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Mark (Sam Neill) kommt eines Tages von einer längeren Geschäftsreise zurück nach Berlin und findet seine Ehefrau Anna (Isabelle Adjani) seltsam verstört wieder. Die Ehe liegt in Trümmern und Anna möchte mit Mark nichts mehr zu tun haben. Es kommt zum Streit und Mark geht in ein Hotel, in dem er den Entschluss fasst, seine Ehe unter allen Umständen zu retten. Als er die gemeinsame Wohnung betritt, findet er seinen Sohn Bob und die Wohnung in einem verwahrlosten Zustand, während Anna verschwunden ist. Durch Margie (Margrit Carstensen), der einzigen Freundin von Anna erfährt Mark, dass seine Frau in der Zeit seiner Abwesenheit mit einen Geliebten namens Heinrich (Heinz Bennent) zusammen war. Doch als Mark diesen in seiner Wohnung aufsucht, beteuert dieser, dass er selbst keine Ahnung hätte, wo sich die junge Frau befinde und es kommt zum Streit.
Doch so leicht gibt Mark nicht auf und heuert in seiner Verzweiflung einen Detektiv an, der seine Frau ein paar Tage überwachen soll, da es offensichtlich noch einen weiterem Mann im Leben der innerlich zerrissenen Frau gibt. Dieser findet auch relativ schnell den Grund ihrer ständigen Abwesenheit heraus. Anna hat sich in dem heruntergekommen Viertel Kreuzberg eine Wohnung gemietet. Er informiert Mark über die Adresse und verschafft sich selbst unter einem Vorwand Zutritt zu der Wohnung. Dort trifft er auf die scheinbar verzweifelte Anna, die in ihrem Badezimmer ein düsteres Geheimnis vor der Welt verstecken möchte. Die junge Frau unterhält in der heruntergekommenen Wohnung ein Verhältnis mit einem seltsamen Wesen mit Tentakeln und ist für die Liebe zu ihren schleimigen Lover auch bereit, über Leichen zu gehen...
Andrzej Zulawskis 1981 entstandenen Film „Possession“ (zu deutsch „Besessenheit“) zu beschreiben ist gar nicht so einfach. In diesem surrealen Arthouse-Horror-Drama voller extremer Gegensätze und Ansichten, wimmelt es nur so von Metaphern über Menschen in Ausnahmesituationen und versteckte Anspielungen auf Politik, Gesellschaft, Macht(missbrauch) und Religion. Denn auch wenn Zulawski selbst einmal lapidar anmerkte, dass es sein Film im Grunde von einer Frau handelt, die mit einem Tintenfisch vögelt, so bietet das abgründige Werk natürlich viel mehr als die bloße Geschichte über Entfremdung und einer unmöglichen Liebe. Viel mehr ist „Possession“ wohl eine sehr persönliche Abrechnung des Regisseurs mit seinem bisherigen Leben und seinen Schicksalsschlägen, sowie ein bitteres Statement zur politischen Lage der Welt Anfang der Achtziger Jahre.
Das viele Regisseure das Medium Film als Mittel aufgreifen um ihr Leben, Krankheiten und sonstige Schicksalsschläge darin zu verarbeiten ist ja eigentlich eine Tatsache, die sich durch die gesamte Filmgeschichte zieht. So mancher Film wäre ohne traumatische Erlebnisse wohl erst gar nicht entstanden und erst vor kurzem hat Lars von Trier mit seinem kontroversen Schocker „Antichrist“ wieder ein Werk geschaffen, in dem der von Depressionen geplagte Ausnahmekünstler seine Krankheit in rätselhaften Bildern verarbeitet hat. Auch die Entstehung von „Possession“ ist durchaus einem ähnlichen Umstand zu verdanken. Um daher den Inhalt des doch sehr persönlich Streifens des polnischen Regisseurs und dessen komplexe Thematik etwas besser verstehen zu können, muss man sich daher mit dessen Leben etwas näher beschäftigen.
So wurde der am 22.11.1940 geborene Regisseur immer wieder Opfer von Zensur und sein zweiter Film namens „Diabel“ wurde von der polnischen Regierung verboten. Danach ging der Regisseur nach Frankreich um realisierte dort seinen größten kommerziellen Erfolg mit Romy Schneider unter dem Titel „Nachtblende“. Nach dem Erfolg begann der Zulawski in Polen mit den Dreharbeiten zu einem Sci-Fi-Film namens „Auf dem silbernen Planeten“, dessen Dreharbeiten jedoch von dem polnischen Behörden aufgrund von Regime-kritischen Tendenzen vorzeitig beendet wurde. Zu der Zeit war Zulawski mit der polnischen Schauspielerin Malgorzata Braunek verheiratet, mit der er auch einen gemeinsamen Sohn namens Xawery schenkte. Doch Ende der Achtziger lag diese Ehe bereits in Trümmern und Braunek hatte nicht nur einen neuen Geliebten, sondern wandte sich auch dem Zen-Buddhismus zu und zog sich aus dem Filmgeschäft zurück um sich für Tierschutz und Menschenrechte einzusetzen.
In seinem vierten Film verarbeitete Andrzej Zulawski gemeinsam mit dem Schriftsteller Frederic Tuten all diese Eindrücke zu einer fiebrigen Tour de Force für seine Darsteller und seinen Zuschauern. Herausgekommen ist ein beeindruckender Film über Entfremdung, Vereinsamung und politischen-, gesellschaftlichen-, sowie religiösen Zwangsverhalten. Auch wenn sich der Film vordergründig zwar als Horrorstreifen präsentiert und bei seinerzeitigen Veröffentlichung auch als solcher wahrgenommen wurde, ist „Possession“ doch weit mehr als ein plakativer Schocker. Der Streifen entzieht sich auch vollends einer schlüssigen Interpretation, verwirrt den Zuschauer mit zunehmender Laufzeit und wirft am Ende auch mehr Fragen auf, als die er eigentlich beantworten könnte. So sind die Beweggründe der Protagonisten auch nur zu erahnen und vieles, wie z.B. der Beruf von Mark und der Grund seiner langen Abwesenheit werden nicht näher beleuchtet.
