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Der Pianist und Maler Alexander Jablonsky (Herbert Fux) steht in Wien vor Gericht und ist wegen mehreren Morden angeklagt. So sollen eine in der Staatsoper ermordete Ballettschülerin, eine missbrauchte und strangulierte Anhalterin, sowie weitere ungeklärte Frauenmorde auf das Konto des introvertierten Mannes gehen. Im aufsehenerregenden Prozess wird die kranke Seele des ehemals erfolgreichen Pianisten näher beleuchtet und in Rückblenden erzählt, wie Künstler die Frauen ermordet haben soll. So hat Jablonsky eine traurige Kindheit erlitten, wurde von seinen Klassenkameraden nur verspottet und alle Versuche sich dem weiblichen Geschlecht zu nähern, sind gescheitert. Und so hat der stille Künstler über Jahre hinweg einen Hass auf alles Weibliche entwickelt, der ihn schlussendlich auch zum eiskalten Sexualmörder machte....
Am 12. März 1963 schlich sich der Josef Weinwurm in die Wiener Staatsoper und traf dort im zweiten Stock zufällig auf die elfjährige Ballettschülerin Dagmar Fuhrich, die sich gerade auf den Weg zu einer Probe befand. Diese lockte er unter einem Vorwand in die Duschen und tötete das Mädchen mit über dreißig Messerstichen. Nach der schrecklichen Tat erfolgten umfangreiche Ermittlungen und über 14.000 Personen wurden in der Bundeshauptstadt überprüft. Wenig später wurden weitere Frauen Opfern von Attentaten und der Mörder rühmte sich mit einer Postkarte an eine bekannte Tageszeitung seiner Taten. Erst 5 Monate nach dem Mord an der jungen Schülerin konnte, der selbsternannte „Opernmörder“ Weinwurm gefasst werden, wurde in einem medienwirksamen Prozess angeklagt und schlussendlich auch zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe inklusive Dunkel-Haft und Fasttagen verurteilt.
Und genau diese schreckliche Tat lieferte dem österreichischen Regisseur Eddy Saller die Vorlage für seinen 1965 gedrehten Film „Geißel des Fleisches“, der schon als Vorreiter der Jahrzehnte später so zuhauf erscheinenden Exploitation-Streifen gesehen werden kann. Denn auch wenn der Streifen diese Tat als Vorwand dazu nimmt, den Zuschauer mit einer immer mehr sexualisierten Welt zu konfrontieren, die moralisch und ethisch vor die Hunde geht, bedient Saller mit den dazugehörigen Bildern natürlich das komplette Gegenteil. Denn nach den einleitenden Worten eines international-renommierten, jedoch namentlich nicht genannten Psychologen über die „fast schon abscheuliche Zurschaustellung sexueller Reize im alltäglichen Leben“, bietet „Geißel des Fleisches“ natürlich schmuddelige Unterhaltung mit einem grandiosen Herbert Fux in seiner ersten Hauptrolle und jeder Menge Sex and Crime.
Alle sozialkritischen Ansätze, der Geschichte des psychopathischen Triebtäters werden ja dankenswerterweise gleich im Keim erstickt und schon nach der ersten Zeugenaussage einer gewissen Madame Dubois, die ihn ihrem Lokal Modeschauen für frech-frivole Damen-Dessous veranstaltet, vorbei. Spätestens hier wird klar, dass es Regisseur Saller nicht um das Psychogramm eines Serienkillers geht, sondern eher um die Zurschaustellung der kurz zuvor in einer Texttafel kritisierten Freizügigkeit. Diese gibt es ja zuhauf und ich muss ja ehrlich gestehen, dass ich soviel nackte Haut in einem Streifen aus dem Jahre 1965 sicher nicht erwartet hätte. So gibt es nackte Ballerinas in der Dusche, eine freizügige Wäscheshow und auch eine dubiose Bar wird besucht, in denen (natürlich minderjährige) Frauen an ältere Herrschaften verschachert werden. Alles natürlich unter dem Deckmantel der Verbrechensaufklärung. Laut eigenen Aussagen, gab es laut Saller jedoch weniger Probleme aufgrund der freizügigen Szenen, als mit der doch sehr realistischen Darstellung der Mordszenen. Warum die „Geißel des Fleisches“ nun allerdings mit einer 18er-Freigabe auf DVD erhältlich ist, mag jedoch schon verwundern.
