project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
Sie sind nicht angemeldet.
Im Jahre 1992 arbeitet die angehende Schauspielerin Lena (Penelope Cruz) als Sekretärin im Büro des einflussreichen Finanzmagnaten Ernesto Martell (Jose Luis Gomez). Als eines Tages ihr todkranker Vater vor die Türen eines öffentlichen Krankenhauses gesetzt wird und zu sterben droht, hilft der reiche und einflussreiche Ernesto seiner Angestellten, einen Arzt für ihren krebskranken Vater zu suchen. Kurze Zeit später kommen die Beiden auch privat zusammen. Doch das Zusammenleben mit dem chronisch-eifersüchtigen und besitzergreifenden Ernesto ist alles andere als einfach und zwei Jahre später ist die Liebe bereits erloschen. Lena lebt mittlerweile in einem goldenen Käfig, in dem alle ihrer Bewegungen von ihrem Gatten überwacht werden.
Zur gleichen Zeit dreht der Regisseur Mateo Blanco (Lluis Homar) einen Film namens "Frauen und Koffer" für die er noch eine Darstellerin für die entsprechende Hauptrolle sucht. Durch seine Produzentin Judit (Blanca Portella) kommt der Kontakt zu Lena zustande, in der sich der Regisseur bei einem Vorsprechen verliebt. Ernesto produziert den Streifen, lässt die Dreharbeiten jedoch von seinem Sohn Ernesto Jr. (Ruben Ochandiano) systematisch überwachen. Mateo und Lena stürzen sich in eine wilde Affäre, die auch Ernesto nicht verborgen bleibt. Als Lena es nicht mehr aushält und ihren Gatten verlassen möchte, wird dieser zum ersten Mal handgreiflich. Mateo beendet die Dreharbeiten zu seinem Film und flüchtet mit Lena nach einem weiteren Übergriff nach Teneriffa ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Doch Ernesto ist nicht bereit seine Frau gehen zu lassen, zerstört den Film mit einer miserablen Schnittfassung und setzt Detektive auf das flüchtende Paar an.
Vierzehn Jahre später ist Mateo Blanco blind, nennt sich nur noch Harry Caine und schreibt gemeinsam mit Diego (Tamar Novas), dem Sohn von Judit an trivialen Drehbücher für Fernsehen und Kino. Als er eines Tages vom Tod Ernesto Matells erfährt und dessen Sohn mit einer Bitte gemeinsam ein Drehbuch von dessen Leben zu verfassen vor seiner Türe steht, holt die tragische Vergangenheit den ehemaligen Regisseur wieder ein. In Rückblenden erfährt der Zuschauer, warum der ehemalige Regisseur mittlerweile seinen richtigen Namen verweigert und blind geworden ist. Ein tragisches Ereignis auf Teneriffa hat die Liebe grausam beendet und das Leben des Regisseurs, Ernestos, dessen Sohn sowie auch das von Judit grundlegend verändert...
Der 2009 entstandene "Zerrissene Umarmungen" des spanischen Meisterregisseur Pedro Almodovar ist eine Mischung aus Drama und Thriller, der dem Zuseher auf sehr ruhige und subtile Art und Weise eine sehr vertrackte und bisweilen etwas komplizierte Geschichte voller tragischer Verwicklungen präsentiert. "Los abrazos rotos" erzählt in schönen Bildern eine weniger schöne Geschichte, die sich dem Zuschauer auch nicht gleich bei der ersten Sichtung gänzlich offenbart. Ehrlich gesagt fand ich "Zerrissene Umarmungen" bei der ersten Sichtung etwas unspektakulär und im Vergleich zu seinen bisherigen Filmen etwas zu ruhig. Doch viele Szenen zu Beginn, die scheinbar trivial und eher uninteressant wirken, bekommen bei der erneuten Sichtung eine vollkommen andere und tiefere Bedeutung. Daher ist "Zerrissene Umarmungen" auch ein Werk, das man zumindest zweimal sehen sollte um ein Urteil zu fällen.
