project: equinoX Forum

Der erfolgreiche Architekt Vincent (Filip Peeters) teilt sich mit vier seiner besten Freunde ein sehr pikantes Geheimnis. Im Dachgeschoss eines von ihm entworfenen Gebäudekomplexes hat er ein exklusives Designer-Loft angemietet, das ihm und seinen Freunden für außereheliche Vergnügungen aller Art zur Verfügung steht. Und während die fünf Freunde nach außen hin die – mehr oder weniger – perfekten Ehemänner und erfolgreichen Geschäftsmänner abgeben, wird hier im exklusiven Ambiente fleischlichen Gelüsten gefrönt und fleißig auf die Seite geschlagen. Das geht auch einige Zeit lang gut, bis der zurückhaltende Luc (Bruno Vanden Broucke) eines Tages beim Betreten des Lofts auf eine mit Handschellen ans Bett gefesselte Frau trifft, deren Pulsadern aufgeschnitten wurde.

Da im Loft keine Einbruchsspuren zu finden sind und auch die Alarmanlage deaktiviert wurde, wird schnell klar, dass nur einer der fünf Freunde hinter dem grausamen Mord stecken kann. In der eilig zusammengetrommelten Versammlung reagieren die Freunde zunehmend panisch. Während der Psychiater Chris (Koen De Bouw) und der vorlaute Marnix (Koen De Graeve) sofort die Polizei informieren möchten, befürchtet Vincent einen Skandal und möchte das Problem lieber unter sich ausmachen. Denn vieles deutet darauf hin, dass der gewaltbereite Filip (Matthias Schoenaerts), der Halbbruder von Chris hinter der ganzen Sache stecken könnte und schon wenig später gibt es einen weiteren Todesfall...

Der belgische Thriller „Loft“ (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Werk von Kiyohshi Kurosawa) von Regisseur Erik van Looy ist ja eigentlich eine positive Überraschung in mehrfacher Hinsicht und lässt fast den Geist der von mir so geliebten Giallos aus den Siebzigern wieder aufleben. Der interessante Streifen aus dem Jahre 2008 bietet eine durchdachte und doppelbödige Geschichte voller Lug und Trug in einem stilvollen Ambiente der selbsternannten, feinen Gesellschaft der belgischen Oberschicht. Der Zuschauer wird mehrfach geschickt auf die falsche Fährte gelockt und am Ende weiß man ja wirklich nicht mehr, welcher des eingeschränkten Personenkreises jetzt hinter dem anfänglichen Mord stecken könnte. Verdächtig macht sich ja über die Laufzeit von knapp zwei Stunden ja so ziemlich jeder und auch Motive gibt es mehr als genug. Dennoch bietet „Loft“ ein Ende, das zwar glaubwürdig ist, man sich so aber wohl nicht erwarten würde.

Die Geschichte über das gemeinsame Geheimnis der fünf Freunde ist sehr vielschichtig und dient den Drehbuchautoren Bart De Pauw und Erik Van Looy dazu, ein wenig mit der belgischen Oberschicht abzurechnen. So stehen alle Personen mitten im Leben, sind gutsituiert und dennoch allesamt mit ihren angepassten und höhepunktslosen Leben unzufrieden. Man könnte in „Loft“ ja auch durchaus eine bitterböse Satire über den moralischen Verfall unserer Gesellschaft. Neben der eigentlichen Handlung gibt es ja mehrfach Seitenhiebe auf die Doppelmoral der feinen Gesellschaft und die Versuche, nach außen hin den guten Schein zu wahren. Zuviel will ich aber an dieser Stelle dann gar nicht verraten. Was etwas verwundert ist die Tatsache, dass der Film so gut funktioniert, obwohl der Film eigentlich über keinen Sympathieträger verfügt. Die fünf Freunde haben allesamt ihre Leichen im Keller, die von skrupellosen Verhalten, Erpressung, Alkohol- und Drogenproblemen bis hin zu unkontrollierten Gewaltausbrüchen reichen.

