project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
Sie sind nicht angemeldet.
Die junge und selbstbewusste Hanako lebt in Kamagasaki, einem Slum am Rande der japanischen Millionenmetropole Osaka und betreibt mit einigen Partnern einen schwunghaften Handel mit frischen Menschenblut, das Tagelöhnern für ein paar Hundert Yen abgenommen wird um es anschließend gewinnbringend ans die Kosmetikindustrie weiter zu verkaufen. Weil das Geld aber knapp ist, geht die geschäftstüchtige Hanako abends in dem Vergnügungsviertel auf dem Strich. Als sie eines Tages von einem ehemaligen Kriegsveteranen aus dem Geschäft gedrängt wird, beschließt sie sich mit Hilfe von Shins Straßengang zu rächen.
Zur gleichen Zeit kommt auch der junge Takeshi aus der Provinz in die Millionenstadt um dort gemeinsam mit seinem Freund Tatsu eine Arbeit zu finden. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft werden die beiden von dem Gangmitglied Yasu bedrängt und es kommt zu einer wilden Rangelei. Yasu findet die beiden sympathisch und macht ihnen den Vorschlag, sich der von Shin geführten Gang anzuschließen. Diese Gang kontrolliert nicht nur den Straßenstrich, sondern schreckt auch vor Raub, Erpressung und Mord nicht zurück. Als Takeshi eines Tages gemeinsam mit Hanako und Tatsu ein junges Pärchen in einem Park ausrauben möchte, eskaliert die Situation. Tatsu vergewaltigt das Mädchen, worauf dessen Freund aus Scham Selbstmord begeht. Tetsuo kommt mit dieser Situation nicht zurecht, wird jedoch von der abgeklärten Hanako getröstet.
Als Hanako gemeinsam mit Shins Gang die ehemalige Blutbank ihrer Partner zerstört, versucht sich der Kriegsveteran, der die junge Dame aus dem Bluthandel gedrängt hat, in einem neuen Geschäftszweig. Er kauft für ein paar Tausend Yen die Geburtsurkunden der Slum-Bewohner, um diese anschließend an illegale Immigranten zu verkaufen, die jeden Tag hoffnungsfroh nach Osaka strömen. Als Takeshi eines Tages seinem Freund Yasu und dessen Freundin zur Flucht verhelfen möchte, werden sie nach einer Verfolgungsjagd gestellt und Yasu von dem Anführer Shin ermordet. Hanako ist sich mittlerweile seiner ausweglosen Situation bewusst, träumt aber noch immer von einem besseren Leben mit Hanako, in die er sich längst verliebt hat. Und während die Sonne Japans unbarmherzig vom Himmel brennt, steuert alles einem unheilvollen Höhepunkt entgegen…
Hört man den Begriff „japanischer Meisterregisseur“ denkt ich als selbsternannter Filmliebhaber wohl zu aller erst an Akira Kurosawa, der mit Filmen wie „Ran“, „Rashomon“ oder auch „Kagemusha – im Schatten des Kriegers“ internationale Berühmtheit erlangt hat. Dass es in Japan aber noch zahlreiche, weitere Regisseure gibt, die es dringend zu entdecken gilt, ist jetzt der neuen und ambitionierten Filmreihe „Japanische Meisterregisseure“ aus dem Hause „PolyFilm“ zu verdanken, die es mit geplanten 22 DVD-Veröffentlichungen zum Vorsatz gemacht hat, weitgehend hierzulande unterschätze Regisseure aus dem Land der aufgehenden Sonne in einer würdigen Form auf DVD zu präsentieren und einem deutschsprachigen Publikum näher zu bringen.
Als Nummer eins dieser Serie wurde „Das Grab der Sonne“ des kontroversen Regisseurs Ohsima Nagisa aus dem Jahre 1960 gewählt, dass in eindrucksvollen Bildern das trostlose Leben von Tagelöhnern, Heimatlosen und Kriminellen in den Slums der Millionenstadt Osaka portraitiert und einen ungeschönten Einblick in den von Gewalt und Alkohol geprägten Alltag der untersten Gesellschaftsschicht zeigt. Von wirtschaftlichem Aufschwung der Nachkriegsjahre ist in den Slums nicht viel zu bemerkt und die Bewohner halten sich mit Tagesjobs und kriminellen Machenschaften mühsam über Wasser. Ein sozialer Aufstieg ist unmöglich und das tägliche Leben von Gewalt, Neid und käuflicher Liebe geprägt
Hanako ist eine dieser Bewohnerinnen, die sich mit dem Verkauf von Blut und ihrem eigenen Körper gutes Geld verdient. Auch wenn sie auf den ersten Blick optisch nicht viel mit den heruntergekommen Ghetto-Bewohnern gemein hat, so ist sie doch eine von ihnen. Jedoch hat es sich die opportunistische Hanako zum Ziel gesetzt, das Beste aus der Situation zu machen und verbündet sich mit den richtigen Leuten um geschickt ihre Ziele umzusetzen. Und für ihren eigenen Profit schreckt sie auch vor nichts zurück. Ganz im Gegensatz zu dem jungen Takeshi, der für ein vermeintlich besseres Leben vom Land in die Stadt gekommen ist und dort in die Fänge von einer skrupellosen Gang gerät.
