project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Taku und Yutaka gehen beide in der Provinzstadt Kochi auf die selbe Schule und sind Freunde, seit die beiden gemeinsam gegen eine willkürliche Absage einer Klassenfahrt durch ihre Klassenlehrer demonstriert haben. Ein weiteres Schuljahr vergeht und Taku arbeitet in den Ferien in einem Restaurant um Geld zu verdienen, während Yutaka auf seiner Schule einen Förderunterricht besucht. Eines Tages ruft Yutaka in der Arbeit von Taku an und bittet diesen, ihn von der Schule abzuholen. Dort angekommen erzählt Yutaka von einem Mädchen namens Rikako, dass mit ihrer Mutter und ihrem Bruder von Tokyo nach Kochi gezogen ist und im neuen Semester in seine Klasse gehen wird. Rikako ist anders, als die anderen Mitschülerinnen der beiden und zeichnet sich neben einem attraktivem Äußeren auch durch besonderen Ehrgeiz und schulische Erfolge aus. Doch mit dem resoluten Mädchen aus der Großstadt kommen vor allem die Mädchen der Klasse nicht klar und Rikako bleibt eine Außenseiterin.
Auch Taku hat mit Rikako keine Kontakt, doch das ändert sich kurze Zeit später auf einem gemeinsamen Ausflug nach Hawaii. Rikako bittet Taku ihr etwas Geld zu leihen, da sie ihres angeblich verloren hat. Taku ist darüber zwar verwundert, erfährt jedoch von Rikako, dass Yutaka dem Mädchen bereits viel von ihm erzählt hat. Und so borgt Haku dem Mädchen auch bereitwillig 60.000 Yen. Zurück in Kochi scheint Rikako auf die Rückgabe des Geldes vergessen zu haben und findet tatsächlich eine Freundin namens Yumi, mit der sie viel Zeit verbringt. Die beiden Mädchen beschließen über die Feiertage nach Osaka zu fliegen, um dort ein Konzert zu besuchen. Doch das war nur ein Trick, denn in Wirklichkeit möchte Rikako ihren Vater in Tokyo besuchen. Yumi ist verzweifelt und wendet sich in ihrer Not an Taku. Dieser eilt zum Flughafen und ist nachdem er die traurige Rikaku gesehen hat, auch bereit, sie anstelle von Yumi nach Tokyo zu begleiten.
Während sich Rikaku bereits auf ihren Vater freut, wird Taku in einem Hotelzimmer einquartiert. Doch der Besuch des Vaters endet für Rikaku ganz anders als geplant. Den dieser hat bereits eine neue Freundin und andere Pläne, als mit seiner Tochter die Feiertage gemeinsam zu verbringen. Und so klopft wenig später eine vollkommen am Boden zerstörte Rikaku an der Hotelzimmertür von Taku und Rikaku erzählt erstmals ganz persönliche Dinge über die Eheprobleme ihrer Eltern, dem Umzug nach Kochi, der sie aus ihrem persönlichen Umfeld gerissen hat und zeigt ihrer verletzliche Seite. Taku ist überrascht, doch gleichzeitig ist er auch immer mehr von dem Mädchen fasziniert. Nach dem missglückten Trip nach Tokyo beginnt jedoch der Klatsch und Tratsch in der Schule und auch Yutaka kommt zu Ohren, dass sein Freund und sein Objekt der Begierde eine gemeinsame Fahrt nach Tokyo unternommen haben. Das gefällt diesem natürlich gar nicht und weitere Verwicklungen stellen die ehemals gute Freundschaft der Beiden auf eine harte Probe...
Anfang der Neunzigerjahre entschloss sich das erfolgreiche, japanische Anime Studio Ghibli nach erfolgreichen Werken wie „Nausicaä“, „Mein Nachbar Totoro“ und „Porco Rosso“, die von Regisseur Hayao Miyazaki sowie „Die letzten Glühwürmchen“ und „Only Yesterday“ von Isao Takahata, ein paar Nachwuchstalenten die Möglichkeit zu geben, einen eigenen Film zu drehen. Und so bekam Tomomichi Mochizuki die Chance, einen eigenen Film zu gestalten, der im japanischen Fernsehen laufen sollte. Dabei wurden von dem Studio außer dem Termin der Fertigstellung keinerlei Vorgaben gemacht. Die jungen Leute sollten nur eine schnelle, billige und qualitativ hochwertige Arbeit abliefern. Doch leider wurde nicht nur das Budget überschritten, sondern auch die Einspielergebnisse waren trotz guter Kritiken sehr schleppend, sodass „Flüstern des Meeres“ sehr lange brauchte, um seine Produktionskosten wieder einzuspielen. Weitere Experimente mit jungen Mitarbeitern und TV-Filmen wurden daher von den Studiobetreibern nicht mehr eingegangen und so dauerte es mit „Das Königreich der Katzen“ nahezu zehn Jahre, bis ein weiterer Film in Auftrag gegeben wurde, der nicht von den beiden Altmeistern des Studios stammte.