Erstmalig stand der Regisseur jedoch im Kreuzfeuer der Kritik, sich selbst in gleich mehrerer Hinsicht kopiert zu haben. Und tatsächlich gibt es einige Dinge, die dem aufmerksamen Zuschauer schon aus früheren Werken bekannt vorkommen könnte. Allerdings ist dieser Vorwurf eigentlich gar nicht berechtigt, da sich Almodovar ja bereits im Laufe seiner gesamten Filmografie immer wieder gerne selbst oder Figuren und Szenen aus seinen Filmen kopiert hat. So hat er die "Transplantationsszene" aus "Mein blühendes Geheimnis" in abgeänderter Form in "Alles über meine Mutter" gleich nochmals verwurstet. Im Gegensatz zu manch Kritikern finde ich es sehr interessant, in welcher Form Pedro Almodovar seine Geschichten und seine von ihm erfundenen Charakter nochmals verwendet. So erinnert die Geschichte des Regisseurs der erblindet doch entfernt an den 1987 entstandenen "Gesetz der Begierde" in der ein Schriftsteller in der Schaffenskrise nach einem Unfall des Gedächtnis verliert und von einem durchgeknallten Lover bedrängt wird. Auch die Film im Film-Thematik ist ein Stilmittel, dass in Filmen wie "Fessle mich" immer wieder große Bedeutung in seinen Filmen hat. Das Almodovar nun Szenen und sogar Kameraeinstellungen aus seinem Streifen "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" nochmals verwendet hat, ist also durchaus nicht die große Überraschung, sondern eher ein Zeichen der Qualität seiner Geschichten.
Das Regisseur Mateo Blanco mit "Frauen und Koffer" quasi die Geschichte von "Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" verfilmt ist ja auch nur ein kleiner Teil der Handlung und gerade eine längere Szene ist am Ende des Steifens zu sehen. Ansonsten geht es in der Geschichte auch um das sprichwörtliche Labyrinth der Leidenschaften bei den Personen im Hintergrund, welche schlussendlich in einem tragischen Mord gipfelt. Doch im Gegensatz zu manch seinen frühen Werken vermeidet Almodovar in seinem 2009 entstandenen Film die allzu lauten und grellen Töne und setzt mehr auf eine ruhige, beinah behäbige Erzählung seiner im Grunde tieftraurigen Geschichte über Menschen, die sich verlieben oder geliebt werden möchten, aber deren Streben danach aus unterschiedlichsten Gründen unerfüllt bleibt.
Die zärtliche Umarmung zweier Liebender bis in den Tod und darüber hinaus - das sich ja im Grunde jedes verliebe Pärchen wünscht - bleibt für die Protagonisten des Filmes unerfüllt und auch die Liebe zwischen Mateo und Lena wird durch einen Mordanschlag ihres rasenden Liebhabers brutal zerstört. Die sprichwörtliche Umarmung zweier Menschen wird jäh "zerissen" und Mateo lässt sein altes Leben, dass durch seine Erblindung und den Verlust von Lena sinnlos geworden ist als Selbstschutz zurück um fortan als "andere" Person unter seinem ehemaligen Pseudonym zu leben. Erst durch den Tod von Ernesto und dem Auftauchen seines Sohnes wird er wieder an die Ereignisse, die zu diesem Zeitpunkt bereits 14 Jahre zurückliegen, wieder erinnert und Stück für Stück wird auch dem Zuschauer die tragischen Ereignisse offenbart, die für alle Beteiligten eine Auswirkung hatten. Und wenn am Ende Mateo wieder unter diesem Namen angesprochen werden möchte und die Chance bekommt, seinen Film neu zu schneiden, dass ist das fast ein versöhnliches Ende eines ungewöhnlichen Streifens.
Warum der Streifen aber generell nicht ganz so gut wie seine letzten Werke wegkommt, kann ich nach mehrmaliger Sichtung nicht nachvollziehen. Generell kommen aber Almodovars Filme mit Ausnahme von "Sprich mit ihr", die ihre Geschichte nicht aus dem Blickwinkel einer weiblichen Person erzählen, ja generell immer etwas schlechter in der Gunst des Publikums weg. Und auch ich persönlich bevorzuge seine Filme, in denen eine starke weibliche Person wie z.B. die der Manuela in "Alles über meine Mutter" im Vordergrund steht. Nichtsdestotrotz ist "Zerrissene Umarmungen" ein ebenfalls sehr interessanter Streifen, der mit seiner Thriller-Handlung an seine frühen Filme wie "Matador" oder auch an den bereits erwähnten "Gesetz der Begierde" erinnern. Viele wissen ja gar nicht, dass Almodovar in seinen früheren Filmen nicht nur Dramen und schrille Komödien miteinander kombiniert hat, sondern auch abgründige Thriller gedreht hat.