Die meines Erachtens logischste Erklärung der Geschichte ist wohl die, dass Anna durch die lange Abwesenheit ihres Gatten trotz gemeinsamen Sohn komplett vereinsamt und depressiv geworden ist. Die Versuche, ihre Einsamkeit mit einem Liebhaber und religiösen Glauben zu lindern scheitern und sie stürzt sich zunehmend in ein zutiefst zwanghaftes Verhalten, dass sich einerseits in der Abneigung gegen ihre Ehe, ihren Unwillen zu leben, einer (Fehl-)Geburt und schlussendlich in einem mysteriösen Tentakelwesen manifestiert, der wiederum ihrem bisherigen Gatten gleicht. Aber das ist nur eine von vielen Möglichkeiten und der Versuch des Verstehens von einem Film, der eigentlich gar nicht zu verstehen ist. Das Berlin als Schauplatz für die abstruse Geschichte gewählt wurde, kommt ebenfalls nicht von ungefähr. So beginnt „Possession“ mit einer Kamerafahrt endlang der damals noch existierenden Mauer, die schon in der ersten Sekunde die verfahrenen und unvereinbarenden Standpunkte von Anna und Mark bildlich darstellt
Das der Streifen jedoch so gut funktioniert, liegt an der grandiosen und teilweise verstörenden Schauspielkunst von Sam Neill und Isabelle Adjani. Letztere liefert in „Possession“ eine Darbietung ab, die mit Worten kaum zu beschreiben ist und zurecht mit der goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet. Hier wird ein wahres Feuerwerk an theatralischem Overacting und Mut zur Hässlichkeit abgefeiert, dass man als Zuschauer wirklich nur noch fassungslos dem Treiben der beiden Hauptdarsteller zusehen kann, die sich (un-)willkürlich gegenseitig an den Rand des Wahnsinns und sogar darüber hinaus treiben. Auch Hans Bennent verkörpert in seiner Rolle als selbst-überschätzender Heinrich perfekt die persönliche Abrechnung des Regisseurs an das intellektuelle Publikum, der metaphorisch ein grausames Ende in einer Kloschüssel nimmt.
Die DVD aus dem Hause Bildstörung bringt dieses bisher unterschlagene Meisterwerk pünktlich zum 20jährigen Jubiläum des Mauerfalls in einer sagenhaft-guten und absolut würdigen Edition. Die Bild- und Tonqualität ist absolut grandios und bietet keinerlei Anlass zur Kritik. Da der Film niemals in den deutschen Kinos gelaufen ist, gibt es keine deutsche Synchro, sodass der ungekürzte Film in seiner englischen Originalversion mit optionalen, deutschen Untertiteln präsentiert wird, die zwar etwas klein ausgefallen sind, aber trotzdem noch gut zu lesen sind. Als Bonusmaterial gibt es einen Audiokommentar des Regisseurs, den Trailer sowie eine Bildergalerie. Das besondere Highlight ist aber sicherlich die eigens für diese VÖ angefertigte Dokumentation über „Possession“, in denen Regisseur Andrzej Zulawski, Co-Autor Frederic Tuten, Produzentin Marie-Laure Reyre und Kameramann Andrzej Jaroszewicz ausführlich zu Wort kommen und über den Film, dessen Handlung und seine Auswirkungen sprechen. Abgerundet wird die empfehlenswerte Scheibe dann noch mit einem hübschen Booklet inklusive ausführlichen Texten von Jörg Buttgereit und Marcus Stiglegger.
„Possession“ ist ein absolut einzigartiges Werk, ein Horror-Drama, dass auch nach 27 Jahren seiner Entstehung nichts von seiner verstörenden Kraft verloren hat. Ein Film mit einer emotionalen Wucht, wie sie kaum in Worte zu fassen ist und den aufgeschlossenen Zuschauer trotz seiner schwer-zugänglichen Geschichte wohl auch nach dem Abspann noch weiter beschäftigen wird. Leicht wird es dem Zuschauer während der knapp zweistündigen Laufzeit jedenfalls nicht gemacht und wer sich einen typischen Achtziger-Jahre- Monster-Horrorstreifen mit einer durchgehenden Logik, Splatter und einer Auflösung erwartet, ist bei Andrzej Zulaswki an der komplett falschen Adresse. Doch auch wenn man vieles nicht versteht und bei der ersten Sichtung wohl teils ein großes Fragezeichen zurückbleibt, so kann man sich der Anziehungskraft dieses filmisches Kunstwerkes wohl kaum entziehen. „Possession“ ist kontroverses Kunstkino der allerbesten Sorte mit grandiosen Darstellern und einer brillanten Inszenierung, das sich mit seinen unbequemen Themen in die Köpfe der Zuschauer bohrt, diese hoffnungslos verstört und anschließend ratlos zurücklässt. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Zulaswki mit diesem Werk seiner Zeit weit voraus war. Die VÖ lässt ebenfalls keine Wünsche offen und daher kann es an dieser Stelle dann auch nur eine Wertung geben: 10/10 Punkten
Beitrag geändert von jogiwan (26.November 2009 11:45:01)
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@ Jochen,
vielen Dank für das Klasse Review!!! Ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5879
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jogiwan schrieb:
ist ja auch ein stranger Film - sehr strange...
Japp, dass ist er. Hätte auch locker von Cronenberg in seinen besseren Tagen sein können .
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