Woran es schlussendlich gelegen hat, dass „Das Flüstern des Meeres“ zur Zeit der Entstehung kein großartiger Erfolg geworden ist, lässt sich für mich jetzt nicht unbedingt nachvollziehen. Denn auch wenn dem Film die überbordende Fantasie eines Miyazakis fehlt und auch nicht die tränendrüsige Dramatik eines Takahatas besitzt, so erzählt er doch in ruhigen und realistischen Bildern eine durchaus sympathische Geschichte über zwei Jugendliche, die in einer japanischen Provinzstadt heranwachsen und deren Leben durch die Ankunft einer neuen Mitschülerin ordentlich auf den Kopf gestellt wird. Während sich der eine Hals- über Kopf in das junge Mädchen verliebt, hält sich der andere nobel zurück, da er die Freundschaft nicht gefährden möchte. Schlussendlich kommt jedoch alles anders und bis zum zaghaft-angedeuteten Happy-End erleben die jungen Menschen allerlei lustige und auch dramatische Momente.
Die Charakterisierung der drei Personen und deren Umfeld ist dabei sehr gelungen und jeder Zuschauer wird sich selbst oder seine Mitschüler in einem Teil wiederfinden. Da wäre einerseits Taku als „good guy“, der kumpelhafte Typ zum Pferde stehlen, von dem man alles haben kann und der auch immer versucht, ein Problem in Hinblick auf alle Beteiligten zu lösen. Yutaka hingegen ist eher der ruhige Strebertyp, der für andere einsetzt, es aber nicht schafft, seiner Schulkameradin Rikako seine Liebe zu gestehen. Und als er es schlussendlich doch wagt, erwischt er auch noch den falschen Moment, da Rikako als Scheidungskind und Umzugsopfer in der ungeliebten Provinz sowieso ganz andere Probleme zu bewältigen hat, als dass sie sich auch noch um einen liebeskranken Mitschüler kümmern könnte.
Neben der erwähnten Dreiecksgeschichte gibt es allerdings auch noch andere Themen, wie zum Beispiel der enorme Leistungsdruck, dem die japanischen Jugendlichen ausgesetzt sind. Weiters werden Probleme wie Scheidung der Eltern, Umzüge, Alkohol und auch Mobbing innerhalb der Schule thematisiert. Angesichts der Probleme von Schülern heutzutage mag das zwar alles relativ harmlos wirken, man darf aber nicht vergessen, dass die Schüler Anfang der Neunziger noch mit anderen Problemen zu kämpfen hatten, als es heutzutage der Fall ist. Besonderes Hauptaugenmerk bei der Adaption des Fortsetzungsromans, der ursprünglich in einer Zeitschrift erschienen ist, wurde dabei auf eine besondere Realitätsnähe gelegt. Die Macher entschieden sich, die Geschichte in der Hafenstadt Kochi spielen zu lassen, die südwestlich von Tokyo befindet und knapp 320.000 Einwohner hat. Die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit der Stadt ist eine Burg, die im Jahre 1601gebaut wurde und im Gegensatz zu vielen anderen Bauten noch im Original erhalten wurde. Vor Ort wurden dann Fotos gemacht, an denen sich die Zeichner orientierten. Eine Arbeitsweise, die vor allem bei Miyazaki vollends verpönt ist.
Die DVD aus dem Hause Universum Film/UFA bietet diesen kurzweiligen, weil auch etwas kurzen Streifen im Rahmen der Studio Ghibli DVD-Collection in einer wunderschönen Doppel-DVD-Edition, die sich nahtlos zu den bisherigen Veröffentlichen reiht. Die optische Gestaltung ist wie üblich erste Sahne und neben dem Hauptfilm im japanischen Original oder mit gelungener Synchro gibt es auch optionale Untertitel, die allerdings seltsamerweise von der Synchro etwas abweichen. Auf dem zweiten Silberling gibt es das komplette Storyboard zum Film, sowie ein ausführliches und interessantes Featurette in dem sich die fünf Hauptbeteiligten knapp elf Jahre danach neuerlich in der Stadt Kochi auf die Suche nach den Originalschauplätzen begeben. Nebenher werden noch allerlei andere Dinge rund um die Entstehung des Filme besprochen, sodass der Zuschauer einen interessanten Einblick in japanische Denk- und Arbeitsweisen bekommt. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit ein paar hübschen Sammelkarten und jeder Menge Trailer aus der Ghibli-DVD-Collection.
„Das Flüstern des Meeres“ ist ein netter, wenn auch etwas unspektakulärer Anime, der zwar sicherlich nicht mit den großen Klassikern und neueren Werken des Studio Ghiblis mithalten kann, aber trotzdem sehr interessant ausgefallen ist. Familienfreundliche Unterhaltung der oberen Qualitätsklasse, der Fans von realitätsnahen Animationsfilmen sicher gefallen wird. Am ehesten erinnert der Streifen an den ruhigen „Only Yesterday“, der ebenfalls gänzlich auf fantastische Elemente innerhalb der Story verzichtet. Der Film wurde zwar für das TV produziert, macht aber auch auf Silberling eine gute Figur und neben dem Film mit relativ kurzer Laufzeit von knapp 70 Minuten, überzeugt vor allem die interessante Doku, in dem die Macher 11 Jahre nach der TV-Premiere nochmals die Entstehung und Auswirkungen des Filmes Revue passieren lassen. Schade eigentlich, dass sich der damalige Versuch frisches Blut in die Studios zu bringen, nicht etabliert hat. Und auch wenn ich vielleicht mit Mitte Dreißig nicht mehr ganz zur eigentlichen Zielgruppe des Streifen gehöre, so gebe ich an dieser Stelle trotzdem gerne 7 von 10 Punkten.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5764
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