Was aber verwundert ist, dass die Rolle der Lena eigentlich ein schon eher ungewöhnlicher Charakter für eine weibliche Hauptdarstellerin in einem Film von Pedro Almodovar geraten ist. Lena ist in Krisensituationen nicht stark oder resolut, wie z.B. die Rolle der Pepa in „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“, Manuela in „Alles über meine Mutter“ oder der Raimunda in dem Vorgängerwerk „Volver“, sondern ein schwacher, verletzlicher und träumerischer Charakter, der sich nicht wehrt, sondern eher still vor sich hin leidet und für die letztendlich auch kein Happy-End gedacht ist.
Was man dem Film und Almodovar jedoch wirklich vorwerfen könnte, ist die Tatsache, dass der Film mit seiner teils komplexen Geschichte und seiner ungewöhnlichen Erzählweise sehr überfrachtet wirkt und sich der Film sicherlich nicht auf wesentliche Dinge und Charaktere beschränkt. Dem Zuseher werden daher fast schon zuviel an Information zu den unterschiedlichsten Protagonisten in den knapp zwei Stunden vor den Latz knallt. An der Optik hingegen gibt es gar nichts zu meckern und jedes Bild, jede Landschaft und jeder Einrichtungsgegenstand wirkt bis ins letzte Detail durchkomponiert.
„Zerrissene Umarmungen“ ist aber auch ein Film, der komplett auf die weibliche Darstellerin Penelope Cruz zugeschnitten ist, die in dem Film die Möglichkeit hat, in gleich zwei Rollen zu glänzen: einerseits zurückhaltend und verletzlich als Lena und exaltiert und emotional als Pepa in den Szenen des Filmes „Frauen und Koffer“. In der wohl besten Szene des Filmes zitiert Almodovar auch ausgiebig die Synchron-Szene von „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“, der das Schicksal von Lena besiegelt.
Auch bei den anderen Darstellern gibt es viele alte bekannte Gesichter zu entdecken. So gibt es die grandiose Blanca Portillo, die man bereits als krebskranke Augustina aus „Volver“ kennt. Lola Duenas kennt man ebenfalls aus dem Vorgängerwerk, während der männliche Hauptdarsteller Lluis Homar bereits einen Auftritt in „Schlechte Erziehung“ hatte. Für den Fan besonders toll ist es natürlich, dass auch Rossy de Palma, Chus Lampreave und auch Kiti Manver kürzere Auftritte haben, die auch in „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ bereits mitgewirkt haben.
Die DVD aus dem Hause Universum Film bringt „Zerrissene Umarmungen“ in absolut grandioser Bild- und Tonqualität. Wer sich den Film im Original anschauen möchte, hat mit optionalen Untertiteln auch Möglichkeit dazu. Für Sehbehinderte steht auch eine Tonspur inklusive Audiodeskription zur Verfügung. Als Bonusmaterial gibt es zahlreiche Featurettes zum Film und Ausschnitte, die bei der Premiere des Filmes in Berlin entstanden sind. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit zahlreichen Trailern und einem Kurzfilm namens „Die menschenfressende Stadträtin“ mit Carmen Machi und Penelope Cruz in spanischer Sprache mit deutschen Untertiteln, der im Zuge der Dreharbeiten entstanden ist.
So bleibt unterm Strich ein spannendes und kurzweiliges Drama voller Abgründe und Obsessionen, dass Fans des spanischen Regisseurs auch sicherlich nicht enttäuschen wird. Für Neulinge im Almodovar-Universum mag „Zerrissene Umarmungen“ vielleicht nicht ganz so geeignet sein und eine mehrmalige Sichtung ist ebenfalls empfohlen. Mir persönlich gefällt der Streifen auch dank seiner grandiosen Darsteller, der unvorhersehbaren Geschichte, der nahezu perfekten Optik und den ironischen Selbst-Zitaten immens gut und auch die Vorwürfe, das Almodovar mit seinen 60 Jahren nun „müde und leise“ geworden ist und sich inspirationslos selbst kopiert, kann ich nicht nachempfinden. Mag sein, dass „Zerrissene Umarmungen“ nicht so grell und schrill wie seine früheren Werke ausgefallen ist, aber trotz der leiseren Töne ist die tragische Geschichte nicht minder kraftvoll. 9/10 Punkten
Offline
@ Jochen,
sodele, auch dieses Review ist gerade Online gegangen: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6302
Vielen, vielen Dank auch dafür!!!
Offline