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project: equinoX Forum / nightmare detective I

project: equinoX Forum

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#1 23.October 2009 18:53:02

jogiwan
drama-princess
Ort: graz (austria)
Registriert: 23.January 2006
Beiträge: 2256

nightmare detective I

Die junge Polizistin Keiko (Hitomi) und ihr Team ermitteln in einem bizarren Mordfall. Ein junges Mädchen hat sich anscheinend in ihrer von innen versperrten Wohnung selbst grausam verstümmelt und ist daran gestorben. Die Polizei geht zwar von einem Selbstmord aus, doch es gibt einige Hinweise, dass das junge Mädchen nicht ganz freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Wenig später geschieht ein weiterer furchtbarer Mord. Ein Mann ersticht sich selbst im Schlaf, während seine Gattin hilflos beobachten muss, wie der Mann wie von Sinnen immer wieder selbst auf sich einsticht. Keiko und ihr Team finden heraus, dass die beiden Personen jeweils kurz vor ihrem Tod mit einer mysteriösen Person namens „Null“ telefoniert haben.

Als die Ermittlungen stocken,  beschließt Keikos Vorgesetzter ein Medium zu Rate zu ziehen, der Licht in diese mysteriöse Angelegenheit bringen soll. Sie stößt auf den verschlossenen Kagenuma (Ryuhei Matsuda), der die Fähigkeit besitzt, in die Träume von anderen Menschen vorzudringen um diese zu deuten und vor Gefahren innerhalb dieser Traumwelt zu beschützen. Als ein Kollege von Keiko diese mysteriöse Nummer wählt, wird das Gespräch von einem seltsamen Mann entgegengenommen, der dem Polizisten einen Vortrag über die Schlechtigkeit unserer Zivilisation hält. Danach ist der Mann wie ausgewechselt, entwickelt eine Todessehnsucht und fürchtet, sich im Schlaf selbst das Leben zu nehmen. Das versucht Kagenuma zwar zu verhindern,  doch die seltsame Macht, die den jungem Mann nach dem Leben trachtet, ist einfach zu stark so ersticht sich der schlafende Polizist vor den entsetzen Augen von Keiko und Kagenuma.

Doch Keiko ist wie besessen von der Idee, den Fall aufzulösen und sie telefoniert entgegen allen guten Ratschlägen mit „Null“ um ein für alle mal zu klären, wer bzw. was hinter dieser Sache steckt. Nach dem Telefonat verändert sich Keikos Gemütszustand zunehmend und immer mehr wird sie selbst mit ihrer bisher unterdrückten Todessehnsucht konfrontiert. Traum und Realität scheinen sich zu vermischen und „Null“ scheint immer mehr Macht über die Gefühlswelt der jungen Polizistin zu erlangen. Keiko versucht, wach zu bleiben und entfernt alle spitzen Gegenstände aus ihrer Wohnung. Doch „Null“ lässt sich nicht so einfach überlisten und als Keiko einschläft, kommt es in der bizarren Traumwelt von Keiko zu einem Kampf zwischen „Null“ und Keiko und Kagenuma, der verzweifelt versucht, die Polizistin zu retten…

In den sogenannten J-Horror-Filmen der letzen Jahre geht es ja meistens um Flüche oder Verbrechen, die von Geistergestalten oder weiß-geschminkten Mädchen mit langen Haaren gesühnt werden. Doch was der westliche Zuschauer aufgrund der bisweilen sonderbaren Erzählstruktur oftmals übersieht, ist die Tatsache, dass es neben „the ring“ und „the grudge“ auch noch Werke von japanischen Regisseuren gibt, die sich mit Hilfe dieses Genres auch durchaus an sozialkritische Themen heranwagen und dem westlichen Zuschauer die doch etwas seltsame und leistungsorientierte, japanische Gesellschaft näher bringen. Und so  ist auch ein weiterer, großer Themenkomplex dieser Filme  oftmals die latente Todessehnsucht der japanischen Gesellschaft, die sich anscheinend dem vorherrschenden Leistungsdruck nur noch durch selbstgewählten Freitod entziehen kann. Dieses sehr ernste Thema wird unter anderen auch in den schwerer zugänglichen Filmen „Kairo –pulse“ oder auch „suicide circle“ ausgiebig behandelt, die in unseren Breiten jedoch zwar erhältlich, aber teils  auf eher wenig Gegenliebe gestoßen sind.  Mittlerweile hat sich der große Boom des J-Horrors durch den inflationären Gebrauch der immer gleichen Genre-Zutaten und der amerikanischen Remake-Welle zwar ohnehin vorbei,  doch es gibt  immer noch den ein- oder andere Film, der aus der Masse heraussticht und den es zu entdecken gilt.

„Nightmare Detective“  des japanischen Ausnahme-Regisseurs Shinya Tsukamoto zählt zweifelsfrei zu den interessantesten Werken des Genres und erzählt von dem Phänomen dieser latenten Todessehnung, das sich in Japan durch alles Gesellschaftsschichten zieht. Und auch wenn dieses Land weltweit nicht die höchste Selbstmordrate aufweist, so ist Japan doch das Land, in dem wohl am offensten darüber gesprochen wird. Denn während der Freitod bei uns noch weitgehend tabuisiert wird, können suizidgefährdete Japaner in Büchern nachlesen, welche Form des Selbstmordes am elegantesten ist, welchen schönen Ort man dafür wählen kann und auch online nachlesen, welche Putzchemikalien man zusammen mischen muss, damit ein tödlichen Gas daraus entsteht. 