Sicherlich mag die Geschichte mit Prostitution, Menschenhandel und dem Verkauf von Blut heutzutage doch antiquiert und auch die optische Umsetzung etwas harmlos wirken, im Jahre 1960 hat der wütende Streifen von Regisseur Oshima Nagisa seine Wirkung jedoch sicherlich nicht verfehlt. Denn während andere Regisseure lieber Geister- und Samurai-Geschichten inszeniert haben und dem japanischen Kino zu kommerziellen Höhenflügen verholfen haben, muss dieser Streifen mit seinen unbequemen und schonungslosen Blick in die Welt der Armen, Kriminellen und Ausgebeuteten mit Tabuthemen wie Sex, käuflicher Liebe, Menschenhandel und Gewalt wohl wie ein Schlag in die Magengrube der japanischen Kinobesucher gewesen sein.
Und ich muss ehrlich gestehen, dass der Film auch knapp 50 Jahre nach seiner Entstehung auch noch gut funktioniert. Denn auch wenn es neben dem verträumten Takeshi so gut wie keine positive Identifikationsfigur gibt, so überzeugt das Drama doch durch seine interessante Geschichte und den teils doch sehr skurrilen Charaktere. Was natürlich auffällt, ist wieder einmal die Tatsache, dass es unter Menschen, mit denen es das Schicksal nicht so wohlwollend gemeint hat, so gut wie keine Solidarität gibt. In „das Grab der Sonne“ ist dem nächsten so gut wie nichts vergönnt und anstatt sich gegenseitig in der schwierigen Situation zu helfen, ist der Alltag von Neid und Missgunst geprägt. Diese doch sehr unschöne, aber zutiefst menschliche Verhaltensweise kommt in dem Finale eindrucksvoll zum Vorschein.
Die DVD aus dem Hause Polyfilm – wie bereits gesagt als Nummer 1 der Serie „Japanische Meisterregisseure“ überzeugt durch eine sehr gute Bildqualität, die anbracht des Alters keine Wünsche offen lässt. Da der Streifen niemals eine deutschsprachige Auswertung erfahren hat, existiert keine deutsche Synchro. „Das Grab der Sonne“ wird uns daher in der japanischen Originalfassung inklusive optionaler Untertitel präsentiert. Bonusmaterial wäre zwar sicherlich wünschenswert gewesen, hätte sich aber für das doch etwas eingeschränkte Zielpublikum wohl niemals rentiert. Und als Ausgleich gibt es dafür ein interessantes Booklet, das schon Lust auf die bis November 2011 kommenden Veröffentlichungen macht und selbst das Plaketten-Dilemma der FSK wurde geschickt umgangen.
Und so bleibt unterm Strich ein durchaus interessanter, handwerklich sehr gut gemachter, aber knapp 50 Jahre nach seinem Erscheinen doch etwas antiquiert-wirkender Blick in die soziale Unterschicht Japans, das von dem Aufbau des Landes nach dem Krieg wenig profitiert. „Das Grab zur Sonne“ ist die unbequeme Alternative zu Werken wie „Kwaidan“ oder den sonstigen Filmen aus der Zeit, die mir ansatzweise bekannt sind. Und das es in Punkto japanischer Kinogeschichte bei meiner Person noch dringendst Nachholbedarf besteht, ist mir spätestens nach dem Genuss dieses Filmes von Oshima Nagisa und dem Booklet zum Film bewusst. Daher freu ich mich an dieser Stelle schon mal auf die restlichen 21 Beiträge, die wohl noch so manche großartige Entdeckung für mich bereithalten wird. Dreckig, düster und 8 von 10 Punkten.
Beitrag geändert von jogiwan (29.November 2009 12:51:16)
Offline
@ Jochen,
vielen Dank für das Review!!! Ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5890
Hoffe mal, zu den kommenden DVDs bekommen wir auch Rezensionsexemplare
Offline