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Andy, Tommy, Deric, Steven, sowie das lesbische Pärchen Michelle und Patricia sind jung, schwul, trendy und leben Anfang der Neunziger in der Homosexuellen-Metropole Los Angeles. Gemeinsam wird abgehängt, durch die Clubs gezogen, Musik gehört und über Dinge gesprochen, die schwul-lesbische Jugendliche in diesem Alter so bewegen. Denn anstatt froh zu sein, in einer Stadt aufzuwachsen, in der für Homosexuelle auch etwas geboten wird, wirken die Jugendlichen eher gelangweilt und angewidert vom dem schwul-lesbischen Lifestyle dieser Zeit. Steven, ein angehender Filmemacher portraitiert seine Freunde, die vor der Kamera auch ganz offen über die Dinge sprechen, die homosexuelle Jugendliche in diesem Alter bewegen.
Andy ist 18, attraktiv, stammt aus gutem Haus und trägt trotzdem eine gehörige Portion Weltschmerz in sich. Er verliebt sich Hals über Kopf in den Studenten Ian und verbringt eine schöne Zeit mit ihm. Als er jedoch bemerkt, dass dieser es mit ihm nicht ernst meint, entscheidet er sich zu einem drastischen Schritt. Steven ist kreativ und führt eine Beziehung mit Deric, die allerdings an Eintönigkeit des täglichen Lebens zu zerbrechen droht. Wenig später stürzt er sich in eine Affäre mit einem Typen, der ihm jedoch gar nichts bedeutet und riskiert so die große Liebe seines Lebens zu verlieren.
Der 19jährige Tommy lebt noch bei seinen Eltern und nutzt jede Möglichkeit für schnelle, sexuelle Kontakte. Als diese von seiner Homosexualität erfahren, wird er von seinem Vater verprügelt und vor die Türe gesetzt. Deric hingegen sehnt sich nach Harmonie, wird aber nachdem er erfahren hat, dass er von seinem Partner betrogen wird, auch noch von homophoben Schlägern niedergeprügelt. Das Pärchen Michelle und Patricia ist eigentlich glücklich, doch Michelle hätte gerne ein Kind und setzt vieles daran, dieses auch zu bekommen.
In fünfzehn ungeordneten Zelluloidfragmenten wird von Regisseur Gregg Araki das Leben, die Lieben und die Ängste dieser Jugendlichen in pseudo-dokumentarischen Stil erzählt. Dabei wirkt der Film durch den Einsatz von Handkamera, Spielfilm-Sequenzen, Doku-Material und schnell geschnittenen Filmschnipsel im Musikvideo-Stil wie eine dieser Doku-Soaps, die auch heutzutage noch zuhauf auf Stationen wie MTV gesendet werden. Doch anstatt um irgendwelche Themen, die sich vorwiegend und das schnelle Geld, ein Make-Over oder die bekannten 15 Minuten Ruhm handeln, geht es in „Totally f****ed up“ jedoch um so ernste Themen wie zum Beispiel die hohe Selbstmordrate unter homosexuellen Jugendlichen, Outing, Gay-Bashing, Aids und Liebeskummer.
„Totally f***ed up“ (übersetzt ungefähr so etwas wie „total am Sand“) trägt mit dem bösen F-Wort aber nicht nur die Provokation allein im Titel. Während hierzulande das Wort „Fuck“ ja niemanden großartig interessiert, ist dieses Wort in den Staaten ja noch immer verpönt und wird auch im Fernsehen nicht ausgestrahlt bzw. mit Piepston unkenntlich gemacht. Aber auch in anderen Dingen ist das Drama aus dem Jahre 1993 nicht gerade zimperlich. So werden in kurzen Inserts auch Tom Cruise als Klemmschwuchtel bzw. Schrankschwester geoutet und Mel Gibson als homophobes Arschloch beschimpft. Beides wie man schon des Öfteren hört, wohl auch zu recht. Die Dialoge und Monologe sind teils sehr drastisch und sind im prüden Amerika sicher alles andere alltäglich. Allerdings ist Arakis Streifen zwar provokant, allerdings nicht auf Skandal getrimmt. Der offen schwul lebende Regisseur zeigt den homosexuellen Alltag, der oft von Sex bestimmt ist, nur einfach offen wie er ist.
Eine richtige Geschichte wird in „Totally f***ed up“ jedoch nicht wirklich erzählt. Vielmehr geht es um eine Bestandaufnahme einer bestimmten Generation im Amerika der Frühneunziger Jahre. Eine Zeit, in der man zwar schon in Großstädten offen schwul leben konnte, aber immer noch mit gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Anfeindungen leben musste und auch die Aids-Epidemie eine große Rolle spielte. Ein Outing war damals und ist auch heutzutage noch immer keine einfache Sache und gerade jungen Leuten wird es oftmals schwerer gemacht, als es eigentlich müsste. Daher ist auch Selbstmordrate aktuell unter homosexuellen Jugendlichen viermal höher als bei heterosexuellen Jugendlichen dieser Altersgruppe. Und auch am Beginn des Filmes steht ein kurzer Zeitungsartikel, der dieses nochmal näher beleuchtet.