Die Erzählweise des Filmes erinnert dabei an Filme wie „Die üblichen Verdächtigen“ in dem geschickt, mehrere Erzählebenen aus mehreren Perspektiven zusammenlaufen und so immer wieder ein neues Bild der ganzen Sache abgeben. Da der Zuschauer auch lange Zeit nicht weiß, um wenn es sich bei dem weiblichen Opfer handelt, bleibt die Geschichte zusätzlich unberechenbar. Am Ende kommt sowieso alles anders wie man denkt, auch wenn im Gegensatz zu vergleichbaren Werken nicht im letzten Moment noch ein Täter bzw. Motiv aus dem Hut gezaubert wird. „Loft“ ist daher einer dieser Filme, die man sich im Anschluss am liebsten gleich noch mal ansehen würde und daher ist es auch wenig verwunderlich, dass sich der Streifen in den belgischen Kinos dank seiner professionellen Machart und den Darstellern zu dem erfolgreichsten Film entwickelt hat, der jemals in Belgien gedreht wurde.

Von der technischen Seite her bietet „Loft“ keinerlei Anlass zur Kritik und ist optisch auch nicht von vergleichbaren Werken aus Hollywood zu unterscheiden. Schon das stylishe Intro, verrät, dass es sich hier nicht um ein schmuddeliges Werk aus der B-Kiste, sondern um ein Hochglanz-Produkt handelt. Die gesamte Farbgebung des Streifens wirkt äußerst unterkühlt und unterstreicht den Design-Charakter der ganzen Geschichte. So wirken die Wohnungen der Charaktere allesamt wie frisch aus dem Lifestyle-Magazin und jede Szene wie einst auch bei Dario Argento in seinen besseren Tagen komplett durchkomponiert. Ganz grandios ist jedenfalls die Szene im Casino in der alle Verdächtigen, deren Ehefrauen und Gespielinnen, sowie das spätere Opfer unwissentlich aufeinander prallen und sich die Stimmung des Filmes immer mehr zu einem gewaltvollen Höhepunkt aufschaukelt.   

Bei den Darstellern wurde auch alles richtig gemacht und anscheinend die Creme de la Creme der belgischen Charakterdarsteller zusammengetragen. Die schauspielerischen Leistungen sind allesamt oberstes Niveau und so ist „Loft“ daher nicht nur als Thriller, sondern auch als Gesellschaftsstudie durchaus interessant ausgefallen. Den einzigen Vorwurf, den man Regisseur Van Looy eventuell machen könnte, ist, dass die Charaktere der fünf Verdächtigen doch etwas zu sehr am Reißbrett gestaltet worden sind und Klischees vielleicht zu sehr bedient werden. Auch die etwas seltsame Freundschaft der fünf doch sehr unterschiedlichen Personen wird leider nicht näher beleuchtet.

Deutschlandpremiere hatte „Loft“ im Rahmen des Fantasy Filmfest im Jahre 2009, wo der Streifen sowohl beim Publikum als auch bei der Presse sehr gut angenommen wurde. Trotz der durchwegs positiver Stimmen ist dem Streifen im Anschluss ein großflächiger Kinoeinsatz jedoch verwehrt geblieben. Das ändert sich mit 15. Januar 2010 bzw. mit der entsprechenden DVD aus dem Hause Koch Media. Thriller-Freunde sollten sich dieses Datum jedenfalls schon mal vormerken. Auf der DVD gibt es neben den Film in sehr guter Bild- und Tonqualität auch noch ein Making-Of, welches jedoch auf dem Rezensions-Exemplar noch nicht vorhanden war. Die deutsche Synchronisation ist ebenfalls sehr gelungen und wer sich das Teil lieber im flämischen Original anschauen möchte, kann dieses mit optionalen Untertiteln auch gerne machen.

Abschließend bleibt zu sagen, dass Regisseur Erik van Looy mit seinem Nachfolgefilm zu „Totgemacht – The Alzheimer Case“ ein mehr als spannender Beitrag zum Thriller-Genre gelungen ist. Ein kurzweiliger Streifen, der den Zuschauer mehrfach aufs Glatteis führt und selbst den geeichten Fan zu überraschen vermag. Mir hat „Loft“ trotz (oder gerade aufgrund) seiner sterilen Atmosphäre und Hochglanz-Optik jedenfalls sehr gut gefallen. Ich bin ja schon einmal gespannt, wie lange es dieses Mal bis zum amerikanischen Remake dauern wird. „Loft“ beginnt mit einem Paukenschlag und leistet sich dann bis zu den letzten Minuten keinen Durchhänger und bleibt stets spannend und unberechenbar. Nebenher ist „Loft“ nach „Ex Drummer“ schon der zweite belgische Film in kürzester Zeit, der mich komplett überzeugt hat. Und daher kann es an dieser Stelle dann auch nur eine ausdrückliche Empfehlung geben. Sicherlich eines der absoluten Highlights des Jahres. 9 von 10 Punkten