Doch die Selbstmorde, mit der sich Keiko und ihre Truppe konfrontiert werden, scheinen anders zu sein und die Betroffenen haben in der Sekunde ihres Todes noch um Hilfe gefleht, was darauf hinweist, dass die Opfer nicht ganz freiwillig aus dem Leben geschieden sind.  Mit Hilfe des sogenannten „Albtraum Detektives“ versucht sie hinter das Geheimnis der Selbstmorde zu kommen und wird, wie weitere Personen im Zuge der Recherchen mit ihrer eigenen verdrängten Todessehnsucht konfrontiert. Und wie so oft liegt die Auflösung des Rätsels in traumatischen Erlebnissen, die im Unterbewusstsein der Beteiligten gelagert sind. Und in unseren Träumen werden diese bewussten und unbewussten Erlebnisse verarbeitet. Und auch wenn wir oft mit diesen Dingen wenig anfangen können, so sagen sie doch viel über uns und unsere Persönlichkeit aus.

Natürlich ist Shinya Tsukamotos Geschichte aber wesentlich komplexer und unzugänglicher, als es sich jetzt bei mir an dieser Stelle anhört. Denn der Regisseur, der mit seinen beiden „Tetsuo“-Werken wohl die großen Klassiker des modernen Cyberpunk-Kinos geschaffen hat, bietet dem Zuschauer jede Menge Falltüren und Abgründe, die sich bei der ersten Sichtung noch gar nicht so erschließen. Die Geschichte ist äußerst abstrakt und driftet im Finale noch zusehends in die wirre und surreale Welt der der Träume ab, in der auch sämtliche Logik-Grenzen einfach aufgehoben werden. Somit ist „Nightmare Detective“ auch kein einfach zu konsumierendes Werk, sondern ein Film, dem man schon seine ganze Aufmerksamkeit schenken sollte. Leicht hat des Tsukamoto dem Zuseher ja noch nie gemacht und auch wenn der Streifen angeblich sogar Blockbuster-Qualitäten in Japan erreicht hat, dem mittlerweile auch schon ein zweiter Teil gefolgt ist, sollte man sich doch kein zugängliches Werk erwarten.

Die Optik steht natürlich bei Tsukamoto wie immer im Vordergrund und auch dieses Mal überzeugt der Regisseur mit ungewöhnlicher Optik und unterschiedlicher Farbgebung. Die Bilder wirklich kalt und trostlos wie das Seelenleben der Protagonisten und am Ende wird es sowieso vollkommen surreal, sodass der Zuschauer schon mal die Orientierung verlieren kann. Aber das ist bei Regisseur Tsukamoto durchaus beabsichtigt und auch so gewollt. Die Geschichte selbst geht vollkommen in Ordnung, auch wenn sich sicherlich einige Logiklöcher auftun, über die man sich im Gesamtkontext jedoch keine gröberen Gedanken machen sollte. Auch die Charaktere sind gut gelungen und die toughe Keiko sticht nicht nur optisch wohlwollend aus der Masse der J-Horror-Darstellerinnen hervor. Nur die Rolle des innerlich arg-zerrissenen Kagenuma war mir vielleicht eine Spur zu wenig beleuchtet.

Die DVD aus dem Hause Sunfilm bringt diesen interessanten Film in guter Bild- und Tonqualität und einer äußerst gelungenen Synchro, was bei Filmen dieser Art ja nicht zwangsläufig der Fall ist. Man kann sich „Nightmare Detective“ natürlich auch im japanischen Original mit deutschen Untertiteln anschauen. Der Film kommt mit einer FSK18-Freigabe, die angesichts der gezeigten Brutalität auch in Ordnung geht. Die ist zwar nicht ausufernd und es gibt schon ein paar drastische Gewaltspitzen im Film zu sehen. Leider gibt es neben dem japanischen und deutschen Trailer kein weiteres Bonusmaterial zum Film. Gerade bei Filmen von Tsukamoto wäre es schon sehr interessant zu erfahren, was sich der Regisseur bei der ein- oder anderen Szene gedacht hat. Aber da es die Scheibe mittlerweile auch für den schmalen Geldbeutel gibt, sollte jeder der sich für diese Art von Filmen interessiert, auch sofort zuschlagen.

Unterm Strich ist Shinya Tsukamoto ein neuerlich interessanter Film gelungen, der – man möge es mir verzeihen – im Vergleich zu seinen Vorgängerwerken beinahe schon kommerziell geraten ist. Aber der japanische Regisseur bleibt sich und seinem Gefolge  neuerlich treu und verwirrt den Zuschauer mit interessanten Wendungen. Nebenher überzeugt „Nightmare Detective“ vor allem durch seine durchgehend trostlose Atmosphäre und überzeugenden Darstellern. Was als Ghost-Story beginnt, endet in einem surrealen Finale, das man schon gesehen haben sollte. Wer sich während des Filmes an die frühen Werke von David Cronenberg und David Lynch erinnert fühlt, liegt da vermutlich gar nicht so falsch. Und selbst wenn man sich an J-Horror schon etwas satt gesehen hat, „Nightmare Detective“ ist ein Werk, das überzeugt und den aufgeschlossenen Zuschauer - der weiß auf was er sich einlässt - auch sicher nicht enttäuschen wird: 8 von 10 Punkten.


It´s fun to stay at the YMCA...

*** Gretl... the prince !!! ***

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#2 23.October 2009 22:31:11

chilidog
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Re: nightmare detective I

@ Jochen,
vielen, vielen Dank für das Review zum ersten Teil!!!

http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5808

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