Die Erlebnisse der sechs Jugendlichen wirken dabei durchaus real und nachvollziehbar. Wie nahezu in jedem Schwulendrama der Fall ist, muss halt wieder einmal jemand sterben. Was jedoch auffällt, ist die mangelnde Empathie-Fähigkeit der Protagonisten. Alle wirken irgendwie teilnahmslos, ohne Lebensperspektive und scheinen sich abgesehen von Musik auch für nichts und niemanden zu interessieren. Man trifft sich untereinander oder führt eine Beziehung, weil dieses immer noch besser ist, als alleine zu sein. Den schnellen Kick sucht man im Konsum von Drogen oder in sexuellen Abenteuern, die sich im Jahre 1993 auch zuhauf finden. Selbst der Freitod eines Freundes scheint die jungen Leute nicht sonderbar zu überraschen.
„Totally f***ed up“ macht es dem Zuschauer aber auch sonst nicht unbedingt leicht. Nicht weil das Teil jetzt so sperrig daherkommt, oder unkonventionell inszeniert ist. Sicherlich handelt es sich um eine Low(est)-Budget-Film und sämtliche Aussendrehs wurden im Guerilla-Stil ohne Drehgenehmigung gefilmt. Aber das Endergebnis hat mich trotz weniger humorvoller und tragischer Momente eigentlich nicht so wirklicht berührt. Sympathieträger sucht man irgendwie bei den jungen Leuten vergebens und mit den irgendwie doch sehr alltäglichen und banalen Problemen der Darsteller wie Probleme mit den Erzeugern und Liebeskummer hat wohl jeder Schwule irgendwann im Laufe seines Lebens zu kämpfen.
Doch wie auch schon bei anderen Werken von Gregg Araki ist die Resonanz gerade beim homosexuellen Publikum nicht die Beste. Wer ein bisschen im Netz recherchiert, dem werden auch die zahlreichen negativen Stimmen zu dem Streifen nicht verborgen bleiben. Und ich muss auch ehrlich gestehen, dass ich mich bei „Totally f****ed up“ schon ein paar Mal gefragt habe, ob es die Intention des Regisseurs war, gerade „meine“ Generation in einem etwas schlechten Licht darstellen zu lassen. Auch wenn ein schwuler Regisseur in meinen Augen eine homosexuelle Lebensweise nicht glorifizieren muss, so muss er sie im Umkehrschluss aber auch nicht besondern negativ darstellen. Der zwiespältige Streifen war ja auch der Auftakt einer ganzen Trilogie über die Ängste der (homosexuellen) Jugend, aber ob man das Ganze dann wirklich so trost-, emotions- und perspektivenlos gestalten muss, halte ich doch für etwas sonderbar.
Die DVD aus dem Hause CMV-Laservision bringt den Streifen in der englischen Originalversion mit optionalen, deutschen Untertitel. Eine Qualität zu beurteilen ist bei einem Lowest-Budget-Werk natürlich obsolet, da es sich bei wackeligen Handkamerabildern und grisseligen Video-Portaits, genauso wie die noisige Geräuschkulisse natürlich um vom Regisseur gewünschtes Stilmittel handelt, um eine größtmögliche Authentizität zu erreichen. Das so was zu Lasten der Optik und Filmgenusses geht, ist natürlich klar. „Totally f****ed up“ ist auch eher ein experimentelles Werk als ein herkömmlicher Spielfilm und wird mit seiner Thematik auch eher ein eingeschränktes Publikum ansprechen. Als Bonus gibt es neben einem Audiokommentar noch eine Bildergalerie und den Trailer zu „The Living End“, welcher kurze Zeit zuvor von Herrn Araki gedreht wurde.
Abschließend bleibt zu sagen, dass Gregg Araki mit „Totally f***ed up“ einen etwas zwiespältigen Film geschaffen hat, der irgendwie entfernt an die Werke von Larry Clark („Ken Park“/“Kids“) in der Indie-Variante erinnert. Und die beiden Filme habe ich rückblickend auch nicht wirklich sympathisch in Erinnerung. Die große Frage ist halt immer, welche Aussage ein Regisseur mit seinem provokanten Werk treffen will. Im Falle von „Totally f****ed up“ ist mir das ja nicht unbedingt klar. Wohl eher geht es um das Austesten, was filmisch möglich ist und für die paar tausend Dollar, die der Streifen gekostet hat, ist das Ergebnis ja schon gut. Schauspielerisch gibt es auch nicht viel zu meckern. Was aber im Beipacktext als ironische, leidenschaftliche, humorvolle und bewegende Studie einer ungeliebten Generation angekündigt wird, ist im Grunde für mein Empfinden dann auch eher genau das Gegenteil davon. Herr Araki hat aber abermals wie schon in „the living end“ nicht undbedingt ganz so meinen persönlichen Geschmack getroffen und daher gibt’s an dieser Stelle dann auch „nur“ 6 von 10 Punkten.
Beitrag geändert von jogiwan (18.January 2010 18:18:23)
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@Jochen
auch dieses Review ist Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6019
Danke nochmals für beide!!!
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