project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
Sie sind nicht angemeldet.
Am 21. Mai 1924 locken die beiden Studenten Nathan Leopold Junior und Richard Loeb den 14 jährigen Bobby Franks in einen zuvor gemieteten Wagen und töten ihn kaltblütig. Danach verätzen sie das Gesicht des Jungen mit Säure und vergraben den Leichnam in der Nähe eines Bahndammes. Sie stellen eine Lösegeldforderung an die Eltern des Jungen und fordern 10.000 Dollar. Doch schon wenig später wird der tote Junge von einem Bahnarbeiter gefunden und auch rasch identifiziert. Die Öffentlichkeit ist geschockt über die Brutalität, mit der das Verbrechen begangen wurde.
Im Zuge der Ermittlungen kommt die Polizei durch eine verlorene Brille auf die Spur der beiden Studenten, die zu dieser Zeit eine intime Beziehung unterhalten. Bei der Einvernahme durch die Polizei leugnen die beiden jungen Männer die Tat, doch schon wenig später belasten sich die beiden Studenten gegenseitig. In einem medienwirksamen Prozess werden die beiden angeklagt. Das Verbrechen wurde begangen, weil sich die beiden über übermäßig intelligent halten und für erhöhten Nervenkitzel einen perfekten Mord begehen wollten. Beide hatten nicht damit gerechnet, jemals gefasst zu werden. Im aufsehenerregenden Prozess entgehen Leopold und Loeb nur mit einem juristischen Trick der Todesstrafe und werden zu lebenslanger plus nochmals 99 zusätzlichen Jahren Haft verurteilt.
Das eiskalte Verbrechen, dass der 19jährige Nathan Leopold Junior und sein 18jähriger Freund Richard Loeb im Jahre 1924 begangen haben, hat die Öffentlichkeit seinerzeit zutiefst schockiert und über lange Zeit beschäftigt. Zwei wohlhabende und hochintelligente, jüdische Studenten aus gutem Hause begehen einen Mord ohne Motiv und versuchen diesen als Entführung zu tarnen. Beide hatten keinerlei finanzielle Probleme und waren zuvor auch nicht polizeilich aufgefallen. Zahlreiche Autoren und Psychologen versuchen seit Jahrzehnten die Hintergründe dieser scheinbar sinnlosen Tat zu ergründen und auch viele Filmemachen, wie z.B. auch Alfred Hitchcock haben sich von dieser brutalen Tat zu Filmen inspirieren lassen.
Der amerikanische Low-Budget-Streifen „Swoon“ (auf Deutsch „Ohnmacht“) von Regisseur Tom Kalin nimmt diese authentische Begebenheit aus dem Jahre 1924, beleuchtet aber eine weitere Facette der Tat. Den Leopold und Loeb unterhielten eine Beziehung zueinander, die sie bei den Einvernahmen durch die Polizei auch zugaben. Auf der deutschen Ausgabe von Wikipedia wird ein schwuler Aspekt der Tat und ein Verhältnis der beiden mit keiner Silbe erwähnt und auch auf zahlreichen anderen Seiten im Internet wird auf dieses nicht näher eingegangen. Fakt ist jedoch, dass Leopold bei seiner protokollierten Aussage betonte, dass er mit dem um ein Jahr jüngeren Loeb sexuellen Kontakt hatte und auch Loeb hat dieses nicht bestritten.
Tom Kalin greift diese Aussagen der beiden Studenten für seinen Film auf und entwickelt auf dieser Tatsache basierend ein vollkommen neues Bild der brutalen Tat. So war Nathan angeblich unsterblich in Richard verliebt, hörig und um seinen Geliebten nicht zu verlieren, hat er sich von ihm zu kriminellen Taten breitschlagen lassen. Was mit kleinerer Sachbeschädigung, Brandstiftung und Einbruch beginnt, gipfelt schlussendlich in einem eiskalten Mord ohne Motiv, dass die Bevölkerung von Chicago seinerzeit zutiefst schockierte. Und in „Swoon“ ist es neben dem Nervenkitzel durch kriminelle Taten auch der Liebesentzug von Richard, der seinen Geliebten Nathan dazu treibt, an der sinnlosen Mord mitzumachen und den 14jährigen Bobby zu töten.
