiv Zeit, auch mal die anderen Streifen der beiden Brüder unter die Lupe zu nehmen. 8/10 Punkten