project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Die Wege des Herrn sind unergründlich und auch das Leben eines Review-Schreiberlings bietet mitunter ein paar Überraschungen, mit denen man wohl nicht so rechnen würde. Wenn man ein paar Zeilen zu einem Film oder DVD tippen soll, dann informiert man sich normalerweise im Vorfeld ein wenig über diesen Film, bzw. hat generell ein Interesse an der Thematik, die der Film behandelt. Dass ich jetzt aber zu einer doch etwas seltsamen Doku namens „Rage in the Cage“ etwas tippen soll, ist doch eher einer Verkettung unglücklicher Umstände zu verdanken. Und ich muss ja an dieser Stelle ehrlich gestehen, dass ich mich im Vorfeld mit dem Thema „Free Fighting“ noch nie so wirklich beschäftigt habe, noch keinen einzigen Boxkampf bewusst verfolgt habe und auch die amerikanische Form des Wrestlings trotz enger Spandex-Hosen, Pathos und trashiger Inszenierung ganz, ganz grottig finde. Und es wäre an dieser Stelle natürlich ein Leichtes, den Zynismus voll aufzudrehen, eine Extraportion Spott und Häme auszupacken und einen bösartigen, weil kompletten Verriss der Doku über die selbsternannte, härteste Sportart der Welt zu schreiben.
Bei dem in den letzten Jahren populär gewordenen Cage-Fighting bzw. Free Fighting oder auch MMA (Mixed-Martial-Arts) geht es ja darum, in ein paar kurzen Runden den Gegner in unterschiedlichen Gewichtsklassen mit allerlei Kampfkunst-Firlefanz entweder k.o. zu schlagen, oder zur Aufgabe zu zwingen. Sollte beides nicht der Fall sein, entscheiden ein paar Juroren anhand der Technik, wer zum Sieger des Matches ernannt wird. Damit sich der Kämpfer auch auf seinen Kampf konzentrieren kann und nicht mit üppigem Regelwerk belastet wird, sind diese auf ein absolutes Minimum beschränkt. So ist es u.a. untersagt, dem Gegner schwerwiegende Verletzungen zuzuführen oder auch weiter einzuschlagen, wenn dieser bereits ohnmächtig auf der Matte liegt.
„Free Fighting“ genießt in Sportkreisen jedoch generell einen sehr schlechten Ruf und immer wieder verlangen kritische Stimmen ein Verbot dieser als barbarisch verschrieenen Kämpfe. Gegner und Befürworter liefern sich immer wieder hitzige Wortgefechte, während sich die Boulevard-Medien natürlich mit Vorliebe auf dieses kontroverse Thema stürzen. So wird MMA auch immer wieder mit modernen Gladiatoren-Kämpfen verglichen und der bekannte Box-Moderator und Kabarettist Werner Schneyder sagte gegenüber der FAZ, dass man „diesen Wahnsinn verbieten müsse, da man damit bewusst ernsthafte Verletzungen inkl. Todesfolge in Kauf nehmen würde. Angeblich gibt es jedoch erst einen protokollierten Todesfall infolge einer MMA-Veranstaltung, während zur gleichen Zeit bei offiziellen Box-Kämpfen über 50 Sportler zu Tode gekommen sind. Wie üblich hat jede Sache aber zwei Seiten und viele der Vorwürfe müssen eigentlich schon relativiert werden.
Nach meiner ersten „Free Fighting“-Erfahrung in Form der knapp 80minütigen Doku „Rage in the Cage“ von Regisseur Adam Warren muss ich ja auch ehrlich gestehen, dass ich mir diese Extremsportart doch wesentlich brutaler vorgestellt hätte. Da es sich bei den Kämpfen nicht immer um Vollkontakt-Bewerbe handelt, gibt es auch Kämpfe, die mit minutenlagen Körper-Verknotungen dann eher an das Gesellschaftsspiel „Twister“ von MB, als an einen spannenden Kampf erinnern. Das wird dann auch recht schnell langweilig, was man an den Reaktionen des sensationsgeilen ähm... sensations-verwöhnten Publikums ersehen kann. Diese will natürlich die härteste Form des Bewerbes, die Vollkontakt-Variante sehen, welches dann als abendliches Highlight vermarktet wird. Da kann dann auch schon mal Blut fließen, auch wenn dieses – laut Aussage der praktizierenden Sportler und Veranstalter - nicht unbedingt die Norm darstellen sollte, sondern eher die Kraft und Technik für den Ausgang des Matches entscheidend sein sollte.
Laut Covertext der deutschen DVD begleitet Regisseur Adam Warren (O-Ton) „ein paar vielversprechende und unerschrockene Fighter dieser radikalen und ungemein faszinierenden Extremsportart auf ihrem Weg zum Ruhm. In überaus authentischen und beindruckenden, manchmal auch erschreckenden Bildern, immer direkt am teils blutigen Geschehen...“ Leider ist die im Jahre 2007 entstandene Doku aber alles andere als vielschichtig und bietet mit Interviews der Sportler, Kampfrichter und Veranstalter auch nur einen sehr eindimensionalen Blick auf diese kontroverse Sportart. Das man als ausübender (Kampf-)Sportler natürlich nur lobende Worte für die eigene Sportart findet, ist ja wohl klar und das Hauptaugenmerk wird sowieso auf die qualitativ doch sehr unterschiedlichen Kämpfe gerichtet und negative Stimmen oder Aspekte gleich im Vorfeld ausgeklammert.