Der Titel „Geißel des Fleisches“ ist dabei recht interessant gewählt, weil dieses Wort in unserem Sprachgebrauch heutzutage gar nicht mehr verwendet wird. Als „Geißel“ wird in diesem Falle die Plage gemeint, die die Menschheit geißelt, also auf die Probe stellt. Insofern ist mit „Geißel des Fleisches“ auch eher die Menschheit gemeint, die durch die allgemein-vorherrschende Fleischeslust gepeinigt und so auch jeden Tag aufs Neue hart auf die Probe gestellt wird. Denn wir alle sind ja tagtäglich allerlei Versuchungen ausgeliefert und nicht jeder ist so standhaft, sich diesen psychischen Härteproben zu stellen. Die junge Anhalterin sagt dann auch sehr weise, dass man sich einer Versuchung am besten dadurch entledigen könne, in dem man ihr nachgeben würde. Dummerweise bewahrheitet sich für die junge Anhalterin diese These, schneller als ihr lieb ist und auch nicht in einer Art und Weise, die sie vermutlich beabsichtigt hatte. Frauen kommen ja generell in dem Streifen nicht so gut weg und Feministinnen dürften mit diesem skurrilen Zeitdokument jedenfalls keine große Freude haben.
Aber natürlich kann man bei einem über vierzig Jahre alten Streifen auch keine aktuellen, moralischen Grundsätze anwenden. Die „Geißel des Fleisches“ nähert sich dieser doch sehr komplexen Thematik ja auch auf eine sehr naive Art und Weise, sodass der aufgeschlossene Zuschauer schon mehrmals schmunzeln muss, was sich Drehbuchautor und Regisseur Eddy Saller so alles für seine Ösi-Variante von Hitchcocks „Psycho“ ausgedacht hat. Neben dem Serienkiller-Portrait wird aber auch noch die anstrengende und gefährliche Arbeit der Wiener Polizei in der Unterwelt portraitiert und in finalen Standbild bedankt sich Saller auch nochmals bei der Justiz und Polizei für die gute Zusammenarbeit. Das sorgt angesichts des zuvor gesehen Streifens dann noch für eine finalen Lacher.
Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass das österreichische Kino der Nachkriegsjahre alles andere als dafür bekannt, solche Thematiken zu verfilmen. Zu der Zeit in der auch „Geißel des Fleisches“ in die Kinos kam, waren vor allem Heimatfilme, wie z. B. „Sissi“ oder auch „Der Förster vom Silberwald“ sehr populär. Also Realitätsflucht a la „Bollywood“ für die kriegsgeschädigte Bevölkerung und es war nicht selbstverständlich, so kontroverse Stoffe in deutschsprachigen Filmen zu behandeln. Insofern ist es Herrn Saller schon hoch anzurechnen, dass er und seine Kollegen schon damals den Grundstein für das moderne Exploitationkino gelegt haben, welches seit Mitte der Siebziger dann den Siegeszug um den Globus angetreten hat um noch heutzutage Filmfreunde mit schlechten Geschmack zu beglücken.