Warum und wieso diese Tat tatsächlich begangen wurde, wird sich wohl ohnehin nie ganz eruieren lassen und die ganze Wahrheit wurde von den beiden Tätern auch mit ins Grab genommen. Es wurden auch in diversen Interviews immer wieder sehr widersprüchliche Aussagen von den beiden Mördern getätigt worden. Loeb ist jedoch während seiner Haft von einem Mithäftling ermordet worden, weil sich dieser von ihm sexuell belästigt gefühlt hat. Leopold hingegen wurde nach 33 Jahren Haft wegen guter Führung auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen wurde, ging nach Puerto Rico um dem Medienrummel zu entgehen, heiratete eine verwitwete Floristin und verstarb 1971 an einem Herzinfarkt, der durch seine schwere Diabetes verursacht wurde.
Tom Kalins mehrfach prämiertes Regie-Debüt „Swoon“ beschreibt die Zeit vor, während und nach der abscheulichen Tat in düsterer Schwarz-Weiß-Optik. Die Art der Inszenierung ist dabei eher dem Kunstfilm zuzuordnen denn trotz chronologischem Ablauf ist es mitunter nicht immer leicht, der Handlung zu folgen. Einige Szenen haben einen traumartigen Charakter und vieles ist auch nur angedeutet oder werden erst im Nachhinein näher erläutert. Die Inszenierung ist durchaus fesselnd, auch wenn der Streifen eigentlich trotz der Thematik keine Spannungsmomente zu bieten hat. Den wie bereits erwähnt ist der Fokus nicht auf das Verbrechen, sondern eher auf das Verhältnis der beiden zueinander gelegt. Und auch wenn man nur vermuten kann, was jetzt Realität und Fiktion ist, so ist die Geschichte, wie sie uns Kalin präsentiert, doch durchgehend plausibel.
Neben denn eindrucksvollen Bildern, die von der anderweitig Oscar-nominierten Kamerafrau Ellen Kuras eingefangen wurden, überzeugt „Swoon“ auch mit seinen sehr guten Hauptdarstellern, die das ambivalente Verhältnis zwischen den beiden Studenten auch sehr gut rüberbringen. Craig Chester als Nathan Leopold Jr. ist ja ein bekanntes Gesicht aus der New-Queer-Film-Ecke und hat man auch schon in dem düsteren Sado-Maso-Schocker „Frisk“ gesehen und auch in dem Feminismus-Drama „I shot Andy Warhol“ ist der gute Mann zu sehen. Selbst in einer Folge „Sex and the city“ hat Chester schon mitgewirkt. Der zweite Hauptdarsteller, Daniel Schlachet hingegen hat verwunderlicher weise in keinem weiteren Streifen mehr mitgespielt. Weitere bekannte Gesichter fehlen zwar, trotzdem sind alle darstellerischen Leistungen im guten bis sehr guten Bereich.
Die DVD von CMV-Laservision bringt diesen interessanten und unkonventionellen Beitrag des modernen Schwulenfilms ebenfalls in gewohnt-guter Qualität. Da sich für diese Art von Film eine Synchronisation leider niemals rentieren würde, gibt es den Streifen jedoch „nur“ in der englischen Original-Variante mit optionalen deutschen Untertiteln. Bild- und Tonqualität sind gut und als besonderes Zuckerl gibt es noch einen interessanten Audiokommentar mit Regisseur, Kamerafrau, Produzentin und Hauptdarsteller. Neun Trailer aus der anspruchsvollen Low-Budget-Homo-Ecke wie die ebenfalls empfehlenswerten „wake“, „the journey of jared price“, „phoenix“ etc. runden das sehr positive Gesamtbild ab.
Ob am 21. Mai 1924 ein Verbrechen aus Leidenschaft begangen wurde oder der Mord aus Leidenschaft am Verbrechen geschehen ist – das muss jeder Zuschauer wohl für sich selbst entscheiden. Wer sich über die Tat, die Personen, die turbulenten Verhandlungen und die Auswirkung auf die amerikanische Judikatur näher informieren möchte, kann dieses auf der sehr ausführlichen, englischen Seite namens www.leopoldandloeb.com gerne tun. Tom Kalin hat der bereits mehrfach verfilmten Geschichte über diese todbringende Freundschaft zweier hochintelligenten Studenten jedenfalls eine interessante Komponente hinzugefügt. „Swoon“ ist optisch sowie inhaltlich sehr interessant ausgefallen und überzeugt eigentlich auf der ganzen Linie. Sicherlich keine leichte Kost für zwischendurch, aber für Freunde des dramatischen Films schon sehr interessant. Und so gebe ich an dieser Stelle auch gerne 7 von 10 Punkten.
Offline
@ Jochen,
Danke fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5675
Offline