Womit wir auch schon beim nächsten Thema sind. Die Kämpfe der unterschiedlichen Gewichts- und Kampfklassen sind wirklich sehr unterschiedlich ausgefallen und reichen von brutaler Wirtshausklopperei ohne Rücksicht auf körperliche Verluste bis hin zu Kämpfen, bei denen wirklich auch ein Hauch von Kampfsporttechnik zu erahnen ist. Ganz hässlich sind diese Kämpfe wie üblich in der weiblichen Variante, wo man(n) wirklich das Gefühl hat, dass zwei gewaltbereite Furien aufeinander losgehen. Leider halten sich die Schauwerte schon ab dem dritten Kampf etwas in Grenzen, sodass sich zumindest bei mir relativ rasch Langeweile eingestellt hat. Meiner bescheidenen Meinung nach, sind die Kämpfe ja auch nicht sonderlich geschickt zusammengeschnitten worden und auch die Kameraperspektiven sind nicht optimal. Gelungene Treffer werden mehrfach wiederholt, was die Bewerbe auch auf den ersten Blick spektakulärer erscheinen lässt, als sie tatsächlich ausgefallen sind.
Das größte Manko der Dokumentation ist aber die bereits erwähnte Einseitigkeit und auch wenn man schon den Eindruck bekommt, dass Fairness und Kollegialität beim „Free Fighting“ groß geschrieben wird, so hätte man zwecks Objektivität auch ruhig ein paar kontroversere Stimmen einfangen können. Wohl nicht ganz uneigennützig, kommen auch nahezu keine Besucher einer solchen Veranstaltung zu Wort, sodass „Rage in the Cage“ einen wirklich sehr subjektiven und geschönten Blick aus der Sichtweise der Sportler und Veranstalter bietet. Wer bei diesen Athleten jedoch gewaltbereite Türsteher mit dem IQ einer Amöbe erwartet, wird jedoch zwangsläufig enttäuscht werden. Im Gegensatz zu europäischen Veranstaltungen ähnlicher Machart hatte ich ja auch nicht das Gefühl, dass hier die gesamte Rotlicht-Partie herangekarrt wurde. In den interessantesten Momenten des Streifens, offenbaren die Sportler auch durchaus sehr persönliches wie z.B. das persönliche Umfeld oder die Unterstützung durch den religiösen Glauben. Doch leider sind diese Momente einfach zu rar, um „Rage in the Cage“ auch für nicht Nicht-Fans interessant zu machen.
Die DVD aus dem Hause CMV-Laservision bringt diese Low-Budget-Doku in guter und annehmbarer Qualität, wobei das Bildmaterial wohl unterschiedlichsten Quellen zusammengefügt wurde. Die teils sehr grisseligen Aufnahmen während der Kämpfe sind wohl ein bewusst verwendetes Stilmittel des Regisseurs. Rein vom technischen und inhaltlichen Standpunkt her, hätte man natürlich schon sehr vieles besser machen können und so wirkt „Rage in the Cage“ auch immer sehr amateurhaft und etwas gewollt. Das Unterfangen, diesen Sport etwas menschlicher erscheinen zu lassen, gelingt ja nur bedingt. Bonusmaterial gibt es außer dem Trailer zum Film und seinen Vorgänger namens „Blood, Sweat & Teeth“ jedoch keines.
Unterm Strich ist „Rage in the Cage“ eine Klopper-Doku mit ordentlich Kawumm die natürlich komplett auf Fans dieser Extremsportart mit überaus schlechten Ruf zugeschnitten ist. Ein Film über Kämpfern mit (O-Ton) „Eiern so groß wie Felsbrocken“, die sich im Käfig des Ringes auch nichts schenken. Eine Dokumentation sollte aber meiner Meinung nach jedoch keine vollkommen subjektive Herangehensweise haben, sonst landet man schnell bei Michael Moore und seinen plakativen Werken. Und auch Andrew Warren macht den Fehler, dass er sich statt Inhalte lieber auf die brutalen Kämpfe verlässt und so seine vollkommen einseitige Sicht zu einem höchst kontrovers diskutierten Sport wiedergibt. Eigentlich schade, da das Thema ja durchaus etwas mehr hergeben würde als eine Handvoll prügelnder Sportler voller Pathos, die wohl auch die Ironie in David Finchers „Fight Club“ niemals verstehen würden. Ganz so schlimm wie eigentlich erwartet ist „Rage in the Cage“ aber nicht ausgefallen und auch wenn ich im Vorfeld schon sehr voreingenommen war, wurden meine Vorurteile nicht zur Gänze bestätigt, aber auch nicht widerlegt. Sympathisch und Massen-kompatibel wird „Free Fighting“ ja ohnehin nie werden und damit können – so denke ich - auch beide Seiten ganz gut leben.
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@ Jochen,
Danke, Danke, Danke fürs Review - und sorry nochmals wegen des blöden Fehlers von mir . Review ist nun Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5948
Keine Ahnung, ob Du nun auch die nächste Doku "Blood, Sweat & Teeth" (http://chilidog.project-equinox.de/?p=5867) besprechen willst .
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