Bei den Darstellern wurde ja auch vieles richtig gemacht. Das Eddy Saller auf Herbert Fux zurückgegriffen hat, der bis zu dem Zeitpunkt eher als Komparse engagiert wurde, ist ja als wahrer Glückstreffer zu werten. Fux selbst glaubte damals, ebenfalls nur eine kleine Nebenrolle zu spielen und war überrascht, als der sich als Hauptdarsteller wiederfand. Und auch wenn er nur wenig Text zu lernen hatte, so trägt er doch den gesamten Film mit seiner grimmig-introvertierten Charakterisierung eines Soziopathen, der doch einfach nur geliebt werden möchte. Mittlerweile hat Herbert Fux natürlich längst Kultstatus auf der ganzen Welt und seine Darstellung in Werken wie „Lady Frankenstein“, „Liebesbriefe einer portugiesischen Nonne“ oder in zahlreichen Lederhosenfilmen sind vollkommen zu recht legendär.
Als weiblicher Gegenpart zu unserem Anti-Helden gibt es witzigerweise die österreichische Schauspielerin Edith Leyrer als toughe Kriminalbeamtin, die es schlussendlich schafft, die Bestie mit Hilfe einer Holzlatte auch dingfest zu machen. Leyer kennt hier in Österreich wirklich jedes Kind aus Film, Funk und Fernsehen und ist auch heute noch als Theaterschauspielerin und Sängerin auf der Bühne. Für ihr Spielfilmdebüt hätte sie sich aber sicherlich kein besseres Werk aussuchen können. Bei den anderen Darstellern hat man auch durch die Bank ein gutes Händchen bewiesen und wer sich für den österreichischen (Heimat-)Film interessiert, wird das ein- und andere bekannte Gesicht entdecken können.
Die DVD von Donau Film bringt diesen wunderbaren Streifen in einer schönen VÖ, für die der Film digital überarbeitet wurde. Die Bildqualität kann zwar sicherlich nicht mit aktuellen Filmen mithalten, ist aber angesichts des Alters mehr als akzeptabel. Ein paar Bildstörungen gehören bei dieser Art von Film auch einfach dazu. Die Tonqualität ist ebenfalls sehr gut, sodass die schmissigen und weniger schmissigen Songs hübsch zur Geltung kommen. Die im Film auftretenden „3 Bobbys“ bzw. die beiden Songs kenn ich übrigens noch von meiner Oma, die seinerzeit voll auf die Burschen abgefahren ist. Ob jetzt allerdings die Stimme von Herbert Fux die Originale ist, oder von einem anderen Sprecher nachsynchronisiert wurde, kann ich jetzt nicht mit Sicherheit sagen. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit einem schicken Wende-Cover, dem Original-Trailer, sowie einem ca. 20minütigen Ausschnitt aus einer Doku über den österreichischen Nachkriegsfilm, in dem Regisseur und Darsteller und ein Filmhistoriker zu Wort kommen.
Unterm Strich ist Donau Film mit der VÖ dieses nahezu unbekannten Ösi-Streifens aus der Nachkriegszeit schon ein ganz toller Coup gelungen. Der Streifen bietet alles, was das Herz eines obskuren Filmliebhabers und Exploitation-Freund begehrt. Wer so wie ich die frühen Filme eines Rolf Olsen („wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn“ absolut grandios und generell unterbewertet findet, kann auch bei Eddy Sallers Portrait eines Serien Killers nicht viel falsch machen. Die „Geißel des Fleisches“ erfreut den Zuschauer mit einem tollen Herbert Fux, einem seltsamen Frauenbild, jeder Menge Schenkelklopfer-Mono- und Dialoge und seiner absolut naiven Herangehensweise an gleich mehrere komplexe Themen. Sozusagen Sex und Crime der sympathischsten Sorte und da freue ich mich jetzt schon auf das Nachfolgewerk „Schamlos“ aus dem Jahre 1968 mit dem blutjungen Udo Kier in seiner zweiten Rolle. Und auch wenn nach einem fulminanten Beginn der Film gegen Ende leicht abflacht, gibt es für Herbert Fux und seine grandiose Darstellung einer zerrütteten Seele in diesem schundig-schönen Film auch gerne 8,5 von 10 Punkten. Prädikat: besonders psycho-delisch!
Beitrag geändert von jogiwan (28.October 2009 15:58:34)
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@ Jochen,
Vielen Dank fürs Review